Nachdem Jamaika 2017 geplatzt ist, ging die Große Koalition (GroKo) in die dritte Runde. Damit verging die Hoffnung auf frischen Wind in der Bundesregierung. Viel zu lange schon ist die Große Koalition, die in diesen Tagen nicht mehr ganz so groß erscheint, Normalität. Das war nicht immer so: Die erste GroKo aus CDU/CSU und SPD entstand im Jahr 1966 und regierte bis 1969. Zu dieser Zeit war es dringend nötig Haushaltsreformen durchzuführen, um den defizitären Haushalt der BRD zu sanieren und einige verfassungsrechtliche Änderungen vorzunehmen. Das gelang der ersten schwarz roten GroKo auch. Eine GroKo ist immer dann gut, wenn große Reformen bevorstehen, für die man eine garantierte Mehrheit braucht. Doch viel zu lange schon, regieren Union und SPD, warum können sie vermutlich nicht einmal selbst sagen. Seit 2017 dürfte jedoch klar sein, dass es mit der GroKo bald ein Ende hat. Und das ist auch gut so, denn die GroKo ist in ihrer derzeitigen Form Gift für die Demokratie. Eine gesunde Demokratie braucht eine diversifizierte Parteienlandschaft, die durch die momentane GroKo nicht mehr gegeben ist. Auch wenn Parteien, wie die Grünen, die Linken oder die AfD seit einiger Zeit ihr Profil schärfen, so ging das doch nur dadurch, dass die Bevölkerung das Vertrauen in die derzeitige Bundesregierung verliert. Währenddessen kann man kaum noch sagen, wofür Union und SPD stehen. Zwei Parteien, die ursprünglich für völlig verschiedene Gesellschaftsmodelle standen, könnte man heute genauso gut zu einer Einheitspartei zusammenfassen, so sehr haben Union und SPD sich aneinander abgerieben.
Ein weiteres Problem ist, dass im Bundestag kaum noch über Inhalte diskutiert wird, stattdessen werfen sich Politiker gegenseitig Beleidigungen an den Kopf und es wird zunehmend über die richtige Haltung und über Emotionen diskutiert. Der inhaltliche Diskurs bleibt dabei auf der Strecke. Das konnte man auch beim lauwarmen EU-Wahlkampf in diesem Jahr beobachten. Inhaltlich war dieser in etwa so gehaltvoll wie ein französisches Frühstück. Gerade die Kampagne der SPD „Europa Ist Die Antwort“, war inhaltlich ein absoluter Witz. Worauf soll Europa denn die Antwort sein? Die Menschen wollen nicht wissen warum die SPD die EU befürwortet, sondern wie die SPD die EU verbessern will.
Bezeichnend für die inhaltliche Verarmung des politischen Diskurses sind die Debatten um die EU-Urheberrechtsreform und die Fridays for Future Bewegung. Da wurden die DemonstrantInnen als Bots und Schulschwänzer abgetan, anstatt sich gerade im Hinblick auf den Klimawandel mit den inhaltlichen Forderungen der Bewegung auseinander zu setzen. Und auch die Reaktion auf das „Rezo-Video“ war absolut unangemessen. Auch hier hat man sich seitens der CDU lieber über die blauen Haare lustig gemacht, als über die Inhalte des Videos zu diskutieren und endlich mal mit den BürgerInnen in Dialog zu treten.
Entweder platzt diese Regierung endlich oder sie findet wieder eine klare inhaltliche Linie, die nicht nur den alten Menschen zu gute kommt, die beispielsweise die Auswirkungen des Klimawandels gar nicht mehr erleben werden. Kurz: Politik muss wieder für Jung und für Alt gemacht werden, dann besteht vielleicht noch die Chance, dass man die Generation, die man in den letzten Wochen vergrault hat, zurückgewinnen kann.
