“Abgeordneter sein macht viel Arbeit”

Victor Perli sitzt seit Oktober für den Wahlkreis Salzgitter/Wolfenbüttel/Vorharz im deutschen Bundestag. Was motiviert einen 36-Jährigen, in die Politik zu gehen? Der Linken-Politiker im Gespräch mit Campus38.

Victor Perli, Sohn italienisch-niederländischer Gastarbeiter, ist 36 Jahre alt und MdB. Im deutschen Bundestag repräsentiert er seit Oktober den Wahlkreis Salzgitter/Wolfenbüttel/Vorharz. Neben der deutschen besitzt der Linken-Politiker auch die italienische und die niederländische Staatsbürgerschaft. Auch dort spürt er Wurzeln. An Italien schätzt er vor allem die italienische Küche und genießt das Wandern in den Bergen Südtirols. An den Niederlanden gefällt ihm der aufgeklärte Zeitgeist und die Bedeutung der individuellen Freiheitsrechte.

Mit 36 Jahren blickt Perli bereits auf eine fast zwei Jahrzehnte lange politische Laufbahn zurück. Sein politisches Engagement beginnt er im Alter vom 17 Jahren. „Damals war ich noch Schüler, irgendwie links und ich fand es nicht gut, dass in der Schülerschaft nur die Jugendorganisationen von CDU und FDP vertreten waren.“ Politische Orientierung geben ihm Werke von John Lennon, Nelson Mandela, Rosa Luxemburg oder auch Rio Reiser, Ton Steine Scherben oder auch Rudi Dutschke.

Anti-Neo-Liberalismus, Anti-Krieg

Im Jahr 2000 trat er der sozialistischen Jugend [´solid], dem parteinahen Jugendverband der PDS und im Anschluss der Mutterpartei bei. „Zu dieser Zeit wurde der Neoliberalismus ein großes Thema, die rot-grüne Regierung von Gerhard Schröder und Joschka Fischer unterwarf sich der Macht der Finanzmärkte, Lafontaine trat deshalb als Finanzminister zurück.“ Damals wurde die erste deutsche Kriegsbeteiligung seit 1945 beschlossen. Das fand er „schlimm“. Auch ein von Neonazis begangener Brandanschlag auf eine Wolfenbütteler Moschee motivierten ihn. „Das alles war nicht meine Vorstellung von einer guten Zukunft. Deshalb bin ich aktiv geworden.“ Auf meine Frage, ob er denn aufgrund seiner Wurzeln selbst Erfahrungen mit Vorurteilen zu kämpfen hatte, sagt er mit einem Augenzwinkern: „Nein, daran kann ich mich nicht erinnern. Ich kann mich nur an Hänseleien rund um die Fußball-Weltmeisterschaften erinnern.“

Von 2002 bis 2003 ist er Landessprecher sowie von 2003 bis 2005 und 2007 bis 2008 Bundessprecher von [´solid]. In dieser Zeit lernt er einiges für seine spätere Parlamentsarbeit: „Nicht nur im Umgang mit Gesellschaftskritik und linken Theorien, sondern auch praktisch bei der Organisation von Demos, Veranstaltungen, Gremienarbeit und auch im Umgang mit politischen Konflikten, die wir damals auch mit prominenten Parteivertretern hatten.“

Keine fixen Wochenabläufe

Hochschulpolitisch betätigt sich Perli in der Zeit nicht. Die Tätigkeit als Bundessprecher der Linksjugend lässt Perli wenig Freiräume. Allerdings hält er die studentische Interessenvertretung für eine wichtige Institution und würde Studierenden empfehlen, sich einzubringen, erwähnt aber auch den Zeitaufwand: „Ich weiß aber auch, dass die neue Studienstruktur aus Bachelor und Master das hochschulpolitische Engagement im Vergleich zu den frühen Studiengängen erschwert.“

Als Bürger hat man oft keinen Bezug dazu, wie viel Arbeit in die Tätigkeit eines Abgeordneten fließt. Viele Menschen haben das Gefühl, als würden Abgeordnete nur im Bundestag sitzen und nach Sitzung Feierabend haben. Dem widerspricht Perli: „Seitdem ich Abgeordneter bin, ist meine politische Arbeit eine Vollzeittätigkeit. Ich habe da keine fixen Wochenabläufe. Gerade wenn man mit ehrenamtlichen Aktiven zusammenarbeitet, sind viele Termine abends und am Wochenende. 40 bis 50 Stunden kommen da schnell zusammen.“ Um den Kopf frei zu bekommen und sich zu entspannen, helfen ihm neben Zeit mit der Familie etwa auch Zeit in der Natur oder das Besuchen von Kulturveranstaltungen: „Ich gehe im Harz oder den Bergen Südtirols wandern und pflege meinen kleinen Obst-und Gemüsegarten. Außerdem besuche ich gerne Konzerte und Ausstellungen.“

Vor seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter war Perli von 2008 bis 2013 Abgeordneter im niedersächsischen Landtag sowie von 2011 bis 2015 Fraktionsvorsitzender im Wolfenbütteler Kreistag. Außerdem ist er seit 2015 Vorsitzender der parteinahen Rosa-Luxemburg Stiftung, welche zu den größten Trägern politischer Bildungsarbeit in Deutschland gehört.

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