Campus 38: Herr Littbarski, stimmt es, dass Fußballprofis nur noch langweilige Interviews geben?
Littbarski: Da ist auf alle Fälle was dran. Die sind gemainstreamt, das heißt, die sagen viel, reden viel, aber da kommt eigentlich nichts raus. Die Manager schulen sie darauf.
Campus 38: Aber wie kommt das? Fürchten Fußballer die Konsequenzen ihrer Aussagen?
Littbarski: Ich würde es anders formulieren. Wenn man heute etwas sagt, muss man wissen, was das nach sich zieht. Es gibt Spieler die was zu sagen haben, die auch was sagen möchten. Es ist aber einfach nervend, auch noch nach sechs, acht oder zehn Wochen damit konfrontiert zu werden. Fußball ist ein Momentsport, das heißt, er lebt von Emotionen.
Campus 38: Hat man denn früher lebhaftere Interviews gegeben?
Littbarski: Also früher gab es auch schon nichtssagende Interviews. Heute ist man natürlich unterm Mikroskop. Wir haben jetzt neben den klassischen Medien zum Beispiel noch Blogs und Fußballfans, die selber auch Plattformen haben. Das ist natürlich eine richtig breite Masse, die so eine Aussage bewertet. Das war früher zu unserer Zeit noch nicht so. Da gabs dann auch mal einen Ausraster nach dem Spiel, das war richtig schön. Das war aber dann nach einer Woche auch vergessen. Heutzutage werden daraus ja ganze Geschichten.
Campus 38: Haben Sie selber schonmal schlechte Erfahrungen mit den Medien gemacht?
Littbarski: Also ich habe das nie als schlechte Erfahrung gesehen, weil ich einfach die Notwendigkeit der Medien erkannt habe. Und ich wusste auch, dass man mal ungerecht behandelt wird. Aber ich glaube einfach, wer sich den Beruf aussucht, viel Geld damit verdient, der muss sowas auch ertragen können. Ich persönlich habe das auch nie so ernst genommen. Das Leben geht weiter. Dann muss man Montag und Dienstag mal die Ohren zuhalten und keine Zeitung lesen.
Campus 38: Warum wollen Menschen denn immer nur den Skandal?
Littbarski: Also ich hatte das Glück, zehn Jahre in Japan zu leben, wo die Respektlatte viel höher liegt als bei uns. Die Leute hören zu, sagen generell nichts um den Gegenüber zu verletzen oder zu attackieren. In Japan denkt man, dass wenn ein Mensch sich wohlfühlt, er viel eher bereit ist, auch seinen Schutzwall fallenzulassen und dann auch mal Dinge angesprochen werden, wo man sonst nur einen Standardsatz bekommt. Wir haben in Deutschland heute weniger Respekt gegenüber anderen, sind auch gewalttätiger und aggressiver in unserer ganzen Betrachtungsweise. Wir wollen halt viele Skandale, auf Shitstorm stehen die Leute. Das ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, in der wir sehr schnell sehr viel konsumieren. Da werden sich dann die kleinen Rosinen rausgepickt, die natürlich interessant sein müssen.
Campus 38: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Littbarski: Dass man eine Nische finden kann, wo man vielleicht auch ein bisschen mehr aus dem Spieler rausholt, aber das hängt dann auch immer mit diesem Vertrauensverhältnis zwischen dem Spieler und dem Journalisten zusammen. Wir müssen ein Feld schaffen, wo die Spieler sich trauen, ein bisschen mehr zu sagen. Wenn ein Spieler sagt, dass Fußball Stress ist, dann sollte er nicht gleich zerrissen werden, sondern man sollte das in Ruhe auf eine respektvolle Art und Weise diskutieren. Erst wenn solch eine Plattform wieder gegeben ist, werden wir auch wieder Charaktere sehen und Aussagen, mit denen man was anfangen kann. Das ist eine Challenge für Leute, die jetzt nach uns kommen, da kann man natürlich nach Wegen suchen, wie man da wieder Qualität reinbringt.
Campus 38: Herr Littbarski, vielen Dank für das Gespräch.