Plasmaspende – kleiner Aufwand, große Wirkung

Was tun, wenn der Körper nicht so funktioniert, wie er sollte? In Deutschland leiden rund 10.000 Menschen an einem Immundefekt und sind auf Plasmaspenden angewiesen. Wie läuft so eine Spende ab und welche Vorteile haben Spender und Empfänger?

Gutes tun und einen Beitrag zu leisten, kann viele verschiedene Facetten haben. Etwas zu spenden bedeutet, einem anderen Menschen etwas zu schenken, was dieser möglicherweise dringender benötigt als man selbst. Materielle Dinge wie ein Dach über dem Kopf, Klamotten oder genug Geld im Portemonnaie zum Einkaufen werden meist als selbstverständlich angesehen.  Ebenso wie die körperliche Gesundheit. Im Winter wird sich dick angezogen und den Rest übernimmt das Immunsystem. Natürlich kommt es vor, dass man sich trotzdem mal einen Schnupfen oder eine Grippe einfängt, aber in den meisten Fällen ist die körpereigene Abwehr dazu fähig, Krankheitserreger fernzuhalten.

Für den 25-jährigen Christoph Mählmann ist körperliche Gesundheit überhaupt nicht selbstverständlich. Der Elektroingenieur und begeisterte Triathlon-Teilnehmer leidet unter einem angeborenen Immundefekt. Sein Immunsystem kann den wichtigsten Schritt, um seinen Körper vor Krankheiten zu schützen, nicht vornehmen. Christophs Körper ist nicht in der Lage, Antikörper zu produzieren.

Die Immunabwehr eines gesunden Menschen funktioniert bildlich gesehen wie die Verteidigung einer Festung. Um überhaupt in das Innere des Körpers zu gelangen, müssen Eindringlinge zuerst an der Haut und den Schleimhäuten vorbei. Daran scheitern bereits viele von ihnen. Gelingt es jedoch trotzdem, stehen im Inneren des Körpers zwei Truppen zur Bekämpfung bereit: Die unspezifische Abwehr und die spezifische Abwehr.  Die unspezifische Abwehr ist angeboren und kommt unter anderem bei Fremdkörpern oder Verletzungen zum Einsatz. Diese Form ist jedoch nicht in der Lage alle Krankheitserreger und deren Verbreitung zu verhindern. Die spezifische Abwehr identifiziert Erreger und schaltet diese gezielt aus. Die Aufgabe dieser sogenannten B-Zellen ist es, mit Hilfe von Plasmazellen Antikörper, auch Immunglobuline genannt, zu produzieren. Immunglobuline sind lösliche Eiweiße, die im Blut schwimmende Erreger erkennen und eliminieren. Sie sind unter anderem für die Abwehr von Viren, Tumorzellen und Parasiten zuständig. Ohne Antikörper können diese Erreger nicht aufgehalten und bekämpft werden. Somit sind Menschen mit einem Immundefekt viel anfälliger für Krankheiten als Menschen mit einem intakten Immunsystem.

 

Ein langer Weg zur Diagnose

Christoph kann dank Medikamenten am Triathlon teilnehmen. (Quelle: Christoph Mählman)

Erste Anzeichen traten bei Christoph bereits mit neun Monaten auf. Er lag schwer krank im Krankenhaus. Ob er überleben würde, war nicht klar. Die Ärzte könnten sich aber nicht erklären, warum der kleine Patient immer wieder schwere Infektionen bekam, die ihn stark gefährdeten. Unter anderem bestand der Verdacht auf Leukämie, jedoch konnte keine sichere Diagnose gestellt werden. Dass kein Medikament anschlug, machte die Situation für Christophs Eltern zu einer Nervenzerreißprobe. Es dauert sechs Monate, bis er zu dem Arzt überwiesen wurde, der alles für ihn ändern sollte.

Michael Borte, Spezialist für Immunologie und Infektiologie bei Kindern und Jugendlichen, testete den Immunglobulin-G–Spiegel (IgG) des damals 15 Monate alten Christophs. Sein IgG-Wert war sehr niedrig, was auf die fehlende Produktion von Antikörpern hinwies. Die Diagnose lautete: Primärer Immundefekt. Schuld daran ist eine Mutation des Gens, welches die Entwicklung der B-Zellen steuert. ,,Wir hätten Glück gehabt, sagte der Arzt damals zu meinen Eltern. Noch vor 25 Jahren gab es keine Therapiemöglichkeit und ich wäre gestorben“, erinnert sich Christoph. Heutzutage kann diese Krankheit aber therapiert werden. Christophs Medikament enthält die Antikörper, die seine B-Zellen nicht selbst produzieren können. Diese können jedoch nicht synthetisch hergestellt werden, weswegen die Pharmazie auf Plasmaspenden angewiesen ist.

Wie läuft eine Plasmaspende ab?

