Studiert man Instagrams Gemeinschafts- und Nutzungsrichtlinien, scheint die Lage klar. Es ist mittlerweile jedem bekannt, dass weibliche Brustwarzen Tabu sind. Doch wie verhält es sich generell mit Nacktheit auf dem sozialen Netzwerk? Obwohl Nacktheit für einige eine Art der künstlerischen Darstellung sein mag, ist diese laut Gemeinschaftsrichtlinien untersagt. Hierzu zählen neben der Ablichtung von menschlichen Körpern auch einige digital erstellte Beiträge. Um spezifische zu werden, welche Körperbereiche und Ausführungen dessen problematisch sind: Genitalien, Geschlechtsverkehr und nackte Gesäße. Weiter vertieft in dem Absatz: „Wir dulden in keiner Weise das Teilen sexueller Inhalte, an denen Minderjährige beteiligt sind, oder Drohungen, intime Bilder anderer Personen zu posten.“ Um einen potenziellen Missbrauch der Fotos zu verhindern, gibt es keinen Raum für Aufnahmen von nackten sowie halbnackten Kindern. Doch die Grauzonen lassen nicht auf sich warten, denn unter bestimmten Umständen, wie etwa dem Stillen eines Babys, Protestaktionen oder gesundheitlicher Aufklärung, ist die Repräsentation weiblicher Brustwarzen erlaubt. Die Verbreitung von gewaltvollen Inhalten zu Informationszwecken ist ebenfalls gestattet – sofern diese mit einer Warnung versehen sind. Fernerhin sind nur Beiträge geduldet, für die InfluencerInnen über Eigentums- oder Lizenzrechte verfügen. Instagrams Gemeinschaftsrichtlinien kommunizieren das Interesse, eine positive und diverse Community zu fördern. Im Zuge dessen wird die Verbreitung von Gewalt und Hass wie folgt betrachtet: „Instagram ist kein Ort, um Terrorismus, organisierte Kriminalität oder radikale Gruppen, die Hassrede verbreiten, zu unterstützen oder zu verherrlichen.“ Dabei geschieht dies besonders unter einem Deckmantel von harmlosen Hashtags. Selbst beschreibt sich Instagram als diverse Plattform, deren Interesse bei der Unversehrtheit der Nutzenden sowie den dargestellten Personen liegt, auch wenn Letzteres eventuell zu behutsam gedacht und an gesellschaftlichen Standards gemessen wird.
Was laut Gemeinschaftsrichtlinien von Instagram verboten ist …
• Anprangern von Privatpersonen
• Prostitution
• Glücksspielwerbung
• Animierende Posts im Bereich Essstörung und Selbstverletzung
• Handel von: Schusswaffen, Medikamenten, Alkohol, Tabakwaren, Haustieren, Wildtieren/ gefährdeten Tierarten (inklusive Körperteilen)
NPD-Politiker als „Fashion-Influencer“?
Dass es Mitglieder der AfD und NPD auf Instagram gibt, ist allen bewusst. Medial aktiv ist unter anderem der Bundesvorsitzende letzterer Partei: Frank Franz. Auf Instagram folgen ihm um die 6.000 Personen. Er postet Inhalte, bei denen man auf den ersten Blick denken könnte, dass er ein Fashion-Influencer sei. Bilder, auf denen er Parteiparolen bekannt gibt, stehen im starken Kontrast zu seiner Selbstdarstellung in schicken Anzügen. Vor allem Hashtags spielen für Franz eine wichtige Rolle – wie für viele andere Akteure der rechten Szene. Denn über Hashtags wie #menswear oder #mensfashion können Personen, die diesen eventuell selbst nutzen, auf sein Profil stoßen. Nichts Verwerfliches, aber schlau gemacht. Trotz seiner Fashion-Posts füttert er seinen Account mit rechter Ideologie. Von Sprüchen wie „Migranten machen Deutschland kaputt“ oder „die Medien sind das Virus“ ist eine breite Palette an pietätlosen und widersprüchlichen Aussagen dabei.
„White is beautiful“ und der Lebensborn als Vorbildorganisation
Seiten wie @heimatverbunden_ fallen schon durch ihre Profilbeschreibung mit nationalsozialistischen Symbolen auf. Sie nutzen das Symbol der nationalsozialistischen Organisation Lebensborn, welche während des Nazi-Regimes alles daransetzte, die „arische Rasse“ regelrecht zu „züchten“. Kinder, die der Rassenideologie der NationalsozialistenInnen entsprachen, wurden aus den besetzten Gebieten nach Deutschland in die Lebensborn-Heime verschleppt. Darüber hinaus wurden dort uneheliche Kinder hoher NS-Offiziere geboren und versteckt. @heimatverbunden_ äußerte sich gegenüber Campus38, dass es sich bei dem Symbol in ihrer Profilbeschreibung um die Elhaz-Rune – oder auch Lebensrune genannt– handele. Auch heute noch ist die Lebensrune in rechten Kreisen populär. Die Personen hinter der Seite, versuchte sich von den NationalsozialistenInnen zu distanzieren, da sie nicht mit der Organisation Lebensborn in Verbindung gebracht werden möchten. „Wir können nichts dafür, dass die NS-Führung dieses Symbol für ihre Zwecke missbrauchte“, wiegelte der anonyme Seitenbetreiber ab. Wenn man diese Instagram-Seite näher betrachtet, lassen sich vermehrt Parallelen zu den NationalsozialistenInnen ziehen. Es werden Bilder gepostet, die offensichtlich zur Hetze aufrufen, wie die Zerschlagung des Content-Netzwerkes funks und dessen Format Simplicissimus, da es auf die rechte Tendenz der Seite hinwies. Unter einem Bild mit drei weißen, blonden Frauen steht der Schriftzug „White is beautiful“. Damit möchten die SeitenbetreiberInnen eigenen Aussagen zufolge lediglich „die Liebe zur eigenen Art“ ausdrücken. Dass dadurch viele Menschen ausgeschlossen werden, begründen sie so: „Wir [sind] alle gleich, aber nicht gleichartig. Es soll nur übermitteln, dass man ruhig stolz auf seine eigene Art sein kann, ohne andere zu verachten.“ Der Versuch, einzelne Posts sowie die Seite auf Instagram zu melden, schlug fehl. Eine Rückmeldung enthält die Aussage, dass diese Posts und auch das Profil nicht gegen die Gemeinschaftsrichtlinien Instagrams verstoßen würden. Auf eine direkte Anfrage hat weder Facebook noch Instagram reagiert. Die rechten Seiten dienen vor allem dazu potenzielle AnhängerInnen anzulocken. Denn oft stecken dahinter rechtsextreme Organisationen, wie die selbsternannte Identitäre Bewegung oder auch die vom Verfassungsschutz beobachtete Junge Alternative (JA), die Jugendorganisation der AfD. Accounts wie @germanyspride bilden Porträts junger Frauen ab. Diese Frauen stehen in Verbindung mit der JA und dienen als Aushängeschild. Zudem findet sich @heimatverbunden_ bei fast allen Frauen in der Followerliste wieder.
