Der Weg in die Selbstständigkeit

Arbeitszeiten selbst einteilen, arbeiten wo man möchte, eigene Ideen verwirklichen – die Traumvorstellung der Selbstständigkeit. Die Start-up-GründerInnen Maren und Malte berichten von ihrem Weg in die Selbstständigkeit und über häufig vernachlässigte Schattenseiten.

Max Mustermann, 36 Jahre, Gründer

Der durchschnittliche Gründer in Deutschland ist 36 Jahre alt, besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft und ist männlich. Nicht einmal 20 Prozent der Gründenden sind weiblich. Der Großteil hat ein abgeschlossenes Masterstudium im Bereich der Wirtschaftswissenschaften und gründet in der Branche der Informations- und Kommunikationstechnologie, so der Start-up Monitor 2021.

Maren Woltmann, 25 Jahre, Gründerin

Foto: Maren Woltmann

Die junge Gründerin ist eine, von jährlich circa 350 Frauen, die sich selbstständig machen. Mit 24 Jahren liegt sie allerdings weit unter dem Durchschnittsalter. Gemeinsam mit ihrem Partner hat sie sich ihren Traum im Februar dieses Jahres in der Medienbranche verwirklicht. Aktuell befindet sie sich im Bachelorstudium der Medienkommunikation. Einen Masterabschluss, wie üblich, strebt sie nicht an.
Maren hat schon seit ihrer Jugend von der Selbstständigkeit geträumt. Während ihrer bereits abgeschlossenen Ausbildung zur Mediengestalterin wurde ihr oft gesagt, ihre Designs würden niemals Anklang finden. Besonders ein Lehrer habe ihr oft eingeredet, dass sie sich in der falschen Branche befinde. Davon habe sie sich aber nicht entmutigen lassen, denn sie war überzeugt, dass man, gerade im Bereich der Medien, mit seinem eigenen Stil herausstechen müsse. Dass ihre Gründung am Ende doch so spontan ist, hätte sie damals nicht gedacht. Das Fotografieren ist schon länger ihr Hobby. Aus diesem Grund wollte sie sich gemeinsam mit ihrem Partner im Dezember letzten Jahres eine neue Kamera kaufen. Denn auch ihr Freund ist in der Branche schon aktiv. Da aber eine neue Kamera eher hochpreisig ist, dachte sich Maren: „Wenn wir jetzt schon so viel Geld in die Hand nehmen, dann muss sich das auch irgendwie rentieren und lohnen.“  Damit war die Entscheidung, eine Medienagentur zu gründen, gefallen. Ihr Angebot erstreckt sich heute über den digitalen, aber auch den Printbereich.

Anträge über Anträge

Der Gründungsprozess als solcher stellte sich für Maren als die erste Herausforderung heraus. Ihre Vorstellung, einfach einen Antrag zu stellen, hat sich nicht bewahrheitet. Ohne vorbereitendes Studium wie BWL oder Wirtschaftswissenschaften oder ein entsprechendes Seminar, musste sie sich alles von Grund auf selbst aneignen. Viele Anträge und Auskünfte mussten abgearbeitet werden. Weil sie keinen genauen Businessplan erarbeitet hat, stellten sich vor allem die Banken quer. Allein herauszufinden, welche Unterlagen sie genau benötigt, stellte sich als eine Schwierigkeit heraus. Auch im Internet habe sie keine Antworten auf die vielen Fragen gefunden. Somit musste sie von Antragsstelle zu Antragsstelle „stolpern“, bis sie endlich alles beisammenhatte und dann auch letztlich gründen konnte. Ihre anfängliche Grundhaltung „ich mache ja jetzt nur noch das, was mir Spaß macht“, hat sich nach den ersten Wochen gemildert. Der Teil, der ihr am wenigsten Spaß macht, die Buchhaltung, muss ebenfalls erledigt werden. Auch das musste Maren sich selbst aneignen.

