Dieselfahrverbote – Was steckt wirklich dahinter?

In einigen deutschen Städten gelten bereits Fahrverbote. In vielen weiteren sind sie in Planung. Was Fahrverbote bewirken und wie realistisch diese in der Region 38 sind, diskutiert Nicolas Winkelhahn.

Saubere Luft. Ein Gut, dass sich jeder Deutsche nur wünschen kann. Doch seit einiger Zeit ist offensichtlich klar: In einigen Teilen Deutschlands ist die Luft nicht annähernd so sauber wie sie sein sollte!

Fahrt aufgenommen hatte die Debatte über die Schädlichkeit von Dieselfahrzeugen nachdem am 18. September 2015 bekannt wurde, dass Volkswagen seine Neufahrzeuge mit Euro-6-Klassifizierung bewusst mit einer Abschalteinrichtung für die Abgasnachbereitung im Realbetrieb ausgestattet hatte. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Fahrverbote für Dieselfahrzeuge und den Entzug der Typengenehmigung aller bis dahin neu produzierten und manipulierten Neuwagen gefordert. Am 19. November 2015 schließlich klagte die DUH gegen mehrere Bundesländer, die für die Luftreinhalteplanung verantwortlich waren, unter anderem in den Städten Köln, Frankfurt am Main sowie Düsseldorf und Stuttgart.

Ein Jahr später dann das Urteil: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf gab der Klage statt und beschloss, dass Dieselfahrverbote als Maßnahme zur Senkung der Emissionen in Zukunft in den Luftreinhalteplan der Stadt aufzunehmen seien. Am 27. Juli 2017 folgte schließlich dasselbe Urteil in Stuttgart. Letztendlich legten beide Bundesländer eine sogenannte Sprungrevision ein, sodass der Fall bis zum Bundesverwaltungsgericht weitergereicht wurde. Das endgültige Urteil folgte schlussendlich am 27. Februar letzten Jahres: Dieselfahrverbote dürfen in Ballungsgebieten mit einem deutlich überschrittenen Jahresmittel von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (µg/m³) verhängt werden. Ein Schock für die circa 1,3 Millionen betroffenen Dieselfahrer.

Wie sollte es nun weitergehen? Als eine der ersten beklagten Städte hat Hamburg von solchen Fahrverboten Gebrauch gemacht und Ende Mai 2018 die ersten Durchfahrtsverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge im Stadtteil Altona-Nord eingeführt. So gelten diese Durchfahrtsbeschränkungen für alle Dieselfahrzeuge sowohl PKW als auch LKW, die nicht die Euro-6-Typenklassifizierung erfüllen. Wer dennoch gegen die geltenden Auflagen verstößt wird zur Kasse gebeten. 20 Euro für PKW’s und 75 Euro für LKW’s mit unzureichender Klassifizierung. Doch die Durchfahrtsverbote haben offensichtlich nicht nur positive Auswirkungen auf die Umgebung und den Geldbeutel der Stadt. So hat sich herausgestellt, dass die Kontrolle der Durchfahrtsverbote durch die Polizei äußerst aufwendig und schwer zu realisieren ist. Und auch über die Verhältnismäßigkeit der automatisierten Nummernschild-Überwachung wird derzeit noch intensiv diskutiert. Denn allein schon aus datenschutzrechtlichen Gründen gilt das Fotografieren jedes einzelnen Autos als äußerst bedenklich.

Wie erfolgreich sind die Verbote in Hamburg?

Nach fünf Monaten sollten erste Vergleiche mit den Werten von 2017 Aufschluss über die Wirksamkeit der Verbote geben. Das Ergebnis: Enttäuschend! „Die Dieselfahrverbote haben nichts gebracht“, so der Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch im November letzten Jahres. Mit den im Juli 2018 gemessenen 37 µg/m³ hat lediglich eine der fünf Messungen eine Unterschreitung der für Stickoxide gesetzlich vorgegebenen 40 µg/m³ einen Erfolg gezeigt. Bei zwei der Messungen sind sogar noch höhere Werte gemessen worden, als im Vorjahr als noch kein Fahrverbot ausgesprochen wurde. Es werden also noch weitere Messungen nötig sein, um eine tatsächliche Wirksamkeit von Fahrverboten nachweisen zu können.

Die Deutsche Umwelthilfe hat im letzten halben Jahr noch weitere Klagen gegen deutsche Großstädte eingereicht. Und weitere Städte, in denen das Jahresmittel an Stickoxiden um über 10 Prozent überschritten wird, werden noch folgen, betont die Umwelthilfe. Ein Ende der Klagen ist somit noch nicht in Sicht. Könnte Braunschweig in naher Zukunft also auch von solchen Klagen betroffen sein?

Diesel oder Otto – Was unterscheidet die beiden Motorentypen voneinander?