Blut in den Sozialen Medien? Nein, danke.
Crystal Kennings ist eine kanadische Influencerin, die ihr Wissen rund um weibliche Anatomie, Menstruationszyklen sowie Hygiene teilt. Themen wie sexuelle Aufklärung, inklusive Selbstbefriedigung, Körperanatomie, Menstruationszyklen — insbesondere die Thematisierung von Periodenblut und Zervixschleim — sind ihrer Erfahrung nach besonders anfällig, gelöscht zu werden. Zudem wird der aufklärende Nischen-Content vom Algorithmus weniger bevorzugt. Und wie verhält es sich mit nicht normschönen Körpern? Auf TikTok veröffentlichte Melissa Heitzler ein Video, in dem die Zeichnung eines mehrgewichtigen, dunkelhäutigen, weiblichen Körpers zu sehen ist, verziert mit goldenen Dehnungsstreifen im Bikini. Als ihr Video gesperrt wurde, reichte sie augenblicklich Beschwerde gegen den Vorwurf der Nacktheit und des sexuellen Inhalts ein – drei Tage später war ihr TikTok-Video wieder sichtbar. Eins habe sie sehr wütend gemacht: „Ich habe im Grunde danach das Gleiche mit einem dünnen Körper nochmal gepostet. Das wurde auf TikTok nicht gesperrt.“
Auch Crystal Kennings und Anna Stomosis* haben die Erfahrung gemacht, dass TikToks Zensur härter ausfällt als bei Instagram. InfluencerInnen in der Sparte Menstrualhygiene und weibliche Anatomie verwenden Begriffe wie “Seggs” als Synonym für Sex. Wenn die Abwandlung korrekter Sprache notwendig ist, beschneidet es die lernwillige Community und schränkt die Bildung dieser ein. TikTok-Videos mehrgewichtiger, behinderter und homosexueller UserInnen werden unter dem Deckmantel des Nutzerschutzes vor Mobbing in deren Reichweite beschränkt, so der Stern. Doch auch auf Instagram werden nicht idealgewichtige Frauenkörper stärker zensiert. Dies führte zu einem offenen Brief von Nyome Williams alias @curvynyome an Instagram, nachdem ein Bild, auf dem sie ihre Brust verdeckte, gelöscht wurde, obwohl es nicht gegen die Richtlinien verstieß. Seitdem sieht die Plattform ein, dass das Verdecken der weiblichen Brust mithilfe der Hand keine sexualisierte Darstellung ist. Nyome Williams Beispiel schlug Wellen. Währenddessen existieren Accounts, auf denen nackte, normschöne Frauen durch die Wildnis laufen und Yoga machen. Doch was in die Kategorie normschön fällt, fällt gerne hinten herunter. „Marginalisierte Gruppen laufen Gefahr, dass ihr Content entfernt wird.Ich fühle mich einfach nicht mehr sicher.“ Anna Stomosis loggt sich nicht mehr aus, weil sie Panik hat, nicht mehr auf ihren Account zugreifen zu können — pure Angst, die eigene Community zu verlieren. Und diese schränkt die Gestaltung des eigenen Contents ein. Kritik in Konnotation mit Männern gilt als „Hatespeech“ — misogyner Content, jedoch nicht zwangsläufig. „Instagram in a Nutshell“, sagt Anna Stomosis lapidar.
Körperfett wird zu Nacktheit, Lebensrune legitim – von wegen farbenfroh, divers und weltoffen. Instagram schmückt sich mit diesen Attributen, doch in der Realität ist die Plattform weit davon entfernt, ihr Wunschimage zu erreichen. Abhilfe könnte ein Filter mit Einbezug des Kontextes anstelle der reinen Beurteilung des Contents leisten. Feedback von NutzerInnen sollte für die Richtlinienlegung berücksichtigt werden. Ob Instagram daran interessiert ist, bleibt unbekannt. Am Ende des Tages sollte die Plattform ein Spiegel der Gesellschaft sein und keine geairbrushte Version dieser.
*Instagram-Nutzername anstelle des offiziellen Namens zum Personenschutz.