Die Abendsonne spiegelt sich auf der Wasseroberfläche wider und durch das Schilfrohr am Ufer fährt eine leichte Brise. Bei genauerem Hinsehen kann man in der Strömung des kleinen Baches sogar ein paar Bachforellen stehen sehen, die nichts ahnend das kühle Wasser durch ihre Kiemen filtern und auf Nahrung warten. In diesem Moment hört man das leise Sirren einer Fliegenschnur, die sich anschließend lautlos auf dem Wasser ablegt. Am Ende der Schnur befindet sich ein kleines Fliegenimitat, das nun geradewegs an der Oberfläche auf die Fische zutreibt. Und noch ehe man sich versieht, verwandelt sich die ruhige Naturidylle in den Schauplatz eines Kampfes um Leben und Tod. Denn eine der Forellen hat angebissen. Die Rute ist nun bis zum Anschlag gekrümmt und fängt die kraftvollen Kopfschläge des sich windenden Fisches ab. Doch langsam schwinden ihm die Kräfte und nach einiger Zeit liegt die Forelle sicher im Netz. Ein wunderschön gezeichnetes Tier, der Haken sitzt perfekt in der Unterlippe.
Dann noch ein kerniges Foto und die Forelle ist entlassen: zurück ins Wasser und weiter geht es. So etwas bezeichnet man heutzutage als Catch and Release. Wortwörtlich übersetzt heißt das: Fangen und zurücksetzen. Dabei geht es den Verfechtern des Catch and Release nicht darum, den gefangenen Fisch für ein schmackhaftes Abendessen zu verwerten, sondern viel mehr um den Blick auf den Angler und seine Trophäe. Die damit verbundene Fotodokumentation zur Erinnerung des triumphalen Fangs stehen also im Fokus.
„Was das Thema Fotos von gefangenen Fischen betrifft, ist es immer wieder schlimm zu sehen, wie weit die Angler gehen“, sagt Achim Stahl, Fliegenfischexperte und Fishing Guide aus Kiel in Schleswig-Holstein.
„Wenn man sich Fotos anguckt, auf denen vier gefangene Welse präsentiert werden, kann man fast sicher davon ausgehen, dass drei von diesen Tieren in der Nacht gefangen gehalten wurden und die übrigen Stunden bis zum Morgengrauen, bis das Licht für das Fotoshooting stimmt, mit einem Seil durch die Kiemen an einem Baumstamm festgebunden im Wasser lagen!“, erklärt Stahl.
Warum quält man vorsätzlich ein Tier lediglich für ein Foto und lässt es einen solchen Todeskampf erleiden? Es klingt schon sehr makaber, wenn einem das Foto bei Instagram am Ende mehr Wert ist als die ruhige Entwicklung und das Wohlergehen des Fisches und seiner Art.
Achim Stahl erklärt dazu, dass es beim Fischen mit der Angelrute einzig und allein um zwei elementare Faktoren gehen sollte: Jeder Fischer sollte sich individuell bei jedem gefangenen Fisch die Frage stellen, ob der gefangene Fisch in dem zugehörigen Gewässer eine wichtige Rolle für den Fortbestand seiner Art darstellt. Auf der anderen Seite stehe die persönliche Entscheidung des einzelnen Anglers, ob er den Fisch wirklich selber essen möchte. Daher hält der Experte den moralischen Grundsatz „Catch and Decide“ für vernünftig. Übersetzt bedeutet das fangen und mit gesundem Menschenverstand individuell entscheiden.
Die Intention bestimmt das Handeln
Die Sportfischerei gewinnt in den letzten Jahren ohne Zweifel immer mehr an Bedeutung und Aufmerksamkeit. Viele Menschen benutzen die Freizeitangelei, um sich aus ihrem alltäglichen Leben zu lösen und in der Natur ein Erlebnis wahrzunehmen, das im Alltag eben nicht selbstverständlich ist. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, seine Angelei auszurichten. Die Meinungen zum Thema Catch and Release gehen weit auseinander und jede Partei ist davon überzeugt, dass ihre die richtige ist.
Doch was ist wirklich im Sinne der Natur ‘richtig’? Wie sollte sich also ein Sportfischer verhalten, um nachhaltig und moralisch korrekt seinem Hobby nachgehen zu können?
Die vermutlich klügste Lösung ist das Kombinieren beider Praktiken. In den Niederlanden haben sich die Fischer hierfür ein Konzept überlegt, mit dem auch ich mich am ehesten identifizieren kann.
Neben den Schonzeiten und Mindestmaßen ist dort auch noch ein Maximalmaß für die Fischarten gesetzlich vorgeschrieben, sodass große Fische ab einer bestimmten Länge, die für die Verwertung von der Größe her geeignet wären, wieder in ihr Habitat zurückgesetzt werden müssen. Grund dafür ist, dass Fische ihr gesamtes Leben lang wachsen und sich dadurch auch immer weiter fortpflanzen. So ist es wissenschaftlich erwiesen, dass große und starke Fische meist eine sehr gute Genetik haben, weshalb sie überhaupt erst so groß werden konnten. Dazu kommt, dass diese Fische auch mehr Laich, also Fischeier produzieren, die dieselbe herausragende DNA der Eltern besitzen. Solche Fische zu schonen und zu respektieren ist den Niederländern wichtig, um deren Fischpopulationen im Gleichgewicht zu halten. Es tut sich in diesem Falle also ein Entnahmefenster auf, in dem für alle klar geregelt ist, ab welcher Größe es für die Natur und die Artenpopulationen am nachhaltigsten ist einen Fisch gegebenenfalls schonend zu behandeln und wieder schwimmen zu lassen.
So sollte sich jeder Angler immer wieder die moralischen Frage stellen, wie er am besten für und im Sinne der Natur handelt. Denn wir alle arbeiten auf das gemeinsame Ziel hin: Auf den Fang des Lebens.