Um die Debatte um Dieselfahrzeuge besser nachvollziehen zu können, ist es wichtig zu verstehen, was den Dieselmotor im Vergleich zum Ottomotor so schmutzig macht. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Verbrennungsverfahren ist die weitaus höhere Verbrennungstemperatur bei Dieselmotoren. Das hat den Vorteil, dass weniger Treibstoff verbraucht wird und weniger klimaschädliches Kohlendioxid bei der Verbrennung entsteht. Weniger vorteilhaft ist jedoch, dass neben weiteren Schadstoffen, wie Kohlenwasserstoffen (HC) und Kohlenmonoxid (CO), auch Stickoxide (NOx) in verhältnismäßig größeren Mengen gebildet werden. Problematisch wird es dann, wenn die Stickoxide weitere ungewollte Verbindungen mit der Umgebungsluft eingehen. So entstehen beim Ausstoß beispielsweise geringe Mengen der giftigen Salpetersäure, aber auch weitere Feinstaubpartikel unterschiedlicher Größen.

Ist der Benzinmotor also die bessere Alternative? Die Antwort ist so ernüchternd wie komplex und führt zu einem wesentlich schwieriger lösbaren Konflikt: Zwar führt die Senkung von Kohlendioxid-Emissionen meist zu einer erhöhten Stickoxidentstehung. Eine weniger stickoxidproduzierende Variante wie beim Benzinmotor hat jedoch einen wesentlich höheren Kohlendioxid-Ausstoß zur Folge. Durch effiziente Abgasnachbehandlungseinrichtungen bei Fahrzeugen mit Euro-6-Klassifizierung würde dieses Problem weitestgehend gelöst werden, wenn diese nicht von den Herstellern im Werk heruntergeregelt werden würden.

Weshalb sind besonders Dieselfahrzeuge so in der Kritik?

Laut dem jährlich erscheinenden „Air Quality Report“ der Europäischen Umweltagentur, sterben etwa 400.000 Menschen in Europa pro Jahr einen vorzeitigen Tod durch Stickoxide. Vorzeitig bedeutet hier, dass Menschen durch einen vermeidbaren Umstand nicht die erwartete Lebenszeit erfüllen. Und allein 2003 sollen etwa 70.000 Tode mit Luftverschmutzung in Verbindung gebracht worden sein. Auch wenn die Zahlen dieser vorzeitigen und durch Dieselabgase verursachten Tode sehr alarmierend anmuten, so sollte man nicht gleich in Panik geraten. Denn die Formel zur Berechnung solcher Tode gilt unter Mathematikern schon seit Jahrzehnten als überholt. Fragwürdig ist somit, weshalb die Europäische Umweltagentur (EEA) nach wie vor mit veralteten Formeln arbeitet. Hinzu kommt, dass die Bedeutung von „vorzeitigen Todesfällen“ wie es heißt, äußerst irreführend sein kann. Denn um eine Aussage über die Vorzeitigkeit eines Umstands treffen zu können bedarf es der Information, wann besagter Umstand tatsächlich endet. Zudem lassen sich diese Todesfälle nicht eindeutig den Auswirkungen von überhöhter Stickoxidbelastung zuordnen. Die Aussagen über durch Dieselabgase verursachte Todesfälle ließe sich somit äußerst kritisch hinterfragen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist das Ausmaß der Stickoxidemissionen durch den Verkehr im Vergleich mit anderen Emittenten. Mit fast 40 Prozent ist der Verkehr die anteilig größte Quelle für Stickoxide in der Luft nach Stand 2016. Kein Wunder also, dass Dieselfahrzeuge ohne Euro-6-Norm aus den Städten verschwinden sollen. Und dennoch stellt sich hier die Frage, ob diese Fahrverbote nach Statistiken wirklich verhältnismäßig sind. Denn im Vergleich zu 1990 hat sich der Ausstoß durch Dieselfahrzeuge um etwa 66 Prozent reduziert. Auch der Anteil des Verkehrs an den Gesamtemissionen hat sich um 10 Prozent verringert – und das alles ohne ausgesprochene Fahrverbote. Ob die Einführung von Durchfahrtverboten praktisch zur Reduzierung von Stickoxidemissionen beiträgt, ist derzeit also noch fragwürdig. Offensichtlich ist, dass die Etablierung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge mit dem Vorwand des Umweltschutzes nicht ausreichend belegt und auch die Verhältnismäßigkeit solcher Maßnahmen nach wie vor zu hinterfragen ist.

Ob die Luft in Deutschlands Großstädten durch Maßnahmen wie Fahrverbote tatsächlich sauberer wird, muss sich in den nächsten Jahren noch zeigen. Eins ist jedoch klar: Auch Benziner und Elektrofahrzeuge emittieren Schadstoffe – sowohl bei der direkten Verbrennung als auch bei der Produktion des Stroms. Bis sich keine wirklich effiziente und emissionslose Antriebstechnologie etabliert hat, werden die Diskussionen weiter gehen. Es bleibt also spannend, wenn in Zukunft um wirklich saubere Luft in Deutschlands Großstädten diskutiert wird.

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