Achtung – Kopfspiel! Seelische Gesundheit im Nachwuchsleistungssport

Am 10. November 2009 nahm sich der ehemalige Nationaltorwart Robert Enke das Leben. Auch über zehn Jahre später ist diese Tragödie in den Köpfen der Menschen verankert. Nach wie vor ist die seelische Gesundheit von Leistungssportlern ein sensibles Thema.

“Vor jedem wichtigen Spiel macht man sich viele Gedanken und ist nervös. Die Angst davor, zu versagen, einen Fehler im Spiel zu machen und was aus diesen Fehlern resultiert. Man ist nicht einfach nur noch nervös, sondern kann vor dem Spiel nichts mehr essen.  Die Angst überwiegt allem, man hinterfragt alles total… Auf seine Fähigkeiten kann man nicht mehr vertrauen und dann kommt es auch ganz schnell zu Fehlern.”

Gunnar Niemann ist Nachwuchs-Fußballspieler. Die Art, wie seine Gedanken vor einem wichtigen Spiel um potenzielle Fehler und ihre Konsequenzen kreisen, machen deutlich: Druck und Versagensängste sind keine Seltenheit bei Fußballspielern. Eine aktuelle Studie der internationalen Spielergewerkschaft FIFpro besagt, dass psychische Erkrankungen ein ernstzunehmendes Thema in der Fußballwelt bei aktiven und ehemaligen Sportlern sind. Über ein Drittel der Profis hatten bereits mit Angstzuständen und Depressionen zu kämpfen.

„Niemand will auf der Bank sitzen, sondern Teil der ersten Elfsein“ 

Er ist mit 14 Jahren in ein Sportinternat gezogen, wo er mit anderen angehenden Fußballern nicht nur ein Zimmer teilte, sondern einen gemeinsamen Traum – professioneller Fußballer.

Gunnar Niemann verließ für sein Lebensziel nicht nur sehr früh sein Elternhaus, sondern gab damit auch ein bisschen seine Kindheit auf. Die Wochen bestanden aus Training, die Wochenenden aus Spielen. „Wo andere anfangen, Mädchen kennenzulernen, feiern gehen oder ähnliches, ist man mit Fußball beschäftigt”, blickt Gunnar zurück.

In der U15 und U16 spielte er bereits für Werder Bremen. Weit weg von Zuhause, seinem gewohnten Umfeld und seinen Eltern. So wurde er schnell erwachsen und sei mit 16 Jahren bereits weitaus selbständiger als andere Teenager in seinem Alter gewesen. Er und die anderen Internatsschüler haben eine öffentliche Schule besucht. Im Internat gab es strenge Regelungen. Eine davon: Ohne gute Noten durften die Schüler das Fußballfeld nicht betreten. Gunnar jedoch musste nie aufgrund seiner schulischen Leistungen auf der Bank sitzen. Doch wurde er einen Tag suspendiert, weil er mit seinen Mitschülern eine Stunde geschwänzt hatte, erinnert sich der gebürtige Uelzener.

Auf dem Platz herrsche nochmal ein anderer Druck. „Niemand will auf der Bank sitzen, sondern Teil der ersten Elf sein“, erklärt Gunnar. Das hieß für den jungen Fußballer, zu jederzeit bereit zu sein und das komplette Potential auszuschöpfen. Zwischen Fußball und Schule gab es nicht viel Spielraum. Mit 17 Jahren endete ungewollt seine Zeit bei Werder Bremen. „Der Wechsel war sehr schwer, ich wollte Bremen nicht verlassen, aber ohne Werder Bremen gab es kein Bremen für mich.” Über einen Berater landete er bei Eintracht Braunschweig, wo er bis zur U23 spielen sollte. Zu dem Ortswechsel kamen unbekannte Mitspieler, ein anderer Trainer und neue Erwartungshaltungen sowie Druckgefühle dazu. „Ich war plötzlich der Spieler von Werder. Der Druck auf mich als Person wuchs, aber der Druck aus der Mannschaft sank.” Eintracht Braunschweig war ganz anders aufgestellt und die Erwartungshaltung veränderte sich dadurch komplett, so Gunnar. Somit sei es ihm besser gelungen, auf dem Platz zu performen als bei Werder, weil er nicht mehr diesen starken Leistungsdruck verspürt habe. 

