Legalisierung von Cannabis – endlich?

Rund vier Millionen Menschen in Deutschland werden durch ihren Cannabis Konsum kriminalisiert. Jetzt möchte die Ampelkoalition die Droge legalisieren. Ein falsches Zeichen oder dringend notwendig?

Die seit Jahren umstrittene Cannabis Legalisierung könnte in Deutschland erstmals Realität werden. Die „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ soll laut dem Koalitionsvertrag der SPD, Grünen und FDP; eingeführt werden. So solle der Jugendschutz und die Qualität durch Kontrollen gewährleistet und der Schwarzmarkt zu einem Teil eingedämmt werden.

Die Strafverfolgung von Cannabis KonsumentInnen steht zum jetzigen Zeitpunkt noch auf der Tagesordnung der Justiz. Für medizinische Zwecke ist Cannabis seit 2017 erlaubt und darf zur Schmerzlinderung bei Schwerkranken eingesetzt werden. Wer keine Erlaubnis von einem Arzt hat, dem droht bei Cannabis-Besitz eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Die MitarbeiterInnen der Hanfbar in Braunschweig fühlen sich durch die bestehende Kriminalisierung von Cannabis zu Unrecht verurteilt.

Allein im Jahr 2019 gab es 90.000 Medizinisch-Psychologische Untersuchungen, kurz MPU, in Deutschland. Laut dem Psychologen Tobias Müller, sind dabei 30 Prozent auf Drogenkonsum zurückzuführen. Durch eine Legalisierung von Cannabis könnte die Polizei und Staatsanwaltschaft deutlich entlastet werden. Auch der Staat profitiert steuerlich von der Legalisierung und könne, laut einer Studie des deutschen Hanfverbandes, bis zu 4,7 Millionen Euro einsparen. Dazu könnten 27.000 neue Jobs durch die wegfallende Strafverfolgung gesichert werden. Es wurden sich Berufe in der Produktion, Verarbeitung und im Vertrieb anbieten.

Doch was denken die BürgerInnen aus Braunschweig über eine mögliche Legalisierung?

Die Legalisierung von Cannabis bringt jedoch nicht nur Vorteile mit sich. Besonders PolizistInnen, Suchtberatungsstellen und PsychologInnen sind besorgt. „2020 hatten wir 151 Leute hier, die mehr als einmal unsere Beratung in Anspruch genommen haben, weil sie, warum auch immer, mit Cannabis Probleme bekommen haben. Vermutlich können sehr viele mit Cannabis umgehen, aber es gibt auch nicht wenige Menschen, die sich ihr Leben im Zusammenhang mit Cannabis völlig gegen die Wand fahren“, so der Leiter der Jugend- und Drogenberatung Braunschweig Lars Fischer. Cannabis wird nicht nur von Erwachsenen konsumiert, sondern auch von Minderjährigen. Und das oft zu leichtsinnig.

Durchschnittsalter beim Erstkonsum von Cannabis unter deutschen Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach Geschlecht von 1993-2015. (Quelle: BZga Statista 2021)

Das Risiko an Depressionen oder Angststörungen zu leiden, sei nach sechs Jahren des regelmäßigen Cannabis Konsums ungefähr verdoppelt, so Tobias Müller. Unterschätzen sollte man die Gefahren des Cannabis Konsums also nicht. Antriebslosigkeit, Cannabis bezogene Psychosen und kognitive Einschränkungen können einige Langzeitfolgen eines regelmäßigen Konsums darstellen. ,,Wenn ein 50-Jähriger entscheidet: Anstatt zu saufen, kiffe ich, muss das nicht gleich problematisch sein. Bei Jugendlichen ist das anders. Hier werden kognitive Funktionen beeinflusst. Wenn ich diese ganze Lebensphase nicht nutze, weil ich mir den Kopf dumm kiffe, dann kann ich solche Sachen nicht entwickeln“, warnt Lars Fischer. Auch Teile der Justiz stehen einer Legalisierung meist kritisch gegenüber. Die Polizeistelle Bremen möchte sich aufgrund der aktuellen und heiklen Legalisierungsdebatte nicht äußern. Ein Polizist, der anonym bleiben möchte, erklärt: ,,Ich gehe davon aus, dass durch die Legalisierung der Zugang zu der Einstiegsdroge vereinfacht wird.“ Er hat fast tagtäglich mit dem Verkauf und Konsum der illegalen Substanz zu tun und warnt vor allem davor, dass die Legalisierung zu einer Verharmlosung der Droge führen könne. Auch die kleinsten Funde bei GelegenheitskonsumentInnen und die damit einhergehenden strafrechtlichen Folgen seien sinnvoll eingesetzte polizeiliche Ressourcen. ,,Reicht ja, wenn es von 100 Funden nur zehn Leute nie wieder konsumiert haben. Ein Erfolg ist trotzdem da“, so der Polizist. 

Phillipp Piskol, Sozialpädagoge im Anerkennungsjahr bei der Jugend- und Suchtberatung Braunschweig, erklärt, dass die Debatte momentan allerdings eher politisch geführt werde. Er zeigt auf, dass Fachverbände und Expertengremien in der Politik bisher fehlen. Präventive Maßnahmen und Vorkehrungen für eine Legalisierung seien noch nicht genug getroffen worden.  Außerdem drohen den Sucht- und Beratungsstellen finanzielle Probleme. Viele Menschen arbeiten dort ehrenamtlich, weswegen eine Auslastung der Beratungsstellen problematisch wäre. Der Vorwurf der Suchtberatungsstellen an die jetzige Ampelkoalition lautet, dass aus dem Blauen heraus legalisiert werden würde und präventive Maßnahmen noch nicht ausgereift seien.  Setzt die Legalisierung also tatsächlich ein falsches Zeichen?

Neben GegnerInnen der Legalisierung gibt es auch Menschen, die für die Legalisierung sogar auf die Straße gehen.

Wann genau es so weit sein wird und der Verkauf und Konsum von Cannabis endgültig legal ist, ist noch ungewiss. Klar ist jedoch: Die Meinungen zu einer Cannabis-Legalisierung gehen stark auseinander und der öffentliche Diskurs muss weiter geführt werden.

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