Das Spenden von Vollblut ist bereits vielen Menschen bekannt. Bei einer Plasmaspende werden, im Gegensatz zur Blutspende, jedoch die festen Blutbestandteile von den flüssigen, dem Blutplasma, getrennt und dem Körper wieder zugeführt. Dieser Vorgang ist wesentlich schonender als eine Vollblutspende. Die entnommenen Proteine kann der Körper schnell wieder nachbilden. Deswegen ist eine Plasmaspende auch viel häufiger möglich als eine Blutspende. Je nachdem wie schnell der Körper die entnommene Substanz nachbilden kann, sollte aber ein Abstand von mindestens zwei zwischen den Spenden eingehalten werden.  

Die Spendentauglichkeit für eine Plasmaspende wird bei der Anmeldung sorgfältig geprüft. Es gibt einige Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um als Spender in Frage zu kommen. Man muss volljährig sein und außerdem ist ein Körpergewicht von mindestens 50 Kilogramm notwendig. Bei der Anmeldung werden die Personalien aufgenommen und ein Fragebogen zu akuten sowie früheren Erkrankungen muss ausgefüllt werden. Denn bestimmte Vorerkrankungen oder Medikamente können Grund für einen Ausschluss als Spender sein.Außerdem werden Größe, Körpergewicht, Blutdruck bestimmt und die Körpertemperatur gemessen. Als letztes wird eine Blutprobe entnommen und die Blutwerte untersucht, was einige Tage in Anspruch nehmen kann. Liegt das Ergebnis vor, erfährt man, ob man als spendentauglich eingestuft wird oder nicht. Falls ja, kann es direkt mit der ersten Spende losgehen. Falls nicht, hat man einen kostenlosen Gesundheitscheck bekommen.

Wer gespendet hat, bekommt im Anschluss eine Aufwandsentschädigung. Diese hängt von der Menge des Plasmas ab, die entnommen wird. Je nach Körpergewicht kann ein Spender 650, 750 oder 850ml abgeben und dabei bis zu 25 Euro ,,verdienen“. Hinzu kommen häufig Bonusaktionen, wie beispielsweise fünf Euro mehr für die ersten zehn Spenden oder die Teilnahme an einer Verlosung. Auf die Frage, was Christoph jemandem sagen würde, der überlegt Blutplasma spenden zu gehen, antwortet er schmunzelnd: ,,Ich würde fragen, warum er überlegt.“ 

Plasma als lebenswichtige Substanz

Blutplasma enthält neben Antikörpern auch Gerinnungsfaktoren und weitere Proteine, die lebenswichtig sind. Diese werden beispielsweise in der Notfallambulanz zum Verschließen von Wunden, oder wie in Christophs Fall, für chronische Krankheiten gebraucht. Für Christoph begann nach der Diagnose eine intravenöse Therapie. Jeden Monat wurden ihm dafür im Krankenhaus die fehlenden Antikörper verabreicht. Eine Sitzung dauerte dabei etwa fünf Stunden. Seine Eltern nahmen sich dafür extra Urlaub und Christoph konnte nicht in die Schule gehen. Doch das änderte sich 2002 mit der Umstellung auf die Subkutantherapie, die es Patienten möglich macht, die Antikörper von zu Hause aus zuzuführen. Anfangs übernahmen das Christophs Eltern, mittlerweile spritzt er sich sein Medikament selbst. Dieser Vorgang dauert ebenfalls ungefähr fünf Stunden, in denen er sich dank eine tragbare Pumpe aber frei bewegen kann.

Neben seinem Job und dem Training für den Triathlon, engagiert Christoph sich außerdem in seiner Freizeit in der dsai. Die dsai ist eine Patientenorganisation für angeborene Immundefekte, die sich für unter anderem Betroffene und Angehörige einsetzt. Die Organisation klärt über die Krankheit auf, was nicht nur für Patienten wichtig und hilfreich ist, sondern auch für Ärzte. Auf ärztlichen Fortbildungen werden Kenntnisse verschiedener Ausprägungen von Immundefekten weitergegeben, um den Leidensweg von Patienten zu verkürzen und eine schnelle Diagnose zu stellen. ,,Leider dauert es manchmal trotz deutlicher Anzeichen und modernster Technik lange, einen Immundefekt festzustellen. Gerade deswegen ist es wichtig, auf die Krankheit aufmerksam zu machen und Patienten Gehör zu verschaffen“, so Christoph.

Gute Aussichten für die Zukunft

Für Christoph und seine Eltern war es ein langer Weg zu seiner Diagnose. Erst Michael Borte konnte ihnen helfen. Um derartig langen Wege bis zur endgültigen Diagnose zukünftig zu verhindern, wird seit 2013 an einer neuen Methode im Rahmen des Neugeborenenscreenings geforscht. Das Neugeborenenscreening ist ein national entwickeltes Programm, um Neugeborene auf angeborene Erkrankungen wie Hormon – und Stoffwechselkrankheiten zu untersuchen. Seit August 2019 kann der dieser Test bundesweit eingesetzt werden. Durch ein früheres Erkennen der Krankheit können die nächsten Schritte zur Behandlung schneller eingeleitet werden, um Neugeborenen eine gute Lebensqualität zu sichern. Auch Christoph kann dank der passenden Therapie ein erfülltes Leben ohne maßgebliche Einschränkungen führen.

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