Sein Verein hatte einen eigenen Psychologen, den er jedoch zum Glück nie in Anspruch nehmen musste. Trotzdem wurde es nicht einfacher, erklärt der Sportler. „Gerade, wenn du es dann nach ganz oben geschafft hast, wird es ja nicht leichter oder angenehmer, die Medienpräsenz ist dort ja dann gigantisch. Dir wird über die Jahre klargemacht, dass du einem enormen Druck standhalten musst und dass dieser nicht weniger wird. Schaffst du es? Super! Schaffst du es nicht? Wird es schwer, ganz oben anzukommen.”

Der 23-Jährige hatte unterschiedliche Trainer in seiner Spielzeit. Sein Trainer in der U15 sagte zu ihm: „Je älter du wirst, desto weniger sprechen die Trainer mit dir.” Diese Aussage prägte sich bei ihm ein und bestätigte sich in den darauffolgenden Jahren, sagt Gunnar. Wenn man spiele und trainiere, sei alles gut. Wenn es einem jedoch nicht gut gehe, würde man das Spiel von der Bank aus beobachten. Ein Druck, mit dem nicht jeder umgehen könne. 

Nach der U23 verließ Gunnar Eintracht Braunschweig und wagte den nächsten Schritt. Er wechselte in die Regionalliga West in der Hoffnung, aufzusteigen. Jedoch scheiterte sein Plan. Und sein Traum, den er schon mit 14 Jahren verfolgte, zerbrach. Kurze Zeit später kehrte er zu Eintracht zurück, die in der Zwischenzeit in die 3. Liga abgestiegen waren und somit auch zu einer anderen Mannschaft wurden, erklärt der Fußballer. Heute studiert er Sportmanagement und spielt nebenbei in der Oberliga.

In Gunnars Fall war eher der Leistungsdruck prägend. So gut es ging, versuchte er, ihn als positiven Druck anzusehen und daran zu wachsen. Jedoch sei Fußball ein brutales Geschäft, an dem immer mehr Menschen kaputt gingen.

Wenn der Druck ins Unermessliche steigt

„Da ist eine Menge Dunkelheit, wie in einem Tunnel und am Ende ist da ein Licht. Und man hofft einfach nur, dass das Licht nicht ausgeht.“ So beschreibt Teresa Enke, Vorsitzende der Robert-Enke-Stiftung, die Krankheit Depression. Jene Erkrankung, die ihren Mann, Robert Enke, 2011 zum Selbstmord trieb

Obwohl fünf Millionen Menschen in Deutschland an Depressionen erkranken, von denen jährlich 10.000 Menschen Suizid begehen, unterschätze ein Großteil der Bevölkerung das Ausmaß einer Depression. Zumal sie keine Charakterschwäche ist, die ein Erkrankter durch einfaches Zusammenreißen oder Urlaub überwinden kann, so Psychiater und Chemiker prof. Holsboer. Ganz im Gegenteil: Die Erkrankung sei in jedem Fall ernst zu nehmen, genau wie eine Lungenentzündung oder ein Bandscheibenvorfall.

Aber wie erkennt man eine Depression? Wie unterscheidet man eine schlechte Phase mit einer depressiven Episode? 

Erkrankte berichten von einem schleichenden Voranschreiten der Depression.  Noch bevor die Erkrankten das Ausmaß einschätzen könnten, habe sie die Krankheit komplett aus dem Leben gerissen. Der Krankheitsverlauf der Betroffenen ist sehr unterschiedlich, erklärt Dr. med. Frank Helmig, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie in Flensburg. Der häufigste Krankheitsverlauf unterteile sich in unregelmäßige Episoden. Eine Episode könne von ein paar Wochen bis zu mehreren Monaten anhalten. Auch die Zeit zwischen den Episoden könne variieren, in der die Erkrankten vollständig gesund seien. Die Betroffenen, die an dieser unipolaren Depression leiden, müssen lernen, damit zu leben. In vielen Fällen führe Depression zur Arbeitslosigkeit, weil der nötige Antrieb fehle und die Arbeitgeber die Betroffenen als nicht genügend leistungsfähig einstufen. In anderen Extremfällen könne die Aussichtslosigkeit der immer wiederkehrenden Krankheit zum Suizid führen.

