Immer mehr Menschen berichten über Langzeitfolgen nach einer Corona-Erkrankung, dem sogenannten „Long Covid“. Auf Basis verschiedener Beobachtungen in den letzten Monaten, konnten laut des Robert Koch Instituts (RKI) bereits verschiedene Krankheitsbilder beobachtet werden. Dazu gehören beispielsweise organspezifische Langzeitfolgen, die unter anderem das Herz oder die Lunge betreffen können. Weitere mögliche Langzeitfolgen sind Müdigkeitserscheinungen, Merkstörungen, Gedächtnisprobleme oder Wortfindungsstörungen sowie Geschmacks- und Geruchsveränderungen. Ursprünglich gingen Virologen davon aus, dass nach einem milden zweiwöchigen Akutverlauf die Betroffenen wieder gesund sind und die Krankheit überstanden haben. Doch diese These konnte jetzt immer häufiger mit Hilfe von Umfragen und Studien widerlegt werden.
In Italien wurde in einer Studie das Auftreten und die Dauer von Langzeitfolgen erforscht. 143 Patienteninnen und Patienten, mit einem Durchschnittsalter von 56,6 Jahren, nahmen an einer Nachuntersuchung teil. Diese wurde 60 Tage nach Auftreten der ersten Symptome durchgeführt. Bei der Befragung gaben nur 12,6 Prozent an, keine Beschwerden mehr zu haben. 32 Prozent hatten hingegen weiterhin ein bis zwei Symptome und 55 Prozent sogar drei oder mehr. Auch wenn diese Studie nur einen kleinen Teil der Betroffenen miteinbezieht, spiegelt sie wider, wie Menschen auf der ganzen Welt mit den Langzeitfolgen kämpfen. Bisher gibt es noch zu wenig Nachforschungen über die Langzeitfolgen von Covid-19, da das Virus noch zu jung ist. ExpertInnen gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer von Menschen mit Langzeitfolgen aus. Diese Vermutung wird auch durch die Anzahl an Corona-PatientInnen in Rehakliniken bestätigt. Die Median Rehabilitationsklinik in Heiligendamm war beispielsweise im Dezember mit 140 Patienten überbelegt, von denen circa 50 Personen aufgrund von Long-Covid-Symptomen dort behandelt wurden. Im Sommer waren es hingegen nur etwa zehn Prozent der PatientInnen. Das verdeutlicht auch die Menge an Personen, die selbst nach Monaten noch unter den Folgen einer Corona-Erkrankung leiden.
Danara ist eine von ihnen. Sie ist 21 Jahre jung und obwohl sie keine Vorerkrankungen hatte, leidet sie heute unter den Langzeitfolgen von Corona. Sie berichtet über ihre Symptome und wie diese ihren Alltag beeinflussen.
Danara ist jedoch nicht die einzige, die trotz eines milden Akutverlaufs unter den Langzeitfolgen von Corona leidet. Das RKI berichtet, dass sich nach einer Intensivbehandlung zwar beispielsweise häufig organspezifische Langzeitfolgen beobachten lassen, doch auch bei milderen Verläufen längerfristige Kurzzeitgedächtnisprobleme, Wortfindungsstörungen und Müdigkeitserscheinungen auftreten können.Dies sind jedoch nur ein paar von vielen Symptomen, die Folge einer Covid-19-Erkrankung sein können. Seit dem 14. April 2020 behandelt die Median Rehaklinik in Heiligendamm PatientInnen mit Langzeitfolgen. Seitdem wurden vor Ort schon über 200 Erkrankte aufgenommen. Jördis Frommhold ist Chefärztin der Abteilung für Atemwegserkrankungen und Allergien sowie Fachärztin für Innere Medizin und Pneumologie, Notfallmedizin. Sie berichtet, dass die meisten der PatientInnen in einer Altersspanne von 35 bis 65 Jahren liegen und sich damit im Prinzip noch in der „Blüte ihres Lebens“ befinden. Gerade für diese Betroffenen seien die Langzeitfolgen prägend, da viele von ihnen ihren alten Beruf durch die Symptome nicht mehr ausführen können. Jördis Frommhold arbeitet tagtäglich mit den Erkrankten zusammen und erklärt Campus38, welche Arten von Langzeitfolgen es gibt.
