Wirtschaftspsychologie war für Carina der Wunschstudiengang. Doch mit einem NC von 2,8 schien der Traum unerreichbar zu sein. Aufgrund der großen Nachfrage, liegt der NC bei staatlichen Universitäten und Fachhochschulen im Einser-Bereich. Ihre einzige Möglichkeit: Das Studium an einer privaten Hochschule zu beginnen, mit Studiengebühren zwischen 600 bis 800 Euro monatlich. Die Hälfte davon reicht an staatlichen Hochschulen meist für ein ganzes Semester.
Mehr als jede vierte Hochschule ist privat
Laut dem Verband der privaten Hochschulen e.V. gibt es zurzeit 432 Hochschulen in Deutschland, wovon 124 in privater Trägerschaft geführt werden. Doch nur 14 davon dürfen sich Universität nennen und erhalten das Promotionsrecht. Sie legen den Schwerpunkt auf Forschung und Wissenschaft. Bekannte Vertreter sind die Universität Witten/Herdecke, die WHU in Vallendar, die Jacobs University Bremen sowie die Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. Bei den privaten Hochschulen hat sich die Zahl in den vergangenen 10 Jahren verdoppelt. Zum Vergleich: 1945 waren es lediglich vier. Doch was macht die privaten so erfolgreich und warum zahlen Studierende dort bis zu 30.000 Euro für ihr Studium?
Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) ging dieser Frage nach und legte in seinem Bericht vom Februar 2017 die Erfolgsgeheimnisse privater Hochschulen dar. Die privaten setzen besonders auf klar definierte Zielgruppen und nutzen die Nische, die von den staatlichen nicht ausreichend ausgefüllt wird. Dazu gehören vor allem flexible Angebote, wie Teilzeit- und Fernstudiengänge oder berufsbegleitende Studiengänge. Auch wird die Zielorientierung des Studiums klar benannt und ein Studienerfolg mit den daraus resultierenden Vorteilen wird kommuniziert. Mojtaba Sadinam sieht diese Zielorientierung kritisch. Er selbst studierte zwei Jahre an der WHU in Vallendar. „Bei uns traten Dozenten vor den versammelten Jahrgang und behaupten unbekümmert: ‘Ihr seid hier, weil ihr reich werden wollt‘. Und als das geeignetste Mittel dafür werden Investmentbanken oder Unternehmensberatungen dargestellt. Sie fahren mit dicken Autos über den Campus und bringen junge Leute in teuren Anzügen mit, die für das Unternehmen werben sollen.“
Privat ist nicht gleich privat
Doch die private Hochschullandschaft in Deutschland ist sehr vielfältig. Der Stifterverband hat in Kooperation mit McKinsey & Company eine Studie über die Rolle und Zukunft privater Hochschulen betrieben und diesen bestimmten Typen zugeordnet. Auf der einen Seite stehen dort die Universitäten, die in der Öffentlichkeit oft als deutsche Oxford, Cambridge oder Harvard gesehen werden. Dazu zählen die WHU in Vallendar, die Uni Witten/Herdecke oder auch die Bucerius Law School. „Diese sind hoch selektiv, erheben hohe Studiengebühren, verfügen aber nur über ein sehr eingeschränktes Fächerspektrum und dürfen sich aufgrund des Forschungsanspruches Universität nennen“, erzählt Andrea Frank vom Stifterverband. Doch die Realität zeigt, dass die Studierenden dort eine Minderheit bilden. Auf der anderen Seite ist die private Hochschullandschaft 90 Prozent fachhochschulisch geprägt, wie die Studie zeigt. Diese Hochschulen bieten eher nachfrageorientierte Studiengänge an, die sie über die Gebühren finanzieren müssen.