Schlaflosigkeit, Angstattacken, Niedergeschlagenheit oder Freudlosigkeit – nur wenige Symptome von Depressionen. Es falle schwer, aus dem Bett zu kommen und den nötigen Antrieb für den Tag zu finden. Alltägliche Aufgaben wie Einkaufen oder Aufräumen können zu einer großen Herausforderung werden. 

Die Ursachen einer Depression können noch unterschiedlicher sein als der Krankheitsverlauf selbst und sind niemals auf einen einzigen Auslöser zurückzuführen. Auch im Leistungssport ist Druck oftmals nicht der alleinige Auslöser für Depressionen, sagt Dr. med. Frank Helmig: „Der Druck, so er denn besteht, kann natürlich ein Faktor im individuellen Störungsmodell des Leistungssportlers sein und kann dann sowohl zu den auslösenden wie auch zu den aufrechterhaltenden Faktoren gezählt werden. Er ist aber quasi nie alleinige Ursache oder Grund für ein depressive Erkrankung.”

Weitere Auslöser können Überforderung und Stress, Probleme mit Mitmenschen, eine Stoffwechselstörung im Gehirn oder ein Schicksalsschlag sein. Es lasse sich oft kein eindeutiger Auslöser für eine depressive Episode finden. Genauso sei niemand vor der Krankheit gewahrt, da es jeden treffen könne. Es helfe eine frühe und regelmäßige Behandlung, um die depressiven Episoden zu verkürzen. Zusätzlich können Medikamente wie Antidepressiva eingesetzt werden und weitere ergänzende Maßnahmen, die die behandelnden Ärzte oder Psychiater auf den Betroffenen abstimmen. So könne sich eine depressive Episode von beispielsweise acht Monaten auf vier Monate verkürzen. 

Es befinde sich jedoch nur ein geringer Teil von Depressiven in professioneller Behandlung. Gründe dafür seien das fehlende Wissen über diese Krankheit sowie der Scham und die Angst, ausgegrenzt oder ausgelacht zu werden, oder berufliche Schäden davonzutragen. Auch Robert Enke verheimlichte seine Depression vor seinen Kollegen und Freunden. Er sah zuletzt nur eine Lösung: Suizid.

Es blutet nicht, es heilt nicht. Eine Depression ist dem Betroffenen von außen nicht anzusehen – Das Leiden findet in der innersten Gefühlswelt statt. Eine für Mitmenschen gänzlich unsichtbare, schwer nachvollziehbare Krankheit stößt in der Gesellschaft häufig auf Unverständnis. Das wollte die Robert-Enke-Stiftung ändern. Sie hat eine Virtual Reality (VR) Erfahrung produziert, die Nicht-Betroffenen einen Einblick in die Gefühlslage eines Erkrankten gibt.

Wenn der Druck ins Unermessliche steigt

„Da ist eine Menge Dunkelheit, wie in einem Tunnel und am Ende ist da ein Licht. Und man hofft einfach nur, dass das Licht nicht ausgeht.“ So beschreibt Teresa Enke, Vorsitzende der Robert-Enke-Stiftung, die Krankheit Depression. Jene Erkrankung, die ihren Mann, Robert Enke, 2011 zum Selbstmord trieb

Obwohl fünf Millionen Menschen in Deutschland an Depressionen erkranken, von denen jährlich 10.000 Menschen Suizid begehen, unterschätze ein Großteil der Bevölkerung das Ausmaß einer Depression. Zumal sie keine Charakterschwäche ist, die ein Erkrankter durch einfaches Zusammenreißen oder Urlaub überwinden kann, so Psychiater und Chemiker prof. Holsboer. Ganz im Gegenteil: Die Erkrankung sei in jedem Fall ernst zu nehmen, genau wie eine Lungenentzündung oder ein Bandscheibenvorfall.

Aber wie erkennt man eine Depression? Wie unterscheidet man eine schlechte Phase mit einer depressiven Episode? 

