Lokal statt global – Hofläden aus der Region

Regionale und nachhaltige Produkte sind gefragter als je zuvor. Diese Entwicklung nutzen die LandwirtInnen und verkaufen in eigenen Hofläden Lebensmittel direkt an die VerbraucherInnen. Welche Herausforderungen bringt das mit sich?

Früh morgens um 07:00 Uhr geht es los. Die Regale werden mit Produkten aus dem Kühlhaus oder frisch geernteten Feldfrüchten gefüllt. Es riecht nach Obst und selbst gekochter Marmelade. Die erste Kundschaft steht vor dem Laden, die Tür wird aufgeschlossen.

Familie Riess aus Geitelde bei Braunschweig hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Seit drei Generationen führen sie einen Landwirtschaftsbetrieb. Angefangen haben sie mit Viehhaltung, es folgte das erste Erdbeerfeld und eine Apfelplantage zum Selbstpflücken. „Selbstpflücken war am Anfang das Nonplusultra, jedoch ist dies nicht das ganze Jahr möglich“, stellt Renate Riess fest. So kam die Idee für einen Hofladen auf, der schnell zu großer Beliebtheit führte.

So wie Familie Riess geht es vielen HofladenbesitzerInnen. Die Nachfrage nach Produkten aus lokaler Produktion nimmt stetig zu. Niedersachsen verzeichnet mittlerweile rund 2.000 Betriebe, die in diesem Bereich tätig sind. Davon betreiben etwa 75 Prozent einen Hofladen, so Elke Sandfoß, Beraterin bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Bei Höfen, die über eine größere Produktpalette verfügen, bietet sich der Hofladen als festes Standbein an. So verzeichnet Familie Meyer durch den Hofladen mit großer Fleischtheke mittlerweile einen größeren Umsatz als mit der konventionellen Landwirtschaft.

Bis in die 1980er-Jahre gab es zwar einzelne Betriebe, die einen kleinen Verkaufsstand am Hof hatten oder etwas an die Nachbarn verkauften, aber das war von der Direktvermarktung im heutigen Sinne weit entfernt.

Anfang der 1990er-Jahre wandelte sich das Bild: Die Erzeugerpreise sanken und die LandwirtInnen mussten sich nach Alternativen umsehen. Den Hofläden als weiteres Standbein, wurde ein höherer Wert zugesprochen.

Regionalität als wichtiger Faktor für die Transparenz

Immer mehr Menschen wollen wissen, wo ihre Lebensmittel herkommen und wie sie entstehen, so Elke Sandfoß. Hierbei wird von gläserner Produktion gesprochen. Sie interessieren sich dafür, ob die Kartoffeln vom Acker nebenan oder aus Ägypten kommen. Durch kurze Transportwege und die Möglichkeit, sich direkt über den Anbau zu informieren, wird Authentizität und Vertrauen geschaffen. Die meisten Hofläden bieten ihrer Kundschaft an, die Felder, Plantagen und Ställe selbst zu besuchen, um sich ein Bild von den Bedingungen zu machen. Das schätzen die KundInnen, genauso wie die persönliche Beratung und die Gespräche zwischen Tür und Angel. „Hier wird noch nachgefragt, was die Enkel machen und wie es dem Knie geht. Das zeichnet einen Hofladen aus!“, meint Renate Riess.

Aufgrund der kleineren Produktion und den besseren Arbeits- und Haltungsbedingungen sind die Produktpreise in einem Hofladen meist teurer als bei einem Discounter. Das können sich viele Familien nicht dauerhaft leisten, weswegen sie nur bestimmte Produkte oder einmal pro Monat dort einkaufen, sagt Renate Riess. Oft wird daraus ein Familienausflug. Frisches Obst, Gemüse oder schon verarbeitetes Fleisch kommen am besten an. Der Bevölkerung fehlt oft das Wissen oder die Zeit, die Produkte selbst zu verarbeiten. Elke Sandfoß sieht hierbei eine Chance für die LandwirtInnen. Sie können sich weiter profilieren, indem sie die Produkte veredeln, damit sie Waren in ihr Sortiment aufnehmen können, die direkt zum Verzehr geeignet sind.

Wie viel kosten zehn Eier den Verbraucher?