Im Berufsalltag angekommen

Nach anfänglichen Zweifeln ist Maren nun mehr als zufrieden. Die ersten Aufträge wurden erfolgreich absolviert. Hinter dem Erfolg steckt allerdings auch viel Arbeit. Studium, Start-up, Freunde und Familie – ein Balanceakt für die 25Jährige. Sie sei zwar dankbar für die vielen Aufträge, müsse dafür aber regelmäßig Nachtschichten einlegen. „Manchmal wünschte ich, der Tag hätte mehr als 24 Stunden“, merkt sie an, damit sie ihren Freunden gerecht werden könne. Maren berichtet, dass ihre Freunde und Familie besonders viel Verständnis aufbringen, wenn sie mal eine Woche lang nicht auf Nachrichten antwortet oder keine Zeit für Verabredungen finde. Damit habe sie überhaupt nicht gerechnet. „Man weiß ja auch, wofür man das macht, ich weiß, dass es nicht ewig so sein wird.“, stellt sie fest. Denn nach ihrem Bachelorabschluss im nächsten Jahr, möchte sie in Vollzeit in ihrem eigenen Start-up arbeiten.

Start-up-Kultur in Deutschland

In Deutschland wurden im vergangenen Jahr rund 3300 Start-ups gegründet. Die Motivation zu gründen, steckt nach Angaben des Gründungsmonitors größtenteils in der gegebenen Unabhängigkeit. Aber auch das höhere Einkommen trage zu der Entscheidung bei. Letztlich könne aber auch die reine Geschäftsidee Auslöser für eine Gründung sein. Die Gründenden stehen unter großem Druck, sich im Markt zu etablieren. Das schafft ein Großteil der Start-ups nicht, nur die Hälfte wird älter als zwei Jahre. Die Gründe dafür sind verschieden.

Malte Wandmacher, 22 Jahre, Gründer

Foto: Malte Wandmacher

Nach zwei gescheiterten Projekten im Alter von 16 und 18 hat Malte im vergangenen Jahr in der Dentalbranche gegründet. Der 22-Jährige liegt ebenfalls weit unter dem Durchschnittsalter. Gemeinsam mit zwei Freunden bietet er nachhaltige Konzepte für Dentalpraxen an. Sein Bachelorstudium „General Management“ hat er vor einem Jahr abgeschlossen. Auch er strebt aktuell kein Masterstudium an.
Schon seit Maltes Jugend stand fest: Er möchte später einmal sein eigener Chef sein. Aus diesem Grund begann seine Reise schon im Alter von 14 Jahren. Er überlegte sich gemeinsam mit einem Freund, Ideen für ein mögliches Start-up. Es ging um Waschanlagen. Zwei Jahre später stieß eine der Ideen sogar auf großes Interesse in der Branche, allerdings waren sie zu jung. „Wir wurden halt einfach nicht ernst genommen“, berichtet er. Der Wunsch nach der Selbständigkeit ist aber trotz der Niederlage geblieben. Sie suchten weiter nach geeigneten Ideen. Immer mit der Frage: „Was gibt es für Probleme und was ist eine mögliche Lösung dafür?“ im Hinterkopf. Im Alter von 18 Jahren, nach seinem Abitur, versuchte er es auf ein Neues. Dieses Mal sollte es um eine App gehen. Ein Thema, welches schwer umzusetzen war, da die Realisation in der Tech-Branche sehr kostspielig ist. Trotzdem hielten sie an ihrer Idee fest. Es sollte unbedingt funktionieren. Doch die Investitionsanfragen wurden der Reihe nach abgelehnt. Ohne finanzielle Unterstützung konnten die beiden Jugendlichen ihren Plan nicht umsetzen. Somit war eine weitere Idee, inklusive ausgearbeitetem Businessplan, zerplatzt. Aufgeben war für ihn aber keine Option.

