Highspeed in der Stadt – Schneckenpost auf dem Land?

Beim schnellen Internet hinkt Deutschland in allen Vergleichen hinterher. Dies gefährdet die Entwicklung der Wirtschaft, sagen Unternehmer. Wie dringend ist der Nachholbedarf?

Die durchschnittliche Internetgeschwindigkeit in Deutschland ist langsam. Im internationalen Vergleich der Datenverarbeitungsfirma Cable rangierte die Bundesrepublik auf Platz 25 von 200. Einer Studie von Akamal Technologies zufolge hat Deutschland im Durchschnitt eine Geschwindigkeit von 15.3 mbit. Das ist etwas mehr als die Hälfte der etwa 29 mbit des weltweiten Vorreiters Südkorea.

Warum schneidet Deutschland so schlecht ab?

Tomaso Duso ist Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte am deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Er sieht vor allem geografische Gründe für diesen Rückstand: „Deutschland ist anders als andere Länder. Die Bevölkerung ist sehr gestreut. Es gibt eine vorhandene Infrastruktur, was die Anreize, in Glasfaser zu investieren, reduziert.“. Auch deutsche Regulierungen sollen den Glasfaserausbau nicht einfacher gemacht haben. Anders als in Spanien oder Italien sei es hier nicht erlaubt, Kabel an Hauswänden zu befestigen. Da die Leitungen mehrere Meter unter der Erde begraben werden müssen, treibe das die Kosten weiter in die Höhe. 

Der Vergleich zu anderen Nationen wie Südkorea, benötigt also mehr Kontext. Christian Leßmann ist unter anderem Leiter des Instituts für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Braunschweig. Er gibt zu bedenken, dass das Land an der Weltspitze zwar weit vor uns läge, die Hälfte der 50 Millionen Einwohner aber in der Hauptstadt Seoul leben würden. „Hier ist es natürlich relativ günstig viele Menschen mit schnellem Internet zu versorgen. Deutschland hat eine ganz andere Verteilung der Bevölkerung.“.  Eine niedrige Durchschnittsgeschwindigkeit würde nicht heißen, hierzulande hätte niemand gutes Internet. In Großstädten sei die Verfügbarkeit von Breitbandanschlüssen nahezu bei 100 Prozent. Nur durch die Streuung der Bevölkerung gestalte sich die Flächendeckung schwieriger als in anderen Ländern.

Die Folgen dieses Problems spüren auch Unternehmen wie Piller. Als Entwickler, Produzent und Vertreiber von Stromversorgungssystemen agieren sie weltweit, haben aber auch mehrere Standorte im ländlichen Bereich. Andreas Kunau ist für den Einkauf zuständig und schließt somit auch die Verträge betreffend der Kommunikations- und Datenanbindung ab. Er berichtet, dass der Hauptstandort in Osterode am Harz mit 150 mbit für die Umgebung sehr gut angebunden sei. Im Nebenstandort Billshausen sehe das aber ganz anders aus.

Staatliche Eingriffe 

Um diese digitale Lücke zwischen Land und Stadt zu schließen, hat der Staat in Vergangenheit Subventionen veranlasst. Einige dieser Maßnahmen in Niedersachsen und Bayern haben sich auch Duso und sein Team am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung genauer angeschaut. In einem Editorial des Instituts heißt es: “ Vielleicht wenig überraschend zeigen sie, dass die Förderungen wirksam waren: Sie führten zu einer Zunahme der Breitbandabdeckung bei allen Geschwindigkeiten, ohne aber den Wettbewerb negativ zu beeinträchtigen“. Jedoch wird auch zu bedenken gegeben, dass die Förderung für Netze der neusten Generation deutlich mehr kosten solle. Ob erneute staatliche Investitionen eine gute Idee sind, ist also fraglich. Christian Leßmann findet, staatliche Eingriffe machen nur dann Sinn, wenn empirische Beweise dafürsprächen. Es bräuchte einen Nachweis, dass „(…) schnelleres Internet Menschen tatsächlich glücklicher macht, die Wirtschaft tatsächlich schneller wachsen lässt.“ Nur wenn man wüsste, dass diese Vorteile die Kosten der Maßnahme übersteigen würden, sollte man sie auch umsetzen. „Die Milliarden, die sie ins Breitbandnetz investieren, die stehen uns ja nicht für Kindergärten zur Verfügung. Und andere wichtige Aufgaben.“

Auswirkungen auf die Wirtschaft

Politik und Medien stellen die langsamere Internetgeschwindigkeit als ein schwerwiegendes Problem dar. Alle paar Jahre gibt es neue Versprechen, wann Deutschland endlich flächendeckend mit Glasfaser vernetzt sein soll: 2018, 2020, 2025. Gigabit-Geschwindigkeit scheint notwendig, um Deutschlands Stellung als führende Industrienation aufrechtzuerhalten. Tomaso Duso erinnert an die bereits erwähnten geographischen Besonderheiten Deutschlands. Es gäbe durchaus starke mittelständische Unternehmen, die sich aber auf dem Land befänden und somit von der schlechteren Internetverbindung betroffen seien.

Eine dieser Firmen ist Piller. Andreas Kunau erklärt, warum ein stabiles und schnelles Internet für das Unternehmen unerlässlich ist.

