Nico Knacker überlegt lange und schnauft einige Male durch. Die Suche nach den drei treffenden Worten, die seiner Meinung nach den Rallyesport am besten beschreiben, fällt ihm schwer. Nico Knacker überlegt lange und schnauft einige Male durch. Nach einigen Minuten scheint er seine Überlegungen abgeschlossen zu haben und einigt sich auf die Worte: „Anspruchsvoll, anstrengend, Adrenalin.“ Er lebe den Sport und stecke sehr viel Kraft und Leidenschaft in ihn hinein, sagt Knacker und fügt hinzu: „Die Anspannung am Start, das Gefühl während der Fahrt, das kann man nicht beschreiben, Adrenalin pur“. Das Anspruchsvolle ist es, was ihn reizt. „Das Besondere am Rallyesport ist die sich ständig ändernde Strecke mit ihren unterschiedlichen Bedingungen, wie Schotter, Schnee oder tiefe Cuts in der Fahrbahn.“ Diese außergewöhnlichen Bedingungen machen ihm noch zu schaffen, dort sieht er für sich noch Luft nach oben, „aber das ist sicher auch eine Frage der Erfahrung“, sagt er.
Die Saison im ADAC Opel Rallye Cup 2017 ist bereits Geschichte. Als Saisonziel im Debütjahr hat sich der gelernte Industriemechaniker einen Platz unter den ersten fünf im Gesamtklassement vorgenommen. Am Ende wird er Fünfter, trotz geringer Erfahrung, als bester deutscher Fahrer in Europas stärkstem Rallye-Markenpokal. Die Erfolge im Motorsport ziehen sich wie ein roter Faden durch seinen bisherigen Lebensweg. Vom Kartfahren, angefangen im Alter von acht Jahren, über Auto-Slalom bis schlussendlich ins Rallyeauto. „Die Jahre lassen dich reifen. Schon im Kartsport lernt man mit Erfolgen und Niederlagen sowie dem Druck umzugehen“, meint der 21-Jährige. „Die bisherigen Erfolge sind zwar schön, doch mein Blick geht nach vorne. Ich möchte vor allem im Rallyewagen erfolgreich sein.“
Für den ADAC Rookie of the Year aus dem Jahr 2013 ist es wichtig, sich ehrgeizige, aber nicht unmögliche Ziele zu setzen, denn „man muss sie schließlich auch erreichen können“. Es ärgere ihn schon, wenn ein Konkurrent drei Sekunden schneller im Ziel ist, obwohl man selbst einen perfekten Lauf hingelegt hat. „Ich bin jemand, der sich dann schon seine Gedanken macht und nach der Rallye mittels Zeiten- und Onboard-Studium herauszufinden versucht, wo die Zeit liegen geblieben ist. Und meist finde ich die kleinen Fehler dann auch.“
Vom großen Held zum Loser
Für die Zukunft wünscht sich Knacker noch häufiger im Rallyeauto zu sitzen, denn durch vieles Fahren lernt man eben auch Fehler zu vermeiden. Zwar waren es in der abgelaufenen Saison gar nicht viele, „aber wenn mir ein Patzer unterlaufen ist, war es meist ein folgenreicher.“ So etwa beim letzten Saisonlauf, der 3-Städte- Rallye, als Knacker sich mit seinem Fahrzeug vierfach überschlägt, glücklicherweise aber unverletzt bleibt. „Da werden Erinnerungen wach“, so Knacker, denn sein Mentor Christian Riedemann, selbst international erfolgreicher Rallyepilot, hat Anfang 2017 einen schweren Rallyeunfall und muss mit Lähmungserscheinungen in ein Krankenhaus eingeliefert werden. „Das war krass. Da wird einem bewusst, wie schnell es gehen kann. In einem Moment der große Held und im nächsten der große Loser. Zumal Christian jemand ist, der mir stets mit Rat und Tat zur Seite steht und mich immer unterstützt.“ Mit fester Stimme fügt er jedoch hinzu: „Bewusst sind mir die Gefahren schon. Doch wenn man jeden Tag darüber nachdenken würde, wäre der Sport nicht das Richtige.“
