Auch in der vergangenen Weltcupsaison kämpften die BiathletenInnen wieder um den Sieg im Gesamtweltcup. Jedoch spielte der Sport zum Saisonauftakt am 1. Dezember auch dieses Mal zunächst eine untergeordnete Rolle. Die Sportwelt erwartete eine Entscheidung im Fall des russischen Staatsdopings, welche am 9. Dezember von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) getroffen worden ist. Gegen Russland wird eine Vierjahressperre verhängt, die alle Sportarten und Großereignisse betreffen wird. AthletInnen die nachweisen können, dass sie nicht in das staatlich organisierte Doping verwickelt sind, dürfen unter neutraler Flagge weiterhin in den Kampf um die Medaillen ziehen. Eine Nation wurde für ihren Betrug bestraft, dennoch laufen einstiege Dopingsünder nach ihren Sperren wieder im Weltcup und sind regelmäßig auf den vorderen Plätzen zu finden. Laut Sportredakteurin Marina Schweizer könne man beim Wintersport das Augenmerk hauptsächlich auf die Ausdauersportarten legen und man müsse auch von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Es stellt sich die Frage, wieso vor allem im Biathlon viele Dopingsünder in die Weltspitze zurückkehren oder erst gar nicht überführt werden können.
Internationale Biathlon Union verschweigt positive Dopingtests
2018 wurde bekannt, dass die Internationale Biathlon Union (IBU) positive Dopingtests verschwiegen hat. Über mehrere Jahre sollen der IBU positive Tests vorgelegen haben, unternommen wurde nichts. Zudem soll Bestechungsgeld geflossen sein, um das Thema Doping nicht präsent werden zu lassen. IBU-Präsident Andreas Besseberg und seine Generalsekretärin Nicole Resch weisen jegliche Anschuldigungen zurück, legen am Ende jedoch beide ihr Amt nieder. Auch in dieser Doping-Affäre handle es sich zum Großteil um russische AthletInnen, welche von IBU-Funktionären gedeckt werden sollen. Diese Anschuldigungen würden beweisen, dass unter den aktiven AthletInnen im Weltcup mehrere von ihnen keinen sauberen Sport betreiben. Somit werden auch Stimmen gegen ehemalige Dopingsünder wieder lauter. Denn im Biathlon gibt es eine Vielzahl von AthletInnen, welche bereits gegen die Vorschriften verstoßen haben und nach Sperren zurück in den Weltcup gekommen sind.
Der russische Athlet Alexander Loginow wurde 2014 für zwei Jahre aufgrund von Epo-Doping gesperrt. Bereits zwei Monate nach Ablauf seiner Sperre war Loginow wieder bei der WM 2017 in Hochfilzen am Start und gewann dort mit der russischen Mixed-Staffel Bronze. Sowohl von Seiten der Zuschauer als auch vonseiten einiger Athleten gab es heftige Kritik an der Teilnahme des Russen. Die IBU verliert an Glaubwürdigkeit und vermittelt den Eindruck, nicht aktiv gegen Doping vorgehen zu wollen oder zu können. Der Kampf gegen Doping wird an dieser Stelle vom Verband nicht konsequent verfolgt oder bewusst vernachlässigt.
Angst vor Imageschaden
Biathlon hat sich zu einer der populärsten Wintersportarten weltweit entwickelt, wobei der Sport vor allem in Deutschland regelmäßig für Top-Einschaltquoten sorgt. Auf dem deutschen Markt ist Biathlon die drittpopulärste Fernsehsportart. Das zieht viele Sponsoren an, die durch Dopingskandale verloren gehen könnten. Sowohl für die IBU als auch für die Medien ist ein gutes Image wichtig, um Zuschauerzahlen hochzuhalten und die Sponsoren an den Sport zu binden. In der Hinsicht ist Biathlon eine Sportart, in der Doping keinen Platz hat. Die Aufgabe des IBU-Präsidenten Besseberg war es, dieses gute Image nach dem russischen Dopingskandal rund um Olympia 2014 zu wahren. Die Angst vor einem weiteren Imageschaden durch Dopingfälle hat vermutlich dazu geführt, dass der Verband positive Dopingproben verschwieg und somit das Gegenteil erreichte. Der Verband verlor mit den anhaltenden Korruptionsvorwürfen an Glaubwürdigkeit und entwickelte sich als eine Art Gegner für den eigenen Sport.