Der Stein kommt ins Rollen

Mit 21 Jahren war es dann so weit. Malte hat sich gemeinsam mit zwei Freunden in der Dentalbranche selbstständig gemacht. Das Start-up ist mittlerweile ein Jahr alt. Nach einer langen Planungsphase und viel Recherche ist es zur Gründung gekommen. „Man darf nicht unterschätzen an was alles gedacht werden muss“, merkt er an. Vor allem in der Medizinbranche müsse vieles beachtet werden. Außerdem berichtet er, dass die Augen besonders auf einen gerichtet sind, wenn man im Bereich der Nachhaltigkeit agiert. Jeder einzelne Schritt würde in Frage gestellt werden. Fragen wie „Ist der Transport auch nachhaltig?“ oder „Wo wird denn überhaupt produziert?“ begleiten seinen Berufsalltag. Trotzdem ist Malte froh, nicht aufgegeben zu haben. Mittlerweile weckt das Konzept großes Interesse in der Branche und die Arbeit hat sich ausgezahlt.

Selbst und ständig – Die Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit

Die beiden Gründenden sehen grundsätzlich die gleichen Vorteile in der Selbstständigkeit. Die eigene Arbeitseinteilung ist den beiden besonders wichtig. Es gebe ihnen eine gewisse Freiheit, die sie in einem Anstellungsverhältnis nicht sehen. Vor allem Maren betont, dass der Luxus von überall arbeiten zu können, ein großer Vorteil für sie ist. Für Malte überwiegt der Vorteil eigene Ideen immer mit einbringen zu können. „Wenn ich angestellt wäre, wäre das nur bedingt möglich“, sagt er.
Es existieren allerdings auch Nachteile. Die Arbeitszeiten seien zwar flexibel, aber dadurch nicht weniger. „Nachtschichten sind vor allem am Anfang vorprogrammiert“, so Malte. Seine Gedanken seien immer bei der Arbeit. Für ihn sei das Abschalten manchmal noch sehr schwierig. Dadurch, dass er mit seinen Freunden gemeinsam arbeitet, sei das Thema auch in seiner Freizeit immer präsent. Maren sieht das ähnlich. Sie habe gerade in den ersten Wochen immer bis spät in die Nacht gearbeitet. Beide haben finanzielle Unterstützung genossen, können sich aber vorstellen, dass das unter anderen Bedingungen einen zusätzlichen Druckfaktor darstellen könne. Trotz der Nachteile überwiegen für beide aber die positiven Aspekte der Selbstständigkeit.

Die Corona-Gründungen

Eines verbindet die beiden Start-ups – sie wurden während der Corona-Pandemie gegründet. Rund die Hälfte der deutschen Start-ups gibt bei einer Umfrage des Start-up Monitors an, dass sie im vergangenen Jahr durch die Pandemie beeinträchtigt waren. Das lässt die beiden zweifeln. Gerade aus diesem Grund habe Maren ihre Ziele für dieses Jahr tief gesteckt. Doch bereits nach vier Wochen hat sie diese gemeinsam mit ihrem Partner erreicht. Auch Malte hatte keine auffälligen Probleme durch die Corona-Pandemie. Er wisse aber auch nicht, wie es gelaufen wäre, wenn die Pandemie nicht gewesen wäre.

Tipps für zukünftige GründerInnen

Maren möchte allen mit dem noch unverwirklichten Wunsch nach Selbstständigkeit etwas mitgeben. Ihr Tipp: Wenn man vorerst nur ein Kleingewerbe anmeldet, ist es erlaubt nebenbei noch anderweitig angestellt zu sein. So kann man nebenher noch einen kleinen finanziellen Puffer aufbauen.
Für Malte ist es wichtig, dass man an seinem Traum festhält. Auch, wenn manche Ideen scheitern und keinen Anklang finden, sollte man dranbleiben. „Irgendwann zahlt sich dann die ganze Arbeit aus.“

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