Erkrankte berichten von einem schleichenden Voranschreiten der Depression.  Noch bevor die Erkrankten das Ausmaß einschätzen könnten, habe sie die Krankheit komplett aus dem Leben gerissen. Der Krankheitsverlauf der Betroffenen ist sehr unterschiedlich, erklärt Dr. med. Frank Helmig, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie in Flensburg. Der häufigste Krankheitsverlauf unterteile sich in unregelmäßige Episoden. Eine Episode könne von ein paar Wochen bis zu mehreren Monaten anhalten. Auch die Zeit zwischen den Episoden könne variieren, in der die Erkrankten vollständig gesund seien. Die Betroffenen, die an dieser unipolaren Depression leiden, müssen lernen, damit zu leben. In vielen Fällen führe Depression zur Arbeitslosigkeit, weil der nötige Antrieb fehle und die Arbeitgeber die Betroffenen als nicht genügend leistungsfähig einstufen. In anderen Extremfällen könne die Aussichtslosigkeit der immer wiederkehrenden Krankheit zum Suizid führen.

Schlaflosigkeit, Angstattacken, Niedergeschlagenheit oder Freudlosigkeit – nur wenige Symptome von Depressionen. Es falle schwer, aus dem Bett zu kommen und den nötigen Antrieb für den Tag zu finden. Alltägliche Aufgaben wie Einkaufen oder Aufräumen können zu einer großen Herausforderung werden. 

Die Ursachen einer Depression können noch unterschiedlicher sein als der Krankheitsverlauf selbst und sind niemals auf einen einzigen Auslöser zurückzuführen. Auch im Leistungssport ist Druck oftmals nicht der alleinige Auslöser für Depressionen, sagt Dr. med. Frank Helmig: „Der Druck, so er denn besteht, kann natürlich ein Faktor im individuellen Störungsmodell des Leistungssportlers sein und kann dann sowohl zu den auslösenden wie auch zu den aufrechterhaltenden Faktoren gezählt werden. Er ist aber quasi nie alleinige Ursache oder Grund für ein depressive Erkrankung.”

Weitere Auslöser können Überforderung und Stress, Probleme mit Mitmenschen, eine Stoffwechselstörung im Gehirn oder ein Schicksalsschlag sein. Es lasse sich oft kein eindeutiger Auslöser für eine depressive Episode finden. Genauso sei niemand vor der Krankheit gewahrt, da es jeden treffen könne. Es helfe eine frühe und regelmäßige Behandlung, um die depressiven Episoden zu verkürzen. Zusätzlich können Medikamente wie Antidepressiva eingesetzt werden und weitere ergänzende Maßnahmen, die die behandelnden Ärzte oder Psychiater auf den Betroffenen abstimmen. So könne sich eine depressive Episode von beispielsweise acht Monaten auf vier Monate verkürzen. 

Es befinde sich jedoch nur ein geringer Teil von Depressiven in professioneller Behandlung. Gründe dafür seien das fehlende Wissen über diese Krankheit sowie der Scham und die Angst, ausgegrenzt oder ausgelacht zu werden, oder berufliche Schäden davonzutragen. Auch Robert Enke verheimlichte seine Depression vor seinen Kollegen und Freunden. Er sah zuletzt nur eine Lösung: Suizid.

Im Kopf eines Depressiven 

Es blutet nicht, es heilt nicht. Eine Depression ist dem Betroffenen von außen nicht anzusehen – Das Leiden findet in der innersten Gefühlswelt statt. Eine für Mitmenschen gänzlich unsichtbare, schwer nachvollziehbare Krankheit stößt in der Gesellschaft häufig auf Unverständnis. Das wollte die Robert-Enke-Stiftung ändern. Sie hat eine Virtual Reality (VR) Erfahrung produziert, die Nicht-Betroffenen einen Einblick in die Gefühlslage eines Erkrankten gibt.

Es sind nur ein paar Minuten in Robert Enkes Haut. Ein paar Minuten im Leben eines Profifußballers. Nur ein paar Minuten im Körper eines depressiven Menschen. Und doch löst diese VR-Erfahrung so vieles in den Probanden aus. Für kurze Zeit kann man zumindest ansatzweise erahnen, wie ein depressiver Mensch fühlt und wie die Krankheit dessen Alltag beeinflusst.