Eigenblutdoping erschwert Kontrollen
Der Dopingskandal rund um die Skilanglauf-WM in Seefeld zeigt, dass systematisch organisiertes Doping nicht nur auf Russland zurückzuführen ist. In diesem Fall rückt besonders das Eigenblutdoping in den Fokus, das von Deutschland aus gesteuert wurde. Ziel dieser Methode ist es, die Ausdauer eines/einer Athleten/Athletin zu steigern, indem die Anzahl der roten Blutkörperchen erhöht wird. Dem Sportler wird dafür einige Wochen vor einem Wettkampf eine größere Menge Blut abgenommen. Um die roten Blutkörperchen vom Plasma zu trennen, wird das Blut zentrifugiert. Vor einem Wettkampf wird das entnommene Blut zurück in den Blutkreislauf gebracht. Das nun überflüssige Blut wird vom Körper abgebaut, wobei die roten Blutkörperchen erhalten bleiben. Durch die höhere Sauerstoffkapazität wird folglich eine bessere Leistung erzielt. Es kann eine hiermit eine mehrwöchige Leistungssteigerung von bis zu 15 Prozent erreicht werden. Nachweisbar ist es maximal drei Wochen nach der Infusion. Damit kann das Eigenblutdoping nur sehr schwer nachgewiesen werden, was zahlreiche Dopingkontrollen bei Wettkämpfen überflüssig macht. Die Folge: Eigenblutdoping ist sehr reizvoll für Ausdauersportarten wie Biathlon und Langlauf. Aus der Razzia in Seefeld wird deutlich, wie ausgeprägt die Dopingsysteme über Ländergrenzen hinaus sind. Der Erfurter Arzt behandelte Sportler aus mehreren Ländern und lagerte deren Blutkonserven. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch deutsche AthletInnen in das Netzwerk verwickelt waren.
Die IBU will sich nun im Kampf gegen Doping neu aufstellen und die Missstände der letzten Jahre beseitigen. Der neue Präsident Olle Dahlin will nach den Korruptionsvorwürfen den Sport wiederaufbauen. Dabei soll eine unabhängige Biathlon-Integritätsstelle (BIU) mögliche Verstöße ohne Einmischung der IBU an den Sportgerichtshof weiterleiten. Mit der neuen Verfassung kann so für mehr Transparenz gesorgt werden. „Es gibt kein Zurück. Wir haben eine neue Ära des Biathlons eingeleitet“, sagte der schwedische IBU-Präsident im vergangenen Oktober auf dem IBU-Kongress in München. Diese neue Ära soll das saubere Image wiederherstellen und auch das Vertrauen der Sportler zurückgewinnen. Die BIU soll hierbei die entscheidende Rolle im Kampf gegen Doping spielen, indem mit ihr vor allem Bestechung und Einflussnahme vermieden werden soll.
Dennoch kann ein gänzlich sauberer Sport nicht garantiert werden und es kann zum heutigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, dass Siege durch illegale Methoden eingelaufen wurden. Das Anti-Doping-System hat hier an mehreren Stellen Lücken aufgewiesen, wobei alle negativen Ereignisse aufeinander aufbauen. Nach Olympia 2014 wurde nur in Richtung Russland ermittelt und andere vermeintlich organisierte Dopingsysteme völlig außen vorgelassen. Damit blieben Systeme wie das des deutschen Arztes lange unentdeckt. Hinzu kommt, dass die Dopingkontrollen oft nicht ausreichen, um das weit verbreitete Eigenblutdoping zu erkennen. Die Bestechlichkeit der IBU-Funktionäre rund um Präsident Andreas Bessenberg hat dabei für lange Zeit den Kampf für sauberen Sport verhindert, um ein gutes Image für die Öffentlichkeit zu gewährleisten. So haben auch ehemalige Dopingsünder eine zweite Chance bekommen, ganz zum Leitwesen der anderen AthletInnen. In diesem Jahr wurden zwei wichtige Entscheidungen im Kampf gegen Doping getroffen, doch sowohl der Beschluss der WADA als auch die neue Verfassung der IBU sind nur teils befriedigend für Fans und Sportler. Die WADA schließt Russland als Nation aus, jedoch zeigte der Fall um die Ski-WM, dass systematisches Doping länder- und nationenübergreifend stattfindet. In Zukunft werden andere Maßnahmen nötig sein, um Biathlon und andere Sportarten wieder vertrauenswürdig zu machen. Doch zum jetzigen Zeitpunkt wird im Biathlon bei jeder dominanten Leistung das Misstrauen in den Sport mitschwingen und über den Erfolgen stehen. Der sportliche Gedanke verblasst an dieser Stelle.