Ab in die Pfanne, nicht in die Tonne

Inzwischen gibt es immer mehr Möglichkeiten, um gegen Lebensmittelverschwendung vorzugehen. Foodsharing ist eine davon. Hier im Interview wird erklärt, warum das Ganze so wichtig ist und was wir gegen Ressourcenverschwendung unternehmen können.

Ein neuer Tag. Vor Brigitte stapeln sich Kartons mit allerlei Gemüse, Obst und Brot. Von Radieschen über Papayas bis hin zum Apfelkuchen ist alles dabei. „Das haben wir heute schon gerettet, und das ist nur die Hälfte“, sagt Brigitte stolz. „Den Rest hat ein anderer Foodsaver abgeholt“. Immer wieder liest man davon, dass Lebensmittelverschwendung ein ernstzunehmendes Problem ist und das jährlich Millionen von Tonnen im Müll landen. Sich etwas unter den Zahlen vorzustellen, fällt jedoch schwer. Bis zu dem Zeitpunkt, in dem man die Berge an Lebensmitteln mit eigenen Augen sieht. Was jedoch am meisten irritiert, ist der Zustand, in dem sie sich befinden. Alles sieht frisch und appetitlich aus. Hier und da findet sich eine Tomate mit einer Delle, aber nichts davon sieht aus, als müsse es in der Tonne landen.

Dies ist jedoch hierzulande Normalität. In Deutschland werden laut einer WWF-Studie jährlich 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeschmissen. Davon könnten zehn Millionen Tonnen vermieden werden. Hauptverursacher stellen nämlich private Haushalte dar und somit sieben Millionen Tonnen an Nahrungsmitteln.

Während Brigitte durch die Kisten kramt, erzählt sie, wie die einzelnen Lebensmittel verarbeitet werden können, um sie länger haltbar zu machen. „Hier mit den ganzen Bananen kann man ganz leckere Bananenmarmelade zubereiten. Und wenn das Brot zu trocken ist, einfach etwas Wasser drüber, in den Ofen schieben und schon ist es wieder knusprig“, verrät sie. Brigitte zeigt auf die Tomaten mit weichen Stellen und meint: „Zusammengemixt mit dem welken Rucola eignet sich das prima als Pesto“. Doch woran liegt es dann, dass die Endverbraucher ihre Nahrungsmittel lieber in die Tonne werfen, als sie noch zu verarbeiten?

Die Antwort lautet Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD). Laut der Verbraucherzentrale landen 58 Prozent der entsorgten Lebensmittel dort, weil das MHD abgelaufen ist. Dieses Datum gibt jedoch nicht an, ab wann das Nahrungsmittel abläuft, sondern bis wann es seine Eigenschaften wie Geruch, Nährwerte und Geschmack bei richtiger Lagerung beibehält. Die Verbraucherzentrale rät: „Trauen Sie Ihren eigenen Sinnen – Sehen, Riechen, Schmecken“. Produkte mit einem abgelaufenen MHD können häufig noch verzehrt werden und sind keineswegs vergammelt. Anders sieht das bei dem Verbrauchsdatum aus. Dieses findet sich auf schnellverderblichen Lebensmitteln wie Hackfleisch, Fisch und fertig gemischten Salaten. „Zu verbrauchen bis …“ gibt demnach den Tag an, bis wann das Produkt bei richtiger Lagerung verzehrt werden kann, ohne gesundheitliche Schäden zu verursachen. Nach Ablauf des Verbrauchsdatums darf es nicht mehr verkauft werden.

Ein weiterer Grund für diese hohe Verschwendungsrate ist, dass der Verbraucher mehr kauft, als er wirklich verwendet. So werden gleich zwei Packungen Weintrauben eingepackt, sie sind ja schließlich im Angebot. Wenn dann die Hälfte doch anfängt zu schimmeln, dann kann man das auch nicht mehr ändern. Ab in den Müll und ganz nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Zudem sind Lebensmittel ständig in großen Mengen und hoher Vielfalt verfügbar. Sie sehen nahezu makellos aus und die Regale werden sofort aufgefüllt, wenn etwas zu Neige geht. Falls es dann doch mal exotischer sein soll, reichen ein paar Klicks aus und der gewünschte Artikel wird im Internet bestellt. So wird schnell mehr gekauft als benötigt und vieles landet im Müll. 

Auch Madelaine erzählt, wie wichtig es ist, sich in Erinnerung zu rufen, was für kostbare Ressourcen hinter den Nahrungsmitteln stecken und dass sie wertgeschätzt werden müssen. Sie konnte durch Foodsharing schon 10.000 Kilogramm Lebensmittel retten. Im Raum Braunschweig sind schon über 450.000 Kilogramm vor dem Müll bewahrt worden. Seit 2014 ist Foodsharing in Braunschweig aktiv und zählt mittlerweile 1.100 Foodsaver. Das sind Menschen, die Lebensmittel vor der Tonne retten. Jedes Jahr kommen neue ehrenamtliche Helfer sowie Unternehmen dazu, die einen Beitrag gegen die Vergeudung von noch genießbaren Lebensmitteln leisten wollen. Auch eine aktuelle, repräsentative Umfrage von ALDI Nord und ALDI Süd zum Thema der Lebensmittelverschwendung zeigt, dass ein Umdenken bezüglich dieser Problematik bei den Deutschen erfolgt. Knapp über 50 Prozent der Befragten halten ihre Einkäufe gut im Blick, damit nichts weggeschmissen werden muss. Circa ein Drittel plant genau, was im Einkaufswagen landet, um einer Lebensmittelverschwendung vorzubeugen. Vielen Menschen ist mittlerweile bewusst, dass mit diesen kleinen und effektiven Einkaufsmethoden viel bewirkt werden kann. Vor allem ältere Menschen, knapp 70 Prozent der über 65-Jährigen, geben an, wenig bis keine Lebensmittel wegzuschmeißen. Das sind deutlich mehr bei den Jüngeren im Alter von 18 bis 29 Jahren, hier gaben nur knapp 30 Prozent der Befragten an, wenig bis keine Lebensmittel zu entsorgen. 

Die Thematik der Lebensmittelverschwendung rückt immer mehr in die Mitte der Gesellschaft. Mit wenig Zeitaufwand kann viel bewirkt werden. Dabei helfen Fragen wie „Brauche ich das wirklich?“, „Was will ich kochen?“ oder einfach den eigenen Sinnen vertrauen, die Müllberge voller genießbarer Lebensmittel schrumpfen zu lassen.

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