Halbherzige Klimapolitik
Die GroKo hat sich viel vorgenommen: Davon geschafft hat sie defacto nichts. Im Gegenteil, Kohle soll noch bis 2038 abgebaut werden und für die Energiegewinnung genutzt werden. Wieder ein Zeichen, dass man in der GroKo immer noch nicht verstanden hat, wie wichtig es ist, den Klimawandel mit konkreten Maßnahmen zu begegnen. Stattdessen ignoriert man tausende WissenschaftlerInnen, deren Ergebnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen einen überwältigenden Konsens bilden, der besagt, dass wir sofort aus der Kohle raus müssen, wenn wir unsere Klimaziele noch erreichen wollen. Da die GroKo sich offenbar vorgenommen hat, strikt wider der Vernunft zu handeln, beschloss man den Kohleausstieg für 2038, um Arbeitsplätze zu erhalten. Das Kuriose daran: Man hat 80.000 Stellen in der erneuerbaren Energie abgebaut, um 20.000 Stellen in der Kohleindustrie zu schützen, so zumindest Volker Quaschning, ein Professor für Regenerative Energiesysteme in Berlin.. Das hat nichts mit „Arbeitsplätzen sichern“ zu tun. Der viel zu späte Kohleausstieg ist nur ein weiterer fauler Kompromiss, den die GroKo gemacht hat. Dass dafür keine Zeit mehr ist, weiß im wahrsten Sinne des Wortes, jedes Kind, das Freitags auf die Straße geht, um für seine Zukunft zu demonstrieren.
Da kommt die Frage auf, wieso Deutschland es nicht schafft einfach mal mutig zu sein und massiv in erneuerbare Energien zu investieren. Deutschland könnte mit Leichtigkeit die Vorreiterrolle in der Bekämpfung des Klimawandels übernehmen. Technologie und finanzielle Mittel sind schließlich ausreichend vorhanden. Was fehlt ist Platz. Die Sahara ist jedoch gigantisch, würde man sich bemühen, die Region zu stabilisieren, könnte die Sahara ein riesiges Sonnenkraftwerk werden, das ohne Weiteres Europa und Afrika mit Energie versorgen kann. Doch stattdessen hält man sich an der schwarzen Null fest, die vielleicht dem Haushalt guttut, doch ganz sicher nicht dem Land.
Riesige Investitionslücke
Deutschland spart zu viel. Das ergab eine Untersuchung der Unternehmensberatung EY. In dem dazugehörigen Papier heißt es, dass Deutschland seit der Jahrtausendwende und insbesondere seit der Finanzkrise 2008 zu wenig investiere. In den 90er Jahren floss noch rund ein Viertel der deutschen Wirtschaftsleistung in Investitionen. Mittlerweile sind es nicht einmal 20 Prozent. Das bedeutet für Deutschland, dass sich eine Investitionslücke auftut, die in den kommenden Jahren verheerend für das Deutsche Wachstum sein wird. Rund 1,4 Billionen Euro an Investitionen fehlen im privaten und Öffentlichen Sektor. EY empfiehlt, wieder eine Investitionsrate von 23 Prozent anzustrebend und die entstandenen Investitionsrückstände aufzuholen. Und zwar bis 2025. Dies würde dann 1,4 Billionen Euro kosten. Damit stellt der EY Deutschland ein Armutszeugnis aus, denn in Zeiten des wirtschaftlichen Booms hat man in Deutschland an den falschen Stellen gespart und somit die Chance verstreichen lassen, für das zukünftige Wachstum der noch größten Volkswirtschaft Europas zu garantieren.
Dieser Investitionsstau ist überall in Deutschland spürbar, er schlägt sich in der Pisa-Studie nieder, im überlasteten Gesundheitssystem, in der Digitalisierung und natürlich auch in der Klimapolitik. Seit Jahren jedoch spielt sich Deutschland als der Finanzberater Südeuropas auf und versteht es nicht, neue Anreize für Investoren zu schaffen, ein Umstand, der Deutschland in Zukunft teuer zu stehen kommen wird und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes massiv gefährdet.
Der kranke Mann am Rhein
Die Formulierung erscheint dramatisch. Doch letztlich wird Deutschland als genau das bekannt sein, wenn es die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft nicht mit der nötigen Entschlossenheit angeht. Es braucht eine kompromisslose Klimapolitik, die nicht auf Nein-Sager alá AfD und Christian Linder hört. Deutschland muss wieder attraktiv für Investoren werden und auch selbst investieren, um in Sachen Bildung, Gesundheit, Digitalisierung und Klimawandel wettbewerbsfähig zu bleiben.