Der Tag neigt sich dem Ende zu. Das Licht im Rathaus Altwarmbüchen, einem Ortsteil von Isernhagen am nördlichen Rande von Hannover erlischt nach und nach. Alle gehen in den wohlverdienten Feierabend. Philipp Neessen jedoch läuft zielstrebig in das Gebäude. Er geht die Treppe mit schnellen Schritten hinauf und weist auf einen Besprechungsraum, unweit des Ratssaales. Dort lehnt sich der Ortsbürgermeister entspannt auf einem Stuhl zurück.
Als bekannt wurde, dass „Frau Helfers nicht wieder als Ortsbürgermeisterin antritt, hat man so rumgesponnen“, erinnert sich Neessen und blickt zurück. Lachend erzählt er weiter, dass ihm dann die Idee gekommen sei: „Naja, man kann ja mal kandidieren.“ Durch die Unterstützung der anderen Parteien setzt er sich dann bei der Wahl gegen die CDU durch. Sein Amt hat er mit dem Ziel aufgenommen, diesen Ort zu beleben. „Und das ist bisher schon ganz gut geglückt“, bemerkt der 22-Jährige, der nun seit einem Jahr im Amt ist. Als Ortsbürgermeister muss er den Ort repräsentieren und zusammenzuhalten. Hinzu kommt klassische Kommunalpolitik.
SPD-Parteibuch seit 2011
Als normales Mitglied der SPD beginnt er 2011 seine politische Karriere. Doch schon bald zeichnet sich ab: er möchte mehr. Zu Beginn habe er die SPD nur unterstützen wollen, aber mit der Zeit ist er politisch verwachsen, ebenso wie mit dem Ort. So wird er Beisitzer der SPD Isernhagen, stellvertretender Vorsitzender der JuSos in der Region Hannover, gründete die JuSo-AG Burgwedel/Isernhagen, war stellvertretender Vorsitzender der SPD Isernhagen und Vorsitzender der SPD Altwarmbüchen.
Die Familie des Groß- und Außenhandelskaufmannes hätte sein Ehrenamt mit Spaß und Humor aufgenommen. Unterstützung und Interesse erfuhr der 22-Jährige ebenfalls von seinen Kollegen beim Zentriertechnikunternehmen Haweka in Burgwedel. Ein Freund berichtet, dass er sich natürlich für Neessen gefreut hat, dem Ganzen aber auch skeptisch gegenüberstand: „Skepsis, ob er den Aufgaben, den Verpflichtungen und dem Stress und den damit verbundenen zeitlichen Einschränkungen gewachsen ist.“ Neesen habe sich nach der Wahl verändert. „Es ist das eigentreten, was zu befürchten war: Freundschaften wurden aufgrund von Zeitdruck geopfert.“
Bürgermeister mit Wohnsitz im Elternhaus
Neessen betont im Rückblick auf das vergangene Jahr auch die Veränderungen: „Man hat vieles dazugelernt, viele neue Eindrücke gesammelt, viele Menschen kennengelernt – über die einen freut man sich, über die anderen weniger“, erzählt er lachend, „aber größtenteils sind es eigentlich immer tolle Erlebnisse.“ Jede Medaille hat jedoch zwei Seiten: „Man hat weniger Zeit für alles. Familie sieht man weniger, Freunde auch.“ Doch auf sein Elternhaus kann er sich verlassen. „Ich wohne noch zu Hause“, sagt Neessen. Wenn man den ganzen Tag unterwegs ist und gegen halb 12 Uhr nachts erst heimkomme, dann macht man keine Wäsche mehr, sagt er achselzuckend und schüttelt dabei den Kopf
Auch an diesem Abend sitzt er wieder hochkonzentriert im Ratssaal, nachdem sich die Mitglieder des Ausschusses Soziales, Familie, Jugend und Senioren per Handschlag begrüßen. Die Emotionen kochen bei den anwesenden Bürgern hoch, als es um die Probleme des Kinderhorts geht, doch er bleibt ruhig. Zwischen den anderen Ausschussmitgliedern fällt er nicht auf. Niemand behandelt ihn aufgrund seines Amtes oder Alters anders. Es wird diskutiert und abgestimmt, wie in jeder anderen Sitzung auch.
In seiner Freizeitbeschäftigung unterscheidet sich der 22-Jährige kaum von Gleichaltrigen. Er geht gerne mit seinen zwei Labradoren spazieren, trifft Freunde, geht ins Kino und auch mal feiern. In näherer Zukunft möchte er sich in Altwarmbüchen oder Isernhagen „weiter festsetzen und schauen, was sich ergibt oder entwickelt.“ Bisher hat er vieles erfolgreich dem Zufall überlassen. „Ich kann mir auch vorstellen, für immer Kommunalpolitik zu machen. Vielleicht nicht als Ortsbürgermeister, aber im Gemeinderat“, sagt Neessen. „Aber ich bin ja noch jung und habe noch viel Zeit.“