PCOS – die unbekannte Krankheit

Das polyzystische Ovar Syndrom, kurz PCOS, ist eine der häufigsten Stoffwechselstörungen geschlechtsreifer Frauen. Dennoch bleibt sie häufig lange unentdeckt. Oftmals dauert es Jahre bis betroffene Frauen eine Diagnose bekommen. Unsere Autorin Liza spricht im Podcast mit zwei Betroffenen.

Julia ist 21 Jahre alt und Studentin. Nachdem sie ihre Pille absetzte, blieb ihre Regelblutung aus. Julia ging daraufhin zu ihrer Frauenärztin. Lange konnte nichts gefunden werden. Erst vor wenigen Monaten bekam sie ihre endgültige Diagnose. Im Podcast erzählt Julia die Geschichte ihrer Diagnose und berichtet, wie sie heute mit ihrer Erkrankung umgeht.

Trotz ihrer Diagnose lässt Julia sich ihren Optimismus also nicht nehmen. Ähnlich wie Julia machte sich auch Paula ihr Leben lang keine Gedanken über ihre Periode, geschweige denn ihren Körper. Sie war rundum gesund, glücklich und selbstbewusst. Ihr Leben schien perfekt. Paula hatte gute Noten in der Schule, sie bekam ihre Periode stets pünktlich und auch sonst gab es keine weiteren Probleme. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich das schlagartig änderte. Innerhalb von acht Monaten nahm sie scheinbar ohne Grund 20 Kilogramm zu, bekam eine schlechte Haut und ihre Periode setzte komplett aus. Sie war 17 Jahre alt, als PCOS bei ihr diagnostiziert wurde.

Das PCO-Syndrom ist eine der häufigsten Stoffwechselstörungen, an der Frauen im geschlechtsreifen Alter erkranken. Ebenfalls ist das PCOS einer der häufigsten Gründe für einen unerfüllten Kinderwunsch. Dabei sind etwa fünf bis acht Prozent aller Frauen weltweit betroffen. Laut der PCOS Selbsthilfe Deutschland e.V. sind es allein in der Bundesrepublik rund eine Million Frauen. Es handelt sich bei der Erkrankung um eine Störung im hormonellen Regelkreis der Frau, bei der viele verschiedene Symptome vorliegen. Dabei werden besonders die männlichen Hormone, sogenannte Androgene, übermäßig produziert.

Bei einem Großteil der PCOS-Betroffenen kommt es zu einer Vergrößerung des Eierstocks durch Zystenbildungen. Die Ursache ist eine Reifung vieler Eizellen, bei denen es allerdings nicht zum Eisprung kommt. Diese Reifung findet dann in Follikeln, sogenannten Eibläschen, statt. „Diese Eibläschen sind ganz klein, im Durschnitt unter 10 Millimeter groß“, so Sabine Segerer, Fachärztin für Gynäkologische Endokrinologie. Beim PCOS bleiben die Eizellen aber aufgrund des ausbleibenden Eisprungs im Follikel und somit innerhalb des Eierstocks. Der Follikel kann sich dadurch zystenartig vergrößern. Aus diesem Grund spricht man auch von einem polyzystischen Eierstock.

Normale Eierstöcke im Vergleich zu polyzystischen Eierstöcken. (Quelle: Liza Leipold)

Das Problem dieses Krankheitsbildes ist die unzureichende Forschung. Bislang sind die tatsächlichen Ursachen für das PCOS nicht erklärbar. Es wird davon ausgegangen, dass das PCOS durch eine Mischung von genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen ausgelöst wird. Auf die Frage, ob das PCO-Syndrom vererbbar ist, gibt es ebenfalls keine konkrete Antwort.

Typische Symptome von PCOS Betroffenen. (Quelle: Liza Leipold)

Die Krankheit äußert sich von Frau zu Frau unterschiedlich – eindeutige Symptome gibt es also nicht. Doch die Liste der möglichen Symptome ist lang. In Deutschland sind etwa 70 Prozent der PCOS-Patientinnen übergewichtig oder adipös. Ein Großteil weist zudem eine Insulinresistenz auf. Weitere häufig auftretend Symptome sind vor allem eine unregelmäßige oder ausbleibende Periode (Amenorrhoe), polyzystische Eierstöcke, vermehrte Körperbehaarung an unüblichen Stellen bis hin zu Hirsutismus sowie Akne und Haarausfall. Von Hirsutismus wird gesprochen, wenn Frauen an Stellen des Körpers stark behaart sind, die typisch für Männer sind. Frauen, die an PCOS leiden, haben öfter ein erhöhtes Risiko an Diabetes Mellitus Typ II zu erkranken. Zu den Risiken des PCOS zählen ein erhöhter Bluthochdruck, Arterienverkalkungen, ein Metabolisches Syndrom oder auch Gebärmutterkrebs. Unter dem Metabolischen Syndrom wird eine Kombination verschiedener Risikofaktoren wie etwa Übergewicht, erhöhte Blutzuckerwerte, Blutfettwerte und Blutdruckwerte verstanden. Diese erhöhten Werte sind deshalb besonders gefährlich, da Veränderungen an Blutgefäßen entstehen, die zu Durchblutungsstörungen und bleibenden Schäden an lebenswichtigen Organen, wie dem Herz oder dem Gehirn, führen können. Im schlimmsten Fall endet dies tödlich.