Gemeinsam mit Psychotherapeuten, Spezialisten und Betroffenen wurde eine Möglichkeit erarbeitet, möglichst viele Menschen an dieser Erfahrung teilhaben lassen zu können: „IMPRESSION DEPRESSION“.  VR-Brille auf – „Kopfspiel“ an. Außenstehende erhalten auf diese Weise zumindest einen kleinen Eindruck von der Krankheit Depression. Da es sich um ein sehr emotionales Erlebnis handelt, wird diese stets begleitet. Betroffene oder ehemals Erkrankte dürfen jedoch nicht daran teilnehmen. Erstellt wurde diese Virtual Reality-Erfahrung von der Robert-Enke-Stiftung anlässlich des zehnten Todestages des Profifußballers. Diese wurde vom Deutschen Fußball-Bund, Hannover 96 und der DFL (Deutsche Fußball Liga) gegründet. Teresa Enke, seine Witwe, setzt sich seit nun zehn Jahren mit dieser Stiftung dafür ein, dass Einrichtungen zur Aufklärung über die Krankheit Depression, bzw. Kinder-Herzkrankheiten und der Erforschung oder Behandlung dieser Krankheiten gefördert werden. Bisher ließen sich schon einige Erfolge verzeichnen. So wurde beispielsweise ein qualifiziertes Netzwerk aus rund 70 aktiven Psychiatern und Psychotherapeuten aufgebaut.

Robert Enke und seine Depression

196 Bundesligaspiele. Kapitän von Benfica Lissabon. Torwart des FC Barcelona. Achtmaliger Torhüter der deutschen Nationalmannschaft – Eine beachtliche Karriere. Dass hinter diesen Erfolgen allerdings nicht nur ein professioneller Torwart, sondern auch ein Mensch mit Gefühlen und Versagensängsten stand, denkt man zunächst nicht. Denn die Zeit brachte nicht nur Erfolg mit sich. Robert Enke erlebte ein Auf und Ab in seiner Fußballkarriere. Eine Zeit, die auch von privaten Tiefschlägen; wie dem Tod seiner herzkranken 2-jährigen Tochter, Lara, ereilt wurde. Er erkrankte an Depressionen und beging am 10. November 2019 Suizid.

Mit 15 Jahren spielte er in der Jugend-Nationalelf. Fünf Jahre später lief er bei Borussia Mönchengladbach erstmals in der Bundesliga auf. Daraufhin folgten acht Jahre mit vielen Höhen und Tiefen, bis er für die DFB-Auswahl spielte. Kurzzeitig war er sogar arbeitslos, kämpfte sich aber zurück in die Fußballwelt und war ab 2004 der Torwart von Hannover 96.

Eine Veranlagung zur Depression habe Robert Enke stets gehabt. Die Krankheit sei aber lediglich phasenweise ausgebrochen, so Teresa Enke. So war „Robbi“ zeitweise ein glücklicher Mensch wie in Lissabon, als es sowohl privat als auch sportlich sehr gut für ihn lief. Jedoch kehrte die Depression immer wieder zurück und ließ ihn in ein dunkles Loch fallen. Zuletzt brach sie 2009 aus, als er eine Viruserkrankung als Grund für seinen Ausfall beim Spiel gegen den HSV angab. Denn unter keinen Umständen wollte Robert Enke seine Krankheit der Öffentlichkeit offenbaren.

Die Öffentlichkeit und Fußballwelt nach dem Tod von Robert Enke

„Wir müssen heute über ein Tabuthema in der Bundesliga sprechen. Robert Enke hatte Depressionen“. Mit diesen Worten begann ein Vereinssprecher vor zehn Jahren die Pressekonferenz einen Tag nach dem Tod des Torwarts. Bis zu dem Zeitpunkt hatte Enke vehement versucht, seine Krankheit geheim zu halten. Vor seinem Trainer, seinem ganzen Verein und nicht zuletzt vor der Öffentlichkeit. Zu groß war die Angst; das, was er so liebt – den Fußball – zu verlieren.

