Adoption – „Meine leibliche Mutter brauche ich nicht, um glücklich zu sein“

Als Marek etwa 13 Jahre alt ist, bekommt er eine enttäuschende Nachricht von seiner leiblichen Mutter. Sie möchte ihn nicht kennenlernen und keinen Kontakt zu ihm aufbauen. Heute ist Marek 23 Jahre alt und ist seiner leiblichen Mutter nach wie vor nie begegnet. Der einzige Eindruck, den er von ihr hat, bleibt ihr Profil in den sozialen Medien.

Am 13. September 1997 wurde Marek in Celle geboren und kurz danach zur Adoption freigegeben. Fünf Tage später holten ihn seine heutigen Adoptiveltern aus dem Krankenhaus ab. Bis April 1999 lebte Marek bei ihnen als Pflegekind, da die Adoptionspapiere von seiner leiblichen Mutter bis dahin noch nicht unterschrieben wurden. So wurde seine Geburtsurkunde erst nach diesem Zeitpunkt mit dem neuen Nachnamen der Adoptivfamilie ausgestellt. Die Adoption wurde damals von der Diakonie organisiert. Da es sich, auf Wunsch der Mutter, um eine geschlossene Adoption handelte, wurde Marek und seinen Adoptiveltern der direkte Kontakt zu seiner leiblichen Familie verwehrt. Den genauen Grund, warum er von seinen leiblichen Eltern zur Adoption freigegeben wurde, weiß er bis heute nicht. Sie sollen jedoch bereits bei seiner Geburt getrennt gewesen sein.

Info: Was ist eine Adoption?

Von Adoption wird im Allgemeinen gesprochen, wenn ein Kind von (nicht-verwandten) Einzelpersonen oder Verheirateten als gesetzlich vollwertiges Kind angenommen wird. Folglich entfällt das rechtliche Verwandtschaftsverhältnis zu seinen leiblichen Eltern. Daher unterscheiden sich Adoptivkinder von Pflegekindern in dem Punkt, dass letztere rechtlich an ihre leiblichen Eltern gebunden bleiben.

Adoptionen werden in verschiedene Formen unterschieden. Neben der geschlossenen Adoption, bei der kein Kontakt zwischen leiblichen und Adoptiveltern ermöglicht wird, gibt es beispielsweise die halboffene und die offene Adoption. Ersteres erlaubt die Kontaktaufnahme anhand eines Kennenlerntermins oder dem Austausch von Briefen und Fotos. Letzteres ermöglicht uneingeschränkten Kontakt, weshalb es sich meist um die Adoption von verwandten oder bekannten Pflegekindern handelt. Über die Art der Adoption entscheiden die leiblichen Eltern des Kindes. (Quelle: anwalt.de)

„Marek, du bist adoptiert.“

Ausgesprochene Worte, geschockte Reaktionen, Enttäuschung und Trauer – So lief das Geständnis, dass Marek adoptiert wurde, nicht ab. Ganz im Gegenteil: Als er im Alter von ungefähr acht Jahren von seiner Adoptivmutter über seine Adoption aufgeklärt wurde, war er glücklich – aber nicht, weil er adoptiert war: „Ich fand es total cool, dass ich einen großen Bruder hatte“, erzählte Marek. Da er in seiner Adoptivfamilie als Einzelkind aufgewachsen war, hatte er sich lange Zeit einen großen Bruder gewünscht. Als er diesen Wunsch bei seiner Mutter äußerte, entschied sie sich, ihn über seine Herkunft und seine leibliche Familienkonstellation aufzuklären. Insgesamt hat Marek drei Halbgeschwister, jeweils von verschiedenen Vätern. Den erstgeborenen Sohn zog seine leibliche Mutter bei sich auf. Der zweite Sohn, Arne, wurde wie Marek zur Adoption freigegeben. Nach Marek bekam sie eine weitere Tochter, die – wie der erste Sohn – bei ihr und dem Vater des jüngsten Kindes lebt. Seinen ältesten Halbbruder und seine kleine Halbschwester hat Marek aufgrund des von der Mutter ausgehenden Kontaktverbots nie kennengelernt. Zu seinem Halbbruder Arne hat Marek jedoch bis heute noch Kontakt. „Ich habe mich riesig gefreut, dass ich Arne als großen Bruder habe.“, verriet Marek. „Obwohl wir uns nie intensiv von klein auf gekannt haben, ist es eine ziemlich enge Bindung“. Arne wurde wie Marek von der leiblichen Mutter zur Adoption freigegeben und auch ihm wurde die Kontaktaufnahme verboten. Ihre gemeinsame Geschichte verbindet die beiden Halbgeschwister jedoch. „Wir sind sehr eng zusammengewachsen“.