Aber nicht nur die äußerlichen Erscheinungen und Veränderungen, die mit der Krankheit einhergehen, erhöhen den Leidensdruck der Frauen. Besonders die psychosoziale Gesundheit der Betroffenen kann stark darunter leiden. „Ich brauchte eine lange Zeit, um mich so akzeptieren zu können, wie ich nun aussehe. Ich habe mich meiner Weiblichkeit beraubt gefühlt. An manchen Tagen geht es mir besser, an anderen schlechter“, so Paula.

Die Frage, ob sich die Krankheit auf die Psyche der Betroffenen auswirken kann, lasse sich eindeutig bejahen. „Es kann bis hin zu Traurigkeit, dem Gefühl von Leere, Depressionen, Angst-, Ess- und Schlafstörungen führen“, so die Psychologin Iris Böttcher-Schmidt. Besonders die Weiblichkeit und das Selbstwertgefühl der Frau seien bei PCOS betroffen, was auch ein starkes Schamgefühl hervorrufen könne. „Das führt dazu, dass Frauen oft in Isolation gehen, nicht darüber reden, es ihnen gar peinlich ist“, erklärt die Psychologin weiter.

Die diagnostischen Verfahren haben sich in den letzten Jahren weiter verändert. Derzeit spricht man von einem PCOS, wenn mindestens zwei der drei folgenden Kriterien bei der Frau vorliegen:

Drei Kriterien, die bei der Diagnose des PCOS entscheidend sind. (Quelle: Liza Leipold)

Für die Diagnose ist eine Reihe an umfangreichen Untersuchungen notwendig. Im ersten Schritt erfolgt ein ausführliches Gespräch (Anamnese) mit der Ärztin oder dem Arzt. Hierbei werden zuerst Fragen geklärt wie: Wie regelmäßig ist die Monatsblutung? Gibt es Gewichts- oder Hautprobleme? Besteht ein Kinderwunsch? Gibt es familiäre Vorgeschichten? Außerdem wird der Körper allgemein untersucht. Dafür werden das Körpergewicht und der Blutdruck gemessen. Im nächsten Schritt folgt die vaginale Ultraschalluntersuchung. Hierbei kann die Ärztin oder der Arzt feststellen, ob polyzystische Eierstöcke erkennbar sind. Auch werden die Hormone mittels einer Blutabnahme bestimmt, um eine sichere Diagnose stellen zu können. Oftmals dauert es jedoch eine lange Zeit bis Betroffene eine Diagnose bekommen. „Wir vermuten es liegt daran, dass es so unterschiedliche Symptome des Syndroms gibt, die die Diagnose so schwierig machen. Das Gesamtbild zu erfassen ist erschwert“, so Kerstin Futterer, Vorstandvorsitzende der PCOS Selbsthilfe Deutschland e.V.

Für viele Betroffene ist die Diagnose jedoch eine große Erleichterung. „Endlich wusste ich, was nicht mit mir stimmt“, erzählt Paula. Doch nach der Diagnose folgt die Therapie. Diese richtet sich nach den individuellen Symptomen der Betroffenen und der Frage, ob ein Kinderwunsch besteht oder nicht. „Meine Frauenärztin leitete mich zu der Diabetologie weiter, ich wurde dort auf eine Insulinresistenz getestet. Zum Glück war diese nur ganz leicht“, sagt Paula. Besonders den Betroffenen mit Übergewicht wird häufig dazu geraten abzunehmen. Dies ist allerdings auf Grund des gestörten Hormonhaushalts nicht einfach. „Ich schaffe es nur sehr schwer abzunehmen, es ist echt frustrierend“, so Paula. Manchmal kommen bei PCOS auch Antidiabetika, wie Metformin, zum Einsatz. Der Wirkstoff Metformin kann die Wirkung des Insulins verbessern, sodass der Blutzucker besser abgebaut werden kann. Regelmäßige Bewegung und eine ausgewogene Ernährung werden aber in jedem Fall empfohlen.

Besonders der Austausch mit anderen Betroffenen kann helfen, besser mit der Krankheit umzugehen. „Sinnvoll können auch Selbsthilfegruppen für Frauen mit PCOS sein, damit das Schweigen und die Scham durchbrochen werden können und die betroffenen Frauen sich nicht mehr so allein fühlen und Erfahrungen von anderen Betroffenen mitgeteilt bekommen“, rät Iris Böttcher-Schmidt. Hat sich eine psychische Erkrankung jedoch bereits manifestiert, bedürfe es zusätzlich psychotherapeutischer Hilfe.

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