Unterstützung bekommt der Nachwuchsfahrer auch aus der Familie. Sein Vater Ralf nahm früher selbst an Rallyes teil und arbeitet heute als Nicos Mechaniker. Neben Nico fährt auch seine ältere Schwester Larissa Rallyes, aber lediglich als Beifahrerin. Die Unterstützung seiner Familie ist dem jungen Fahrer wichtig, denn „ohne Familie funktioniert es nicht, sie stehen bei jeder Veranstaltung hinter mir und unterstützen mich. Ohne die Unterstützung wäre ich nicht so weit gekommen.“
Doch familiäre Unterstützung alleine reicht in diesem Sport nicht aus. Da bei jedem Rennen Reparaturen anfallen, ist der Sport sehr kostspielig. „Wenn man vorne mitfahren möchte, ist es besonders wichtig bei jedem Start immer neue Reifen und Top-Material parat zu haben“, sagt Knacker. Das kann die Familie nicht alleine finanzieren. Somit ist sie auf Sponsoren angewiesen. Besonders wichtig ist die ADAC Nachwuchsförderung, die Nico Knacker 2015 gewinnt und ihm seitdem das Fahrzeug zur Verfügung stellt.
Kostspieliger Weg zum Profi-Rennfahrer
Oliver Runge kennt Nico seit Kindheitstagen, ist mit Knacker gemeinsam Kart gefahren. Noch immer sind sie befreundet. Runge beschreibt ihn als „ehrgeizigen, akribisch arbeitenden und fleißigen“ jungen Mann, der sich nicht zu schade sei auch „nach einem körperlich anstrengenden und langen Arbeitstag noch im Fitnessstudio zu trainieren“. Laufband oder Maschinentraining: „Um der hohen Belastung, während des Rennens physisch gewachsen zu sein, ist regelmäßiges Training sehr wichtig“, unterstreicht Knacker. Sein Geld verdient Knacker als Industriemechaniker bei einem großen Energiekonzern, bei dem er nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung absolviert. Zwar bringe ihm dieser Beruf nichts für seine große Leidenschaft, dem Rallyesport, allerdings würde ihm die Firma viele Zugeständnisse machen, sagt Knacker sichtlich dankbar. So wird es ihm ermöglicht, flexibler Urlaub zu nehmen, um die pünktliche Anreise zu den Rallye-Veranstaltungen im In- und Ausland zu gewährleisten.
Nico Knacker ist ein junger Fahrer, der seine Möglichkeiten realistisch einschätzt. Sicherlich wäre er nicht abgeneigt, seinen Sport auch zum Beruf zu machen. Allerdings sei der Weg dorthin sehr schwer, gerade in finanzieller Sicht. „Jeder Fahrer möchte daran teilnehmen, aber unser nächster Schritt ist erst einmal die Europameisterschaft“, meint Nico Knacker im Hinblick auf die Rallye-Weltmeisterschaft. Erste Erfahrungen im Ausland kann Knacker bereits in Frankreich, Österreich und Luxemburg sammeln. Aus Frankreich kommt auch Knackers großes Vorbild, der erfolgreichste Rallyefahrer und Motorsportler aller Zeiten, Sébastien Loeb. Laut Knacker besticht Loeb vor allem durch seine Konstanz und seine zahlreichen Erfolge.
Ob Nico Knacker seinem Vorbild in die höchste Klasse des Rallyesports folgen kann, lässt sich (noch) nicht beurteilen. Allerdings ist Knacker gewillt, seine Chancen zu nutzen. Bisher kann er als jüngster Fahrer seiner Klasse sein Talent aufblitzen lassen. Der Erfolg hängt von vielen Faktoren ab, das weiß auch Knacker, der durch den Unfall von Riedemann daran erinnert wird, wie schnell eine Karriere auch vorbei sein kann. Dann zeigt er lächelnd auf seine Ansammlung von Pokalen und Auszeichnungen und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Hier ist noch Platz für ein paar mehr“, und deutet auf eine frei Fläche, „aber man weiß nie was passiert.“