Freiheit und Cybercrime

In den Schlagzeilen der Mainstreammedien über das Darknet dominieren Schlagworte wie Kinderpornographie oder Waffen. Doch finden sich dort auch viele Möglichkeiten, den verborgenen Teil des Internets für unsere Freiheit zu nutzen.

Er hat seine vierjährige Stieftochter knapp zehn Monate lang schwer sexuell missbraucht und die Aufnahmen davon auf eine Plattform für kinderpornografische Inhalte hochgeladen. Die Kinderporno-Szene spielt sich vor allem in einem verborgenen Teil des Internets ab – dem Darknet. Das Bundeskriminalamt hat nach dem 24-Jährigen mit einem Beweisbild gefahndet und schließlich im Oktober festgenommen. Er gehört zu einer besonderen Sorte von Nutzern im Darknet – jedoch gibt es viel mehr Möglichkeiten, das Darknet zu nutzen, statt nur als Fundgrube für Kinderpornos.

Das Darknet in den Medien und der Wirklichkeit

Reißerische Überschriften in den Medien, Berichte über Waffen- und Drogenhandel, Auftragsmörder zum Anheuern, sowie Foren für Pädophile mit Kinderpornos schaffen vor allem Bilder von den „finsteren” Seiten des ohnehin schon „dunklen Netzes”, aber vor allem geben diese Themen Klicks. Und spätestens seit dem Amoklauf in München, bei dem der Täter seine Waffe aus dem Darknet bezog, ist das Thema in der breiten Gesellschaft angekommen.

Dabei ist das Darknet viel mehr als die plakativen Überschriften vermuten lässt. Doch wie funktioniert das Ganze und wie betritt man diese Parallelwelt des Internets? Wir sprechen mit einem Administrator der Seite deepdotweb.com, einer Newsseite, die sowohl im normalen Internet als auch im Darknet vertreten ist. Die Nachrichten der Seite fokussieren sich auf das Darknet und damit verwandte Themen, wie Bitcoin und Anonymität. Die Person gibt beim Kontakt keinen Namen an, bezeichnet sich jedoch als Enthusiast des Darknets mit langjähriger Erfahrung. Er erklärt uns dabei, was sich im Hintergrund beim Zugreifen passiert.

Der Zugang – schnell und einfach

Um auf das Darknet zuzugreifen, bedarf es besonderer Werkzeuge. Ein Beispiel für ein solches ist TOR, ein Browser, der wie eine Tarnkappe funktioniert. Man kann gleich nach der kurzen und einfachen Installation von TOR Adressen im Darknet ansteuern. Verbildlichen kann man sich die Kommunikation im Netzwerk so, dass die Verbindungen durch die Software zu verschiedenen Knoten hin und hergeleitet werden, sodass es fast unmöglich wird, auf die Identität von Nutzern einer Darknetseite zu schließen. Diese Knoten, oder auf Englisch Nodes, werden von freiwilligen Nutzern des Darknets zur Verfügung gestellt, beispielsweise auch von der NGO „Reporter ohne Grenzen“, die sich weltweit für Pressefreiheit einsetzt.

Die erlangte Anonymität ist aber nicht nur für Cyberkriminelle von Interesse. Auch für politische Aktivisten kann sie von Nutzen sein. Vor allem in Zeiten der Überwachung wird das Darknet gerade für Dissidenten immer attraktiver. Es bietet Oppositionellen in autoritären Regimen einen Zufluchtsort, um frei von Zensur ihr Menschenrecht auf Meinungsäußerung wahrzunehmen. Konkrete Beispiele gibt es zuhauf: Whistleblower wie Edward Snowden nutzen TOR zur Enthüllung von Missständen im Interesse der Öffentlichkeit. Auch Dissidenten in der Türkei, Syrien und anderen Ländern, die für eine Einschränkung der Meinungsfreiheit bekannt sind, nutzen das Darknet, um sich frei zu informieren und auszutauschen, ohne Repressalien des Regimes befürchten zu müssen.

Whistleblowing und das Darknet

Anlaufstellen für Whistleblower gibt es zum Beispiel parallel zu den Websites im normalen Netz. International bekannte Spieler wie die britische Zeitung Guardian, die Washington Post, aber auch deutsche Seiten wie taz.de der Berliner Tageszeitung bieten durch ein Postfach für Whistleblower die Möglichkeit, den Medien unerkannt Daten zuzuspielen. Wie wichtig Anonymität sein kann, beweist Edward Snowden, der sich bewusst dazu entschieden hat, mit seinen Aufdeckungen der globalen Überwachung durch NSA und CIA an die Öffentlichkeit zu gehen. Als Folge dieser Enthüllungen wurde ein weltweiter Diskurs über diese Überwachungsaffäre geführt.

Für Snowden selbst bedeutete es eine Verfolgung durch die USA und damit verbunden, bis heute ein Leben im Exil in Russland. Zweifellos hatte die Entscheidung, sich als Quelle der Dokumente zu identifizieren, eine einschneidende Umwälzung für sein Leben zur Folge. Das Risiko, solch enorme Opfer bringen zu müssen, schreckt andere Informanten oft davon ab, sich als Quelle zu identifizieren oder sich überhaupt an die Presse zu wenden. Zu groß ist die Gefahr, dass nicht nur ihr Arbeits- sondern auch ihr Privatleben davon beeinträchtigt wird. Aus diesen Gründen ist das Darknet ein wichtiges Werkzeug für politische Aktivisten, die sich frei von Benachteiligungen für die Allgemeinheit einsetzen.

Cyberkriminalität im gewerblichen Stil

Doch neben den legalen Angeboten des Darknets machen die Schattenseiten des Darknets einen nicht geringen Anteil aus. Riesige professionell verwaltete Marktplätze wie Alphabay und Hansa boten international Verkäufern und Käufern eine Plattform zum Handeln von Waffen, Drogen, verschreibungspflichtigen Medikamenten und weiteren illegalen Waren. Durch den Betrieb der Seite kamen die Köpfe der Unternehmung zu mehreren Millionen Dollar in der Kryptowährung Bitcoin, mit der im Darknet überwiegend gehandelt und bezahlt wird. Vermögen im Wert von über 21 Millionen Dollar in Bitcoin wurden bei der Razzia und Verhaftung eines Gründers beschlagnahmt.

Diese Art von professionellem Handeln mit illegalen Waren in einer riesigen Dimension locken Kleinkriminelle und Konsumenten gleichermaßen an. Allerdings sind die Kinderpornos, von denen Nachrichten oft berichten, selbst auf solchen Märkten vergeblich zu finden. Denn selbst auf solchen Schwarzmärkten sind solch extreme Inhalte wie Kinderpornos oder Auftragsmorde vielfach tabu. Diese kann man nur auf anderen gut versteckten Seiten, die dem Thema gewidmet sind, finden. Gewissermaßen eine weitere Schicht tiefer. Wenn man nur will.

Verbrechen oder Kampf für die Freiheit – die Entscheidung liegt beim Nutzer

Zweifellos ist es so, dass die Vorteile des Darknets eine bedeutende Menge an kleinkriminellen Drogenverkäufern, Pädophile, oder gar Drogengroßhändlern anlocken. Das Darknet deswegen jedoch als Ganzes zu verteufeln, wird den vielen Nutzern, die es mit guten Absichten nutzen, nicht gerecht. Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, wie das Darknet als Werkzeug genutzt werden kann, um das Recht auf Meinungsfreiheit auszuüben und welche Opfer diejenigen erbringen müssen, um dieses zu verteidigen. Letztlich bestimmt der Nutzer selbst, welche Inhalte er aufruft.

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