Discounter: Bodenhaltung: 1,40 Euro / Freilandhaltung: 1,80 Euro / Bio-Eier: 2,50 bis 3,00 Euro

Direktvermarktung: 3,50 bis 4,00 Euro

Die Herausforderungen der HofladenbesitzerInnen hierbei liegen in den gesetzlichen Grundlagen. Es müssen in der Regel die gleichen Anforderungen erfüllt werden, wie bei Discounterketten oder dem Einzelhandel. Besonders die sich immer ändernden Anforderungen von Veterinärämtern und die Kennzeichnungspflicht sind zu beachten. Sofern eine Veredlung stattfindet, müssen aufwändige Angaben auf dem Produkt vermerkt sein. Jede Marmelade benötigt unter anderem ein Etikett mit den genauen Zutaten, der Chargennummer, dem Abfüll- und Mindesthaltbarkeitsdatum und der Firmenanschrift.

Die Ambivalenz der Corona-Pandemie

Im Vergleich zum Vorjahr hat sich bei den Regelungen nicht viel geändert: Desinfektion, Schutzwände und Personenbeschränkungen. Die Corona-Pandemie beschert Renate Riess viele Stunden vor den Aktenordnern und dem Computer. Schon im zweiten Jahr in Folge macht sie sich Gedanken über die nächsten Monate auf ihrem Betrieb: „Werden wir genug Saisonkräfte zusammenbekommen? Darf unser Stammpersonal aus Polen anreisen? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?“

Hinzu kommt, dass die Veranstaltungen und die Gastronomie als großer Absatzmarkt nahezu vollständig wegfallen. Die PrivatkundInnen gleichen dies jedoch aus. Durch die Pandemie stieg der Endverbraucherumsatz um 20 bis 35 Prozent, so Elke Sandfoß. Die Bevölkerung befindet sich in Kurzarbeit oder arbeitet von zu Hause. Die Folge: Keine Besuche im Restaurant oder in der Kantine – mehr Zeit zum Kochen. Die erhöhte Nachfrage nach den Produkten der Hofläden war „wie ein zweites Weihnachtsfest“, sagt Elke Sandfoß. Diesen Eindruck kann Henrik Hagemann, Besitzer eines Hofladens in Salzgitter, bestätigen: „Viele neue Gesichter. Wir hatten sogar das Problem, dass wir ausverkauft waren. Wir haben nur eine begrenzte Produktionskapazität, die wir nicht von jetzt auf gleich steigern können.“

Bei einem Thema sind sich alle einig: Sie hoffen, dass die hohe Nachfrage auch nach der Pandemie bestehen bleibt und die Bevölkerung weiter auf die Regionalität ihrer eingekauften Lebensmittel achtet.

Steckbriefe zu Hofläden in der Nähe der Ostfalia

Name: Obsthof Riess

Gründung: Betrieb seit drei Generationen, Hofladen seit 1992

Produkte: diverse Obstsorten, auch als Marmelade und Saft, Gemüse, Honig und Kartoffeln

Kernprodukt: 500g Erdbeeren für 4,20 Euro, 1kg Äpfel für 2,50 bis 2,90 Euro

Besonderheiten: Selbstpflücke, Apfelfest

Lage: Geiteldestraße 75, 38122 Braunschweig

„Durch ein Windrad, ein großes Wasserbassin und Photovoltaikanlagen sind wir komplett autark.“

Name: Hofladen Hagemann

Gründung: Hof seit drei Generationen, Hofladen seit 2016

Produkte: Kartoffeln, Kürbisse, Weidehähnchen und -schweine, Eier

Kernprodukt: M-Eier für 3,50 Euro

Besonderheiten: Freilandhaltung & Selbstverkauf

Lage: Auf der Graube 1, 38229 Salzgitter-Engelnstedt

„Durch die mobilen Ställe sind die Tiere die ganze Zeit im Grünen und die Böden werden geschont.“

Name: Hofladen Meyer

Gründung: Betrieb seit fünf Generationen, Hofladen seit 1999

Produkte: Alles vom Schwein, Rind, Heidschnucke, Geflügel, sowie Eier und Gemüse

Kernprodukt: 1kg Nackensteak für 12,99 Euro

Besonderheiten: Freilandhaltung & Frischetheke, auch mit eigenem Schlachter

Lage: Am Grasplatz 4, 38112 Braunschweig

„Da wir nur selbsterzeugtes Futter verwenden, haben wir die Kontrolle darüber, dass keine unerlaubten Substanzen (Fütterungsantibiotika, genmanipulierte Futtermittel usw.) in das Futter gelangen.“

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