Im Dauerwerberausch auf Instagram

Auf Instagram sieht alles nur noch gleich aus: Plüschfarbene Accounts, die weichgespülte Werbebotschaften durch Influencer kommunizieren. Ein Essay über die stetig anschwellende Blase aus gespielter Glaubwürdigkeit.

Instagram gilt als die Domäne der Teenager: Rund die Hälfte aller deutschen Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren nutzen die bekannteste Foto-Sharing-App. Es werden nicht nur Inhalte konsumiert, sondern auch produziert. Dadurch kann sich jeder auf Instagram so darstellen, wie er selbst gerne gesehen werden möchte. Diese Selbstdarstellung haben einige Nutzer zu ihrem Beruf gemacht. Während man noch vor wenigen Jahren bei dem Begriff „Influencer“ an eine infizierende Krankheit dachte, ist dies zu einem Karrierewunsch gerade für viele junge Mädchen geworden. Influencer teilen ihr Privatleben und lassen ihre Follower daran teilhaben. Dabei greift Instagram unter die Arme und bietet immer mehr Interaktionsmöglichkeiten. Wenn die vielleicht berühmteste deutsche Modebloggerin Caro Daur sich bei Gucci nicht zwischen zwei Taschen entscheiden kann, fragt sie durch die Instastory-Umfrage-Funktion ihre 1,3 Millionen Follower, welche der beiden Taschen ihrer Onlinegemeinde am meisten gefällt.

Die digitale Entfernung zwischen Influencern und normalen Nutzern ist gering. Sympathie, Nähe und Glaubwürdigkeit sind die wichtigsten Eigenschaften der Online-Meinungsmacher. Eigenschaften, die sich vor allem Unternehmen aus dem Mode- und Lifestylebereich zunutze machen, um ihre Produkte so nah wie möglich an der Zielgruppe zu platzieren – auf Instagram. Ein Blick auf die Foto-Sharing-Plattform genügt, um zu sehen, dass der Großteil von Influencern gegenüber solchen Kooperationen offen ist. Die anfängliche Devise lautete: Werbung machen, die nicht nach Werbung aussieht. Ein Konzept, was so längst nicht mehr funktioniert.

Influencer-Marketing auf Instagram: Die Kleinen imitieren die Großen

Bilder von Handgelenken mit Uhren von Marken wie Daniel Wellington und Kapten & Son reihen sich aneinander. Die Bildunterschrift der Bilder? Natürlich immer positiv. Was für ein tolles Weihnachtsgeschenk das doch wäre und natürlich gibt es einen persönlichen Rabattcode, den der Influencer mit seinen Followern großzügigerweise teilt. Ähnlich funktioniert das auch mit vermeintlich schlank machenden Teesorten oder Proteinshakes. Es geht aber auch darüber hinaus. So ist es mittlerweile nicht mehr ungewöhnlich, dass nicht nur für diverse Uhrenmarken, Teesorten und Proteinriegel geworben wird, sondern auch für Finanzdienstleistungen. Es scheint so, als wäre aktuell die Hochphase des Influencer Marketings und jedes Unternehmen möchte gerne um jeglichen Preis mitmischen. Glaubwürdigkeit spielt dabei eine nachgelagerte Rolle. Das Hauptproblem liegt jedoch genau in diesem Punkt: Es werden immer die gleichen Inhalte präsentiert. Immer nahezu identische Bildunterschriften. Immer dieselben Produkte. Die Instagram-Accounts von großen Influencern lassen sich für Außenstehende nur noch schwer unterscheiden.

Erst Mitte des Jahres äußert sich die bekannteste Trendforscherin Lidewij Edelkoort dazu und sagt: „Jeder schaut heute nur noch auf Instagram und hält das für die absolute Wahrheit, deshalb sieht auch alles gleich aus.“ Aus diesem Grund seien laut Edelkoort auch Influencer für die Modebranche nicht so relevant wie anfangs angenommen. Schaut man hinter die Kulissen des Influencer Marketings wird deutlich, weshalb alles gleich aussieht. Kooperationen unterscheiden sich oftmals darin, ob diese bezahlt oder unbezahlt sind. Bei unbezahlten Kooperationen dürfen sich Influencer aus dem Onlineshop des Unternehmens eins oder mehrere Teile aussuchen. Dafür verlangt das Unternehmen von vornherein mindestens ein Bild auf dem Instagramkanal des Influencers – natürlich mit den passenden Hashtags. Gerne wird auch noch ein sogenanntes „Mood Board“ mitgeschickt, um Anregungen für die Bildpräsentation zu liefern. Je höher der Produktwert oder die Bezahlung für die Kooperation ist, desto höher sind auch die Vorgaben an den Influencer. Bei bezahlten Kooperationen erhalten Influencer in den meisten Fällen einen Kooperationsvertrag. Dort sind alle Bedingungen aufgelistet. Nicht selten müssen Influencer die Bilder erst bei dem Unternehmen oder bei der PR-Agentur einreichen, bevor diese online gehen. Erst nachdem das Unternehmen mit den Bildern einverstanden ist, können diese am vereinbarten Zeitpunkt gepostet werden. Auch das Wording in den Bildbeschreibungen ist oftmals vorgegeben.

Viele Unternehmen, die mit Influencern zusammenarbeiten, haben daher auch für jeden die gleichen Vorgaben. Schließlich muss das gepostete Material zum Markenimage passen und Einheitlichkeit spielt dabei eine große Rolle. Deshalb richten sich die bekanntesten Influencer auch nach diesen Vorgaben. Letztendlich verdienen sie damit ihren Lebensunterhalt. Die großen Influencer machen es vor, die kleinen Instagramer machen es nach und die Follower ziehen mit. Was dabei jedoch verloren geht, ist die Individualität und damit einhergehend auch die Glaubwürdigkeit. Instagram degradiert sich damit zu einer stickigen Blase, die keine Individualität mehr erlaubt und immer wieder von denselben Inhalten bestimmt wird. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis diese Blase platzt.

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