Fünf Jahre ohne Social Media. Das mag für viele wie eine Strafe klingen, ist für mich aber Normalität geworden – ganz freiwillig. Außer WhatsApp findet sich keine solcher Apps auf meinem Handy. Doch jetzt breche ich diese Normalität für eine anstehende Prüfungsleistung. Die für mich ungewohnte Situation werde ich begleiten und meine Gedanken dabei festhalten.
Tag 1
Ich habe die App installiert und einen Account erstellt. Allerdings habe ich sie dann im Laufe des Tages vergessen. Für die kommenden Tage sind die Mitteilungen aktiviert, damit ich Instagram auch wirklich nutze.
Tag 2
Heute bin ich zuerst meinen engsten Freunden gefolgt. Sie haben sich daran gewöhnt, dass ich nicht in den sozialen Medien aktiv bin. Teilweise kennen sie mich auch nur ohne. Daher kamen unter anderem folgende Reaktionen:
Trotz meiner Erklärung, dass ich Instagram für ein Projekt brauche, sind sie verwundert. Ich schaue mir ihre Profile an – Storys, Posts und Highlights. Das meiste was ich sehe: Essen. Mal die andere Seite zu sehen ist ganz interessant. Sonst bin ich dabei, wenn die Bilder entstehen. Jetzt sehe ich sie auf Instagram. Angucken muss ich mir das aber nicht unbedingt.
Tag 3
Mein Ziel heute: Influencer verfolgen. Ich habe bei meinen Freunden nachgefragt, wem sie so folgen und scrolle dann immer wieder durch die Profile. Zugegebenermaßen packt es mich nicht so richtig. Ich sehe nur Frühstückbowls, Outfits und Hauls. Für mich ist das irgendwie langweilig. Eigentlich sind es ja Fremde, die man sich da anguckt. Was da also der Reiz ist, versuche ich noch herauszufinden.
Tag 4
Heute ist ein sonniger Tag. Ich bin mit meinen Freunden in der Altstadt von Hannover spazieren. Wir trinken Kaffee und genießen das Wetter. Wieder Mal keine Zeit für Instagram. Oder wäre gerade das der richtige Zeitpunkt? Meine Freundin zückt ihr Handy und macht einen Boomerang von ihrem Coffee-to-go – ganz automatisch. Mein erster Gedanke hingegen: „Hoffentlich schmeckt der Kaffee“. Ich habe dieses Mitteilungsbedürfnis anscheinend nicht.
Tag 5
Für das besagte Projekt werden Daten von Instagramaccounts erhoben. Ich sitze also einige Stunden daran und schaue mir sämtliche Accounts von mehr oder weniger bekannten Personen an. Dabei fällt mir auf, wie viel täglich gepostet wird, sei es im Feed oder in der Story – irgendwie ermüdend. Erschreckend ist aber, wie schnell sich der Algorithmus anpasst. Nach kürzester Zeit ist meine Explore-Seite voll mit der Sportart, über die ich recherchiere.
Tag 6
Heute nehme ich mir vor, selbst etwas zu posten. Irgendwas in mir sträubt sich aber total dagegen. Ich habe immer gesagt, dass Social Media nicht zu mir passt. Vielleicht war es mir aus diesem Grund peinlich? Ich gucke mir zwar mittlerweile die Storys meiner Freunde gerne an, aber ich habe das Gefühl, meine Beiträge wären nicht wichtig genug. Vielleicht liegt es also daran und nicht am mangelnden Mitteilungsbedürfnis.
Tag 7
Der Wecker klingelt. Ich greife zum Handy und öffne Instagram – ganz automatisch. Ich sehe durch meine Nachrichten und gucke die Storys von meinen Freunden. Influencer reizen mich immer noch nicht, sie langweilen mich eher. Die viele Werbung nervt, im Fernsehen schalte ich sie ja auch weg. Und auch das angeblich so Authentische, was die Influencer nahbar machen soll, geht dadurch für mich total verloren.
Eine Woche ist nun vergangen. Mein Tagesdurchschnitt der gesamten Woche war 57 Minuten, was durch den einen langen Tag zu rechtfertigen ist. Meine private Nutzung der anderen Tage beläuft sich auf durchschnittlich 33 Minuten. Es hat sich mit jedem Tag ein bisschen Normalität eingeschlichen, was mir erst rückblickend aufgefallen ist. Ich hatte nie so wirklich ein Verständnis für die exzessive Nutzung von Social Media. Das habe ich auch bis heute nicht. Allerdings ist es, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben, schon eine große Hilfe. Zumindest hat mich die App so weit überzeugt, dass ich sie vorerst auf meinem Handy behalte.