Aufgewachsen in einer liebevollen Familie

Nachdem Mareks Adoptiveltern zwei Geburtsverluste erlitten hatten, entschied sich das Paar ein Kind zu adoptieren. Nach ihrem ersten Bewerbungsverfahren wurden sie abgelehnt. Die zweite Bewerbung war jedoch erfolgreich, sodass Marek ihnen kurz nach seiner Geburt vermittelt wurde. In seiner Adoptivfamilie ist er bis heute ein Einzelkind geblieben. Bei der ersten Begegnung mit Marek haben ihn seine Adoptiv-Verwandten sofort ins Herz geschlossen. „Meine Großeltern, Tanten, Onkel haben nie einen Unterschied gemacht zwischen adoptiert und nicht-adoptiert“. Bis auf einige Auseinandersetzungen, die in „gewöhnlichen“ Haushalten jedoch üblich sind, hat Marek ein sehr enges Verhältnis zu seinen Adoptiveltern. Aus diesem Grund hatte er in seiner Jugend kaum Probleme mit der Tatsache, dass er adoptiert ist. „Adoptiert zu sein, war für mich immer eher ein ‚Status‘“, erklärt Marek, „es stellt aber in keiner Form eine Belastung für mich dar“. Auch äußerlich ist ihm (zum Beispiel im Gegensatz zu vielen ausländischen Adoptionen) seine Vergangenheit nicht anzusehen. „Würde ich es verheimlichen wollen, würde niemand danach fragen“, gab er zu. Daher wird Marek selten auf seine Adoption angesprochen. Dennoch erwähnt er es gelegentlich im Gespräch, wenn er beispielsweise gefragt wird, ob er Geschwister hat. So kommt er auf seine ungewöhnliche Familienkonstellation zu sprechen, über die er offen reden kann.

Info:

Für eine Adoption müssen die BewerberInnen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Zu den Anforderungen zählen unter anderem das wirtschaftliche Verhältnis der AntragstellerInnen, die Wohnsituation, das Mindestalter von 25 Jahren (bei Einzelpersonen) sowie die partnerschaftliche Stabilität bei Eheleuten. (Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)

„Meine leibliche Mutter wollte ich eigentlich nie treffen“

Erst ein paar Jahre später, mit etwa 13 Jahren, hat Marek verstanden, was es bedeutet adoptiert zu sein. Trotz dieser Erkenntnis kam er zu dem Entschluss, seine Mutter nicht kennenlernen zu wollen. Grund dafür war, dass Marek sich in seiner Adoptivfamilie wohlfühlte und glücklich war. Daher sah er keine Notwendigkeit, den Kontakt zu seiner leiblichen Mutter zu suchen. Seine Adoptiveltern haben ihn jedoch gezwungen, sich mit ihr in Verbindung zu setzen. Trotz Verbot zur Rückverfolgung der Adoption haben Mareks Adoptiveltern alles dafür getan, seine leibliche Mutter ausfindig zu machen. Auf diese Weise sind sie über soziale Medien auf sie gestoßen. Durch Bilder und ihre Profile, konnte er sich einen Eindruck von seiner leiblichen Familie machen. „Es war irgendwie ein komisches Gefühl“, erklärte Marek. „Das war also die Frau, in deren Bauch ich herangewachsen bin und die mich zur Welt gebracht hat“. Als Marek versuchte, sich mithilfe einer Nachricht mit seiner leiblichen Mutter in Verbindung zu setzen, bekam er jedoch eine erschütternde Antwort. „Ich habe eine böse und zerschmetternde Nachricht zurückbekommen, die wirklich nicht so schön war. (…) Es war ein unbehagliches Gefühl“, erinnert Marek sich zurück. Sie möchte keinen Kontakt zu ihm haben. Den Grund dafür kennt er nicht. Seinen Vater konnte er nicht finden, da ihm jegliche Informationen über ihn fehlten. Außerdem besaß sein leiblicher Vater keine Bezugsrechte zu Marek, da seine Eltern bei der Geburt unverheiratet waren. Nach dem Versuch der Annäherung hat Marek die Thematik, woher er kommt und wer seine leibliche Mutter ist, beiseitegelegt und verdrängt. „Dadurch, dass der Kontakt auf deren Seite nicht erwünscht war, hat es sich auch schnell erledigt“, erklärt er. Auch nach zehn Jahren gesteht Marek, diesen Kontakt nicht zu brauchen, um ein glückliches Leben zu führen. „Ich habe eigentlich keinen großartigen Drang dazu, meine leibliche Familie wiederzufinden“.

„Ich habe einen guten Weg für mich gefunden, damit klarzukommen, es zu akzeptieren und glücklich damit zu sein.“

Marek macht zurzeit eine Ausbildung zum anästhesietechnischen Assistenten und ist daher des Öfteren bei der Betreuung von Kaiserschnitten dabei. „Bin ich per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen? Bin ich natürlich entbunden worden? Wie war das?“ – Diese Fragen kommen ihm in solchen Momenten in den Sinn. Es sind Fragen, die er gerne von seiner leiblichen Mutter beantwortet bekommen hätte. Fragen, die ihn gelegentlich in kurze nachdenkliche Phasen zurückwerfen. In der Psychotherapie, die er vor etwa einem halben Jahr begonnen hat, hat er das Gefühl, bei der Geburt verlassen zu werden, oft behandelt. Mithilfe der emotionalen Aufarbeitung hat er gelernt, seine Situation zu akzeptieren und glücklich damit zu sein.  Denn solche Momente erinnern ihn auch an sein Glück, dass er Adoptiveltern bei ihm hat, die ihm seit seiner Geburt ein schönes Leben ermöglicht haben. Von Anfang bis Ende haben sie ihn begleitet und unterstützt, wofür er sehr dankbar ist. „Ich habe eigentlich alles, was ich im Leben brauche, um glücklich zu sein“, erzählt Marek abschließend im Interview. „Mir fehlt es an nichts.“

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