„Bücher und Filme über reale Verbrechen, an denen reale Menschen beteiligt waren.“ Das ist die Definition von True Crime aus dem Cambridge Dictionary. Im Gegensatz zu Crime-Formaten wie dem „Tatort“, behandeln True Crime wahre Verbrechen. Dennoch sind beide Formate beliebt, ob als Bücher oder Bewegtbilder, was mehrere Statistiken von Statista zum Konsumverhalten der Menschen belegen. Das liegt unter anderem daran, dass die Auswahl eine ziemlich große zu sein scheint.
Die Streaming-Plattform Netflix bietet viele Dokumentarfilme und -Serien zu dem Thema an. Bei einigen handelt es sich um sehr bekannte Fälle wie dem Verschwinden von Madeline McCann in der gleichnamigen Netflix-Serie. Aber auch auf Spotify gibt es viele Podcasts, die in jeder Folge ein anderes Verbrechen thematisieren. Vor allem bei dem Podcast „Verbrechen von Nebenan“ kommt es auf die geografische Nähe der Fälle an. Diese haben sich in der Region um Gütersloh ereignet, wo der Moderator Philipp Fleiter vom Radio Gütersloh arbeitet. Diese Regionalität bringt viele Menschen dazu, seinen Podcast zu hören.
Die Faszination nach dem Verbrechen ist dennoch keine Neue. „CSI“, „Tatort“ und „SOKO“ sind nur einige Beispiele für die fiktiven Krimi-Formate, die im deutschen Fernsehen immer wieder ausgestrahlt werden. Viele dieser Produktionen existieren schon seit langer Zeit und in verschiedenen Ausführungen. Sie gehen mit der Zeit. Es gibt mehr Frauen als Ermittlerinnen, sie sprechen aktuelle soziokulturelle Themen an und die psychische Beschaffenheit der ErmittlerInnen steht häufiger im Vordergrund.
Medienpsychologen haben festgestellt, dass es mehrere Faktoren für diesen immer größer werdenden Trend gibt. Monika Weiderer, Professorin der Psychologie in der sozialen Arbeit an der OTH Regensburg, äußerte sich zu einigen dieser Faktoren in einem Interview mit Campus38.
Doch scheinbar hat die normalisierte Gewalt im Alltag und in der Gesellschaft so manche Auswirkungen auf den ein oder anderen Menschen. Weiderer redet von einem veränderten Weltbild bei Menschen mit einem hohen Konsum gewalttätiger Inhalte. Sie könnten den Eindruck gewinnen, dass viel mehr Straftaten begangen werden, als es eigentlich der Fall ist. Denn die Zahlen des Bundeskriminalamts sind rückläufig. Dennoch erachtet sie es als wichtig, von diesen Fällen zu berichten, um zum Beispiel Hilfe von Außenstehenden zu gewinnen, wie es in der Sendung „Aktenzeichen XY“ der Fall ist. In den Folgen werden Fälle aufbereitet, bei denen am Ende nach der Hilfe von potenziellen Zeugen gefragt wird. Diese sind häufig etwas älter. Dennoch kann eine weitere Information zum Lösen des Falls beitragen. Wie das Beispiel von Metin M. zeigt, der durch einen Tipp im Juli 2014 festgenommen werden konnte. Der Mordverdächtige brach zuvor im März aus einem Berliner Gefängnis aus.
Auch die Angehörigen der Opfer sollten berücksichtigt werden, die durch die ständige Medienpräsenz immer wieder an die Menschen erinnert werden, die sie verloren haben. Diese geraten durch das sensationslüsterne Aufbereiten der Geschichte häufig in Vergessenheit. Weiderer vermutet jedoch, dass durch eine nüchterne Berichterstattung ohne theatralische Stilmittel wie emotionaler Musik die Zuschauerzahlen sinken würden.
Eine möglichst nüchterne und faktenbasierte Erzählung solcher Verbrechen mit der Beleuchtung der Opfer gehen André und Chris aus Hamburg nach. Sie bilden zwei Drittel des aktuellen Teams des Podcasts „True Crime Germany“, den es seit mehr als vier Jahren gibt. Im vergangenen Jahr kam es zu einer Umstrukturierung. André und das fehlende Drittel, Lena, schlossen sich Chris an und lösten damit frühere Partner ab. „True Crime Germany“ kann auf Spotify, der eigenen Website oder anderen Plattformen angehört werden, die Podcasts anbieten. Wie André und Chris dazu kommen, einen Podcast zu dem Thema True Crime zu machen, wie die Produktion abläuft und welche Themen sie eher umgehen, erzählen sie im Interview:
Das Thema True Crime sollte nicht zu leichtfertig angegangen werden. Es gilt, die Fälle und die Opfer mit Respekt zu behandeln. Dies würde mittlerweile häufig aus den Augen verloren werden, sind André und Chris der Meinung. Es solle jedoch eher auf das Informieren ankommen und weniger auf die bloße Unterhaltung der Zuhörer*innen. Das ist ein großer Kritikpunkt, den sie bei anderen True Crime-Podcasts auszusetzen haben.
Doch so unterhaltsam das True Crime-Genre auch ist, so sollte es auch mit Vorsicht zu genießen sein. In der momentanen Situation, die so manches Gemüt runterziehen kann, ist das Auseinandersetzen mit grausamen Taten, vielleicht nicht immer die beste Idee.