Nachfrageorientiert heißt aber nicht, was der Arbeitsmarkt nachfragt, sondern was die Studierenden nachfragen. „Das finde ich nicht sonderlich nachhaltig und intelligent“, so Professor Boris Blechschmidt. Er lehrt heute an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften. Davor war neun Monate als Professor für Online-Marketing an der International School of Management angestellt, einer privaten Hochschule in Hamburg. Der Studiengang Online-Marketing kam aber nicht sofort zustande, da es zu wenige Einschreibungen gab. „Mein Anspruch wäre dann, den Studiengang noch besser zu machen, damit sich mehr Leute dafür einschreiben. Aber nein – der Markt gibt es im Moment nicht her, also kommt der nächste Studiengang. Für mich ist das einfach eine riesengroße Vermarktungsmaschine.“
Individuelle Betreuung oder gute Selbstorganisation?
Man muss nur einen Blick auf die Google-Anzeigen der privaten Hochschulen werfen, die erscheinen, sobald man den Begriff Privatuni ins Suchfeld tippt. Alle werben für dasselbe: kleine Lerngruppen, individuelle Betreuung und Praxisnähe. Und genau das sind die drei Standbeine der privaten Hochschulen. Privatstudenten werden in kleinen Gruppe nicht nur besser gefördert, es besteht auch ein enges Verhältnis zu den Dozenten, die natürlich viel besser auf die Studierenden eingehen können.
Für Carina war dies einer der wichtigsten Punkte, ihr Studium an der Business School Berlin aufzunehmen: „Ich wollte einfach nicht nur eine Matrikelnummer auf dem Campus sein. Es war mir wichtig, dass ich die Möglichkeit habe, in direktem Austausch und Kontakt mit den Dozenten stehen zu können. Außerdem finde ich es in einer kleineren Gruppe angenehmer, da wir dort intensiver gefördert werden.“ Doch hier können böse Zungen lästern, dass ihnen alles vororganisiert wird und es sich für Leute anbietet, die Probleme haben, sich selbst zu motivieren. Genau dies bemängeln Personaler als die Schwäche der privaten im Uniranking der Zeitschrift Wirtschaftswoche. Dadurch, dass die Selbstorganisation weitestgehend wegfällt, fehle den Studierten im rauen Joballtag mitunter der Biss. Darin liegt vor allem für die vielen Studierenden an staatlichen Unis eine Chance.
Sophie ist eine von ca. 350 Studierenden, die im Wintersemester 2015/2016 ihr BWL-Studium an der Uni Hamburg aufgenommen hat. Sie hat volle Vorlesungssäle und der persönliche Kontakt mit den Dozenten fällt weg. Die Studierenden werden ihrem Schicksal überlassen. Sie müssen sich selbst organisieren, Durchsetzungsvermögen haben und sind stärker zur Eigeninitiative angetrieben. Genau diese Eigenschaften sind es, die man braucht, wenn man es später in eine Vorstandsetage schaffen möchte. Bei diesem Punkt wird schon ein wenig gegen die privaten Nachbarn gekontert. „Es wird sich um sehr viel gekümmert und ihnen vororganisiert, nur weil sie einen ordentlichen Batzen Geld bezahlen“, sagt Sophie. „Bei der Suche nach einem Praktikumsplatz sind wir auf uns alleine gestellt, da wir nicht über so ein großes Netzwerk und Kontakte wie die Privaten verfügen. Doch umso stolzer kann man sein, wenn man es ohne Hilfe in ein renommiertes Unternehmen geschafft hat.“
Eine Jobgarantie gibt es nicht
Teure Privat-Unis wollen mit ihrer Ausbildung auf Führungspositionen in Wirtschaft und Gesellschaft vorbereiten und werben damit, dass die Mehrheit ihrer Absolventen schon vor dem Uni-Abschluss einen Arbeitsvertrag habe. „Das stimmt auch“, sagt Mojtaba Sadinam. „Ist aber kein Wunder. Wir mussten in den sechs Semestern zwei Praktika machen. Außerdem waren fast jede Woche Unternehmensvertreter auf dem Campus und machten für sich Werbung. So wurden früh Beziehungen geknüpft. Schnell einen Job finden und möglichst viel verdienen – das ist anscheinend ihr Maßstab.“
Doch eine Jobgarantie gibt es auch für Absolventen von privaten Hochschule nicht. „Im Leben gibt es nirgendwo eine Garantie“, sagt Piret Lees vom Verband der privaten Hochschulen e.V. „Trotzdem sind sie für das Berufsleben besser vorbereitet und besonders die Career Center der Hochschulen unterstützen die Studierenden während des Studiums und bei der Jobsuche.“ So ist die Durchfall- und Abbruchquote an privaten deutlich geringer als an staatlichen. Bei den staatlichen Hochschulen liegt sie bei 21 Prozent, bei den privaten hingegen bei rund 7,8 Prozent, erzählt Piret Lees. Faktoren wie kleinere Gruppen, intensivere Betreuung und Anwesenheitspflicht spielen da eine große Rolle. Letzteres führt natürlich dazu, dass Studierende nicht erst vor der Klausur auftauchen, sondern das ganze Semester an allen Vorlesungen teilnehmen und so den Stoff mitbekommen.