Auch Andreas Biermann, ein ehemaliger Fußballprofi, nahm sich im Juli 2014 das Leben. Er wurde nur 33 Jahre alt. Nach dem Tod Enkes 2009 bekannte er sich öffentlich zu seiner Depression. Festgestellt hatte er seine Erkrankung aufgrund der Pressekonferenz, in der Teresa Enke erstmals über die Depressionen ihres Mannes sprach. „Es war, als hielt sie mir einen Spiegel vor.“, so Biermann. Im Jahre 2011 schrieb er sogar ein Buch über seine Krankheit und Fußballkarriere: „Rote Karte Depression“ – ein Buch, das anderen Mut zusprechen soll.

„Fußball ist sein Kokon, sein Schutzschild. Wenn er Leistung bringt, ist er unanfechtbar. Wenn er den Fußballplatz aber verlässt, verliert auch dessen Zauber seine Wirkung.“, heißt es in seinem Werk. Nach seiner Bekanntmachung jedoch nahm kein Verein ihn mehr unter Vertrag. Es hieße immer wieder, er würde der Verantwortung nicht standhalten können. Er empfahl somit damals keinem Fußballerspieler, seine Erkrankung publik zu machen.

Doch wie sieht es heute aus? 10 Jahre später. Inzwischen gibt es zumindest einen Lichtblick in der Welt des Fußballs. So unterliegen die Nachwuchsleistungszentren der ersten und zweiten Liga mittlerweile der Vorschrift des DFB, mindestens einen psychologischen Angestellten zu beschäftigen. Auch Martin Amedick, der selbst an Depressionen erkrankte, und Ronald Reng tragen mit ihren Vorträgen in den Leistungszentren zum Verständnis und zur Akzeptanz der Krankheit bei.  Zudem bestreite heute niemand mehr die Existenz seelischer Störungen im Fußball. Betritt man einen Kiosk, kommt man an Zeitschriften, die sich mit dem mentalen Wohlbefinden beschäftigen, kaum vorbei.

Doch, wo Licht ist, ist immer auch ein Schatten. Denn auch zehn Jahre nach dem Tod Robert Enkes sieht sein Psychiater, Valentin Markser, dennoch wenig Progress. Sei es im Fußball oder in der Medienwelt. Es scheine, als gäbe es eine unheilvolle Allianz im Leistungssport, die den dringend nötigen Aufbruch zur besseren Behandlung von seelischen Krankheiten verhindere. Noch immer sei Gesundheit nicht Ziel des Leistungssports, sondern würde während der gesamten Karriere vorausgesetzt. So bietet eine Vielzahl der Klubs der Bundesliga „den Profis überhaupt keine sportpsychologische Betreuung an.“, so Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballspieler.

Auch die Fans scheinen sich mehr denn je wie Elefanten im Porzellanladen zu bewegen. Rücksichtlos, taktlos und ohne jegliches Mitgefühl machen sie ihrem Ärger nach einem verlorenen Spiel auf Social Media Luft. So schrieb ein Twitter-Nutzer nach der 0:8-Pleite von Mainz 05 in Leipzig: „Mir ist mittlerweile scheißegal, ob diese Muschis das nächste Heimspiel gewinnen oder mit diesem Versager als Trainer den Klassenerhalt schaffen.“ Auch der Trainer Ralf Rangnick wurde nach seiner Pause von einem Plakat mit den Worten: „Burnout-Ralle, häng dich auf!“ begrüßt.Das Problem bestünde vor allem darin, „dass jeder unter einem Pseudonym oder einem Stichwort jeden, der gerade nicht bei drei auf dem Baum ist, beschimpfen und beleidigen kann.“ So beschreibt Uli Hoeneß die derzeit kritische Situation in der Gesellschaft auf der Podiumsdiskussion der Robert-Enke-Stiftung am 04. November 2009 zum Thema „Auch Helden haben Depressionen“. Auf diese Weise kann sich der Druck auf die Spieler immens verstärken.

So hat der Tod von Robert Enke an einigen Ecken bereits für Veränderung gesorgt. Jedoch besteht noch immer viel Handlungsbedarf. Besonders die Fans sollten ihr Handeln verbessern, um den Fußballern das Leben zumindest etwas zu erleichtern.

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