Breitbandinternet wird durchaus mit positiven Effekten in Verbindung gebracht. In einer 2011 veröffentlichten Studie im Economic Journal, wurde eine Kausalität zwischen Breitbandinternet und wirtschaftlichem Wachstum festgestellt. Nachdem ein Land Breitbandinternet eingeführt hatte, stieg das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im Durchschnitt etwa drei bis vier Prozent. Christian Leßmann sieht diese positiven Aspekte zwar, bezweifelt jedoch, dass sie ausschlaggebend genug sind, um eine Umstrukturierung auf Glasfaser zu rechtfertigen: „Im Aggregat kann man schon feststellen, dass das für die Innovationskraft eine Rolle spielt, aber die Effekte sind jetzt nicht riesig. Man kann es statistisch nachweisen, aber ob man daraus jetzt große Subventionen rechtfertigen kann, um das gesamte Netz umzustrukturieren, ob die Effekte dafür groß genug sind, das ist so nicht untersucht worden. Da wäre ich auch sehr kritisch.“ 

Den abstrakten Wirtschaftsstandort Deutschland sieht Tomaso Duso nicht in Gefahr. Er denke zwar schon, dass die digitale Infrastruktur in der Zukunft fundamental sein würde „(…) aber wenn im tiefsten Schwarzwald keine superschnelle Infrastruktur gebaut ist, glaube ich nicht, dass das ein riesen Nachteil für den Standort Deutschland sein wird.“ Auch Leßmann sieht darin für die Wirtschaft „ganz abstrakt gesehen“ keine großen Schwierigkeiten. Gewerbegebiete seien meistens sehr gut angeschlossen und die wichtigsten Unternehmen lägen natürlich im urbanen Raum: „Kleinunternehmen, die im ländlichen Raum aktiv sind – da wird es nur eine sehr geringe Zahl geben, die wirklich ernsthaft wirtschaftliche Einbußen durch die schlechte Verfügbarkeit des Internets haben. Für die Wirtschaft selbst, denke ich, ist es kein Riesenfaktor.“

Ein Blick in die Zukunft

Tomaso Duso ist davon überzeugt, dass Glasfaserinfrastruktur für ein schnelles Netz nötig sei, empfiehlt der Politik jedoch Prioritäten zu setzen: “Ich glaube, das ist sehr wichtig […], diese Infrastruktur zu haben, auch für den Standort Deutschland. Ich glaube aber nicht, dass wir auf alle Kosten, überall und gleichzeitig diese Infrastruktur bauen sollten“. Ihm fehle bisher noch die Diskussion einer effizienten und sinnvollen Umsetzung des Glasfaserausbaus. Das sei in der bisherigen Strategie noch vernachlässigt worden. Nur mit Subventionen zu arbeiten sei nicht die richtige Lösung. Stattdessen sollten Anreize geschaffen werden, um Privatinvestitionen zu fördern.

Christian Leßmann erklärt im Interview, dass er starke Subventionen in Glasfaser kritisch sehe. Dies würde den fairen Wettbewerb zwischen den Technologien einschränken. Man wisse ja immer nur im Nachhinein, welche Technologie sich als die beste herausstellt: „Andere Technologien werden ignoriert und damit auch nicht vernünftig weiterentwickelt.“ So könne es passieren, dass man sich mit der falschen Technologie in eine Sackgasse manövriere: „Deswegen würde der Volkswirt solche Entscheidungen nicht vorwegnehmen, das gilt jetzt nicht nur für diese Netzfragen.“

Tomaso Duso sei dagegen, Glasfaser, was es auch koste, auszubauen. Trotzdem sei es nur eine Frage der Zeit: „Ich glaube, dass die digitale Infrastruktur, also auch schnelles Internet, immer wichtiger sein wird. Für so viele Aspekte des modernen Lebens. Vom autonomen Autofahren, über Industrie 4.0, zu digitalisierter Medizin. Das wird kommen. Die Frage ist, mit welcher Geschwindigkeit.“

Deutschland hat noch einiges nachzuholen. Besonders was die Lücke zwischen Land und Stadt angeht. Vernichtend sieht die Situation hierzulande aber nicht aus. Die Bundesrepublik wird weiterhin ein starker Wirtschaftsstandort bleiben. Die Diskussion um den Breitbandausbau lässt sich nicht in einer einfachen Statistik wiedergeben. Es braucht mehr Differenzierung. Genau dafür argumentiere ich in meinem Audiokommentar:

Total
0
Shares
Ähnliche Beiträge
Mehr lesen

“Parteien – ein Konzept aus der Vergangenheit?”

Die Fridays for Future Bewegung hat gezeigt, dass es kein Parteibuch braucht um politisch engagierte junge Leute zusammenzubringen. Tale Malina Schröder spricht mit den Jungpoltikern Valea Elß von der Grünen Jugend und Lukas Kamm von den Jungen Liberalen um zu diskutieren, ob Parteien ein Auslaufmodell sind.
VON Tale Schröder
Mehr lesen

Helfen statt verschwenden

Immer mehr Menschen fehlt das Geld für Lebensmittel. Dennoch landen jährlich tonnenweise davon im Abfall. Die Tafel möchte das ändern. Der Verein sorgt dafür, dass die sonst verschwendeten Lebensmittel an Hilfsbedürftige ausgegeben werden.
VON Jacqueline Jonas
Mehr lesen

Eine Stadt in den Zwängen der Corona-Pandemie

Die Corona‐Pandemie hat das Jahr 2020 geprägt: Maskenpflicht und Lockdown gehörten auf einmal zum Alltag. Auch die Kleinstadt Burgstädt in Sachsen hat das zu spüren bekommen. Bürgermeister Lars Naumann und Cornelia Scheibe, die Vorsitzende des Gewerbe‐ und Handelsvereins, sprechen mit Campus38 über ein Jahr voller Ungewissheiten.
VON Joelle Ziebell