Das Uniranking der Wirtschaftswoche zeigt, auf welche Qualifikationen Personaler besonders achten. Nur 24,5 Prozent der Personaler achten auf die Hochschule des Bewerbers. Viel wichtiger und damit auf Platz 1 steht mit 77,9 Prozent die Persönlichkeit des Bewerbers. Da besonders bei den privaten Hochschulen der Elitegedanke auf dem Campus weit verbreitet ist, besteht die Gefahr beim Bewerbungsgespräch arrogant zu wirken, was für die Karriere sicherlich nicht förderlich ist. Auf Platz 2 steht die Praxiserfahrung mit 69,8 Prozent und sehr gute Englischkenntnisse landen mit 52,1 Prozent auf Platz 3. Frau Hundeshagen, Personalreferentin beim Carlsen Verlag in Hamburg, sagt dazu: „Die Chancen, ob eine Bewerbung bei uns erfolgreich ist, hängt individuell von den Bewerbern selbst ab und seiner ganz persönlichen Kompatibilität mit der jeweiligen Stelle.“ Persönlichkeit und Qualifikation sind hier die Schlüsseleigenschaften.
„Elite“ gibt es auch bei staatlichen Hochschulen
Doch bei der ganzen Betrachtung der privaten Hochschulen, die von der Öffentlichkeit oft als Elite-Unis betitelt werden, darf der Blick nicht auf die staatlichen Nachbarn fehlen. Besonders die staatlichen Universitäten sollen in Deutschland mehr gefördert werden, um auch die Vorsilbe „Elite“ tragen zu können. Das Stichwort heißt hier Exzellenz-Initiative. Ein Förderprogramm von Bund und Ländern, um die Forschung an deutschen Universitäten voranzubringen und sie international konkurrenzfähiger zu machen. 2,7 Milliarden Euro waren von 2012 bis 2017 vorgesehen.
Seit 2017 läuft es nun unter dem Namen Exzellenz-Strategie und ab 2018 werden jährlich 533 Millionen dauerhaft zur Verfügung gestellt, um die positive Entwicklung der Universitäten weiter fortzuführen. Diese konnte sich schon im Ranking des britischen Fachmagazins „Times Higher Education“ von 2015/2016 sehen lassen. Erstmals sind drei deutsche staatliche Universitäten unter den 50 besten Universitäten der Welt. Deutscher Spitzenreiter ist die Ludwig-Maximilians-Universität in München auf Platz 29. Gefolgt von der Uni Heidelberg auf Platz 37 und der Humboldt-Universität in Berlin auf Platz 49. Deutschland steht damit auf dem vierten Platz hinter der USA, Großbritannien und Japan. Elite-Unis lassen sich also auch im staatlichen Sektor der Hochschulen finden – und das mit einem Semesterbeitrag von nur 200 bis 300 Euro pro Semester.