Ein Gefühl, als könnte man fliegen

Pirouetten, Sprünge, Drehungen und das alles mit acht Rollen unter den Füßen. Seit ihrem zweiten Lebensjahr ist Saskia Missoum Rollkunstläuferin. Im letzten Jahr konnte sie bei der Europameisterschaft den größten Erfolg ihrer Karriere feiern.
Saskia Missoum trat beim Pflichtlauf für Deutschland an. (Quelle: Privat)

Der Rollkunstlauf ist eine weitgehend unbekannte Sportart, aber dem Eiskunstlauf sehr ähnlich. Pirouetten, Sprünge und schnelle Schrittwechsel werden auf Rollschuhen in einer Kür präsentiert. Präzession und Körperbeherrschung sind dagegen in der Disziplin „Pflichtlauf“ erforderlich. Hier müssen auf den Boden gezeichnete Kreise und Schlingen auf einem Bein exakt nachgelaufen werden. In genau dieser Disziplin wurde letztes Jahr in Harsefeld ein Traum der 24-jährigen wahr: Sie gewann die Bronzemedaille bei der Europameisterschaft. „Wenn man 20 Jahre lang genau auf so einen Erfolg hinarbeitet und dann endlich belohnt wird, kann man die Flut von Gefühlen in diesem Moment gar nicht beschreiben. Ich habe lange gebraucht, bis ich wirklich realisiert habe, dass das wahr ist“, erinnert sich Saskia. Diese Medaille ist für sie das Größte, was sie in ihrer Karriere erreicht hat, auch im Hinblick auf die vergleichsweise schlechten Trainingsbedingungen.

Dank Fleiß zum Erfolg

Zwar verfügt der Rad-, Roll- und Motorsport-Verein Kieselbronn (RRMSV) über eine eigene Rollschuhbahn, die kann jedoch nur im Sommer genutzt werden. „Unsere Außenbahn ist zwar wunderbar, aber im Winter wird es für uns schon schwierig“, so Saskia „Normalerweise sollten wir täglich trainieren können, das war für uns aufgrund der Hallensituation unmöglich.“. Im Winter müssen die Läuferinnen des RRMSV in eine Sporthalle ausweichen, die allerdings auch von anderen Vereinen genutzt wird. „Trotzdem so einen Erfolg erleben zu dürfen, dank meines Fleißes macht mich unendlich stolz und überglücklich.“

Ihr Fleiß drückt sich in Saskias harten Training aus: Viermal in der Woche trainiert sie auf den Rollschuhen. Dazu kommen zwei Tage die Woche, an denen sie an ihrer Kraft, Koordination und Dehnbarkeit arbeitete. Während der Wettkampfsaison steht die Sportlerin bis zu sieben Mal in der Woche auf der Rollschuhbahn. Verletzungen sind dabei keine Seltenheit. Gerade Schürfwunden, Prellungen oder Verstauchungen sind absolut normal und kein Grund zur Sorge, meint Saskia Missoum. Nur einmal erlitt sie einen Außenbandriss im Ellenbogen, der operiert werden musste. Diese Verletzung zwang Saskia zu einer sechs-monatigen Pause. „Nun habe ich ein Leben lang einen kleinen Titan-Anker im Arm und eine circa fünf cm lange Narbe, die mich an meine Rollschuhzeit erinnern wird“, erzählt sie.

Saskia Missoum präsentiert ihre Kür in Freiburg. (Quelle: Privat)

„Wer das auf diesem Niveau macht, kann keine Kompromisse eingehen“ 

Um es so weit schaffen zu können, musste Saskia jedoch von Anfang an lernen, zu verzichten. „Ein Leistungssportler verzichtet auf so gut wie alles, was dem Sport nicht zugutekommt“, erzählt Missoum. „Egal welche Terminanfragen in der Freizeit kamen, der Sport hatte immer Vorrang.“ Eine Jugend, wie viele sie haben, hatte die Rollkunstläuferin daher nicht. Gewöhnliche Dinge, wie Kindergeburtstage oder Ausflüge, verpasste sie häufig. „Meine Entscheidung ist schon in sehr frühen Jahren ganz klar für den Sport gefallen und wer das auf diesem Niveau machen möchte, kann einfach keine Kompromisse eingehen.“ Das Training, die Verletzungen, der Verzicht: Es zahlt sich aus. Neben dem Erfolg bei der EM im letzten Jahr konnte die Rollkunstläuferin in den vergangen Jahren auch bei anderen Wettkämpfen ihr Können zeigen. Allein 2018 wurde sie dreifache deutsche Meisterin in den Disziplinen Kür, Pflicht und Kombination und konnte sich beim „Interland Cup“ in den Niederlanden über einen zweiten Platz freuen.

Knapp zwei Jahre war Saskia alt, als sie das erste Mal auf Rollschuhen stand. Mit vier Jahren nahm sie dann an ihrem ersten Wettbewerb teil. Gerade die Kombination aus Ästhetik und Tanz auf der einen, Kraft und Power dagegen auf der anderen Seite, begeistert sie bis heute am meisten. „Wer mich kennt weiß, ich bin ein absolutes Energiebündel, ich liebe es, an meine Grenzen zu gehen.“ Fast vier Kilogramm wiegen die Rollschuhe, trotzdem fühlt sich die Sportlerin ganz leicht, sobald sie über die Rollschuhbahn gleitet. In den Sprüngen kommt es ihr vor, als würde sie fliegen und den Fahrtwind in ihren Haaren möchte sie nie mehr missen. Mit dem Saisonende im letzten Jahr hat Saskia Missoum ihre aktive Rollschuhkarriere beendet. Als Trainerin bleibt sie ihrem Verein jedoch erhalten.

Ruhe, Konzentration, die Gewissheit, sich keinen Fehler erlauben zu können – und das in einem Moment, in dem die Aufregung am größten ist. „Bei einer Europameisterschaft läufst du nicht nur für dich, sondern du läufst für deine Nation und vertrittst damit Deutschland“, erzählt Saskia Missoum, Rollkunstläuferin aus Kieselbronn in Baden-Württemberg, über ihre Teilnahme an den Europameisterschaften im letzten Jahr.

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