Bei einer Untersuchung in England fand man heraus, dass etwa 40 Prozent der hospitalisierten Erkrankten langfristige Behandlungen benötigten und circa zehn Prozent derjenigen, die einen milden Krankheitsverlauf hatten, auch nach vier Wochen noch Symptome zeigen. Das bestätigt, dass selbst nach einem milden, primären Krankheitsverlauf, Corona auch nach Wochen oder sogar Monaten, den Alltag der Erkrankten beeinflussen kann. Doch auch das Alter der Betroffenen überrascht Ärzte und Virologen. Zu Beginn der Pandemie ging man davon aus, dass hauptsächlich die älteren Menschen mit einer Covid-19-Erkrankung zu kämpfen hätten. Ähnlich wie bei anderen Krankheiten schien es bei ihnen wahrscheinlicher, einen schweren Akutverlauf und damit auch schwere Langzeitfolgen zu haben. Doch je länger das Virus untersucht wird, desto deutlicher stellt sich heraus, dass das Alter bei dem Krankheitsverlauf nicht immer eine Rolle spielt. Zwar sind Zusammenhänge von Covid-19 mit Vorerkrankungen und Altersschwäche feststellbar, doch auch vor jungen Menschen macht das Virus keinen Halt.
Jürgen Rissland ist Virologe an dem Uniklinikum in Homberg und beschäftigt sich seit einigen Monaten mit dem neuartigen Virus. Er erzählt, welche Altersgruppen besonders von dem Virus betroffen sind und welche neuen Entdeckungen bezüglich der Infektion gemacht wurden.
Ebenso wie der akute Krankheitsverlauf, kann auch die Dauer der Langzeitfolgen bei jedem Erkrankten anders ausfallen. Bisher konnten noch keine genauen Muster über Long Covid und dessen Dauer festgelegt werden. Danara leidet schon seit mehreren Monaten unter den Symptomen der Krankheit und auch viele weitere Menschen müssen ihren Alltag aufgrund der Erkrankung langfristig umstellen. Laut des RKIs ist es nach einer Infektion mit Pneumonien nicht ungewöhnlich, eine längere Genesungszeit zu haben. So überrascht es nicht, dass auch die Symptome des Coronavirus lange anhalten oder sogar neu auftreten.Doch die Ungewissheit über den Verlauf und die Dauer der Langzeitfolgen ist für die Betroffenen besonders belastend. Virologe Rissland erklärt auf Basis der Erkenntnisse bei dem ersten Sars-Virus und den bisherigen Beobachtungen, warum es so schwer ist, eine pauschale Dauer der Langzeitfolgen bestimmen zu können.
Die Median Rehabilitationsklinik führt ein Projekt zur Überprüfung der Wirksamkeit von medizinischer Rehabilitation nach Covid-19-Erkrankungen durch und möchte damit insbesondere die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der pneumologischen Rehabilitationen der Corona-PatientInnen untersuchen. Jördis Frommhold ist eine der zwei leitenden Ärzte des Projekts und bekommt dadurch einen guten Einblick in die Behandlung der Betroffenen und deren Erfolge. Sie berichtet Campus38, welche Behandlungsmethoden die Ärzte bereits anwenden und bei welchen Langzeitfolgen sich die Genesung als schwieriger erweist.
Aus den bisherigen Untersuchungen und dem aktuellen Stand der gewonnenen Erkenntnisse lässt sich schließen, dass eine Corona-Erkrankung letztendlich jeden treffen kann. Egal, ob jung oder alt. Ebenso können verschiedenste Langzeitfolgen, unabhängig von dem primären Akutverlauf auftreten und für eine längere Zeit den Alltag der Betroffenen beeinträchtigen. Aufgrund der bisher unerforschten Auswirkungen sollte das neuartige Virus nicht unterschätzt werden, um sich und sein Umfeld zu schützen.