Die Homöopathie ist sehr umstritten. Das hat sie mit vielen alternativen Heilmethoden gemeinsam. Einer hohen Anzahl von Befürwortern stehen ebenso viele Gegner gegenüber. Die einen verweisen auf etliche Therapie-Erfolge, die anderen glauben nur, was belegbar ist. Es sind naturwissenschaftlich-orientierte Skeptiker oder Schulmediziner.
„Mir hat es geholfen“, ist eine der meistgenutzten Aussagen, wenn es um die Wirksamkeit von Homöopathie geht. Doch seien diese persönlichen Aussagen für Homöopathie-Kritiker kein Beleg für die Wirksamkeit der Medikamente. „So zeigen methodisch hochwertige, unabhängige Studien, ebenso wie die Gesamtbetrachtung des Forschungsstandes, dass ihre Mittel nicht arzneilich wirken“, wie Natalie Grams, Ärztin, und ihre Mitautorin Nikil Mukerji erst jüngst wieder in der Zeit begründen. Es ist unmöglich, die einzelnen Faktoren, die zu einer Heilung des komplexen menschlichen Organismus führen, voneinander zu unterscheiden. Der Verlauf einer Erkrankung könne von vielen verschiedenen Faktoren abhängen, dass man nie wissen kann, was passiert wäre, wenn der oder die PatientIn nichts eingenommen hätte.
Nur ein Placebo-Effekt?
Insbesondere ein Grundprinzip der Homöopathie wird viel kritisiert: das Potenzieren. Bei der Potenzierung werden Arzneien stufenweise mit einer Alkohol-Wasser-Mischung oder mit Milchzucker verdünnt. Zwischen den einzelnen Verdünnungsschritten werden sie verrieben beziehungsweise verschüttelt. Durch die Potenzierung sollen die Lösungen eine höhere und länger anhaltende Wirksamkeit erlangen. Die Potenzen werden in verschiedene Stärken eingeteilt. Schon ab der C3-Potenz, der dritten Verdünnungsstufe also, kann kein Ausgangsstoff wissenschaftlich nachgewiesen werden, da er zu stark verdünnt ist. Kritiker behaupten, dass durch die Verdünnung der einzelnen Stoffe in den homöopathischen Arzneimitteln keinerlei Wirkstoffe zurückbleiben. Vergleichen könne man die Potenzen mit einem Tropfen des Wirkstoffes im Bodensee. Gäbe man einen Tropfen des Wirkstoffes in den Bodensee und tränke daraus, würde man ein homöopathisches Mittel zu sich nehmen. Es ist bewiesen, dass technisch betrachtet der Anteil des Wirkstoffes sehr schnell abnimmt. Demnach hätten homöopathische Potenzierungen auch keine arzneiliche Wirkung. Die Befürworter sehen gerade in der Potenzierung das Erfolgsgeheimnis der Homöopathie. Homöopathen begründen die Wirksamkeit durch das kräftige Durchschütteln, welches bei der Potenzierung stattfindet. Dieses Durchschütteln ist aus Homöopathen-Sicht gerade der Schlüssel zum Erfolg. Durch das Schütteln soll die Heilkraft der Medikamente entfacht beziehungsweise erhalten bleiben, auch wenn der Rest des Ausgangsstoffes durch das Potenzieren sehr stark verdünnt wurde.
„Bei der Untersuchung der in der Homöopathie eingesetzten Tropfen und Globuli blieb das ernüchternde Ergebnis: Sie wirken höchstens wie ein Placebo“, so Natalie Grams, Ärztin und ehemalige Homöopathin, Autorin von „Homöopathie neu gedacht.“
Heilerfolg nur Placebo-Effekt?
Ähnlich wie Natalie Grams bezeichnen viele Kritiker den Heilerfolg der Homöopathie als reinen Placebo-Effekt. Dies bedeutet, dass eine therapeutische Wirkung durch die Einnahme von Medikamenten eintritt, die selbst keine Wirkung haben. Wie genau der Placebo-Effekt funktioniert, ist noch nicht abschließend erforscht. Das Verfahren wird üblicherweise bei Medikamententests eingesetzt. Eine Gruppe erhält den Wirkstoff, die andere glaubt dies auch, erhält aber nur das Placebo (lat. „Ich werde gefallen“). Allgemein wird die positive Erwartungshaltung der PatientInnen gegenüber dem Medikament und der Glaube an die Wirkung verantwortlich für den Effekt gemacht. Glaubt der oder die PatientIn, dass das Medikament hilft, werden schmerzlindernde Hormone im Gehirn freigesetzt. Die Kritiker der Homöopathie behaupten, dass die heilende Wirkung, die bei PatientInnen oft durch die Einnahme homöopathischer Mittel aufkommt, nur durch den Placebo-Effekt entsteht. Schulmedizinerin Natalie Grams vertritt diese Annahme auch vor Millionenpublikum. Im Sat1-Frühstücksfernsehen schluckt sie unlängst ein komplettes Fläschchen Globuli und behauptet, absolut keine Veränderung zu spüren.
Auch die Homöopathen erkennen den Placebo-Effekt als Genesungsfaktor an. „Mittlerweile weiß man, dass der Placebo-Effekt hilfreich in der Heilung und im Leben ist. Andererseits: Wenn es nicht das richtige Mittel ist, dann wirkt es auch nicht“, sagt Steffi Wessels, Homöopathin aus Hildesheim. Dass Homöopathie auch ohne Placebo-Effekt wirkt, ist laut Christian Köller, Homöopath aus Hannover, anhand verschiedener Beispiele beweisbar. Wenn man in eine Bakterienlösung ein homöopathisches Mittel hineingäbe und danach die Bakterien danach stark verschwinden, habe dies nichts mehr mit dem Placebo-Effekt zu tun. Auch bei Pflanzen sei die Wirkung von homöopathischen Mitteln nachweisbar. Hat eine Pflanze vor der Behandlung Blattläuse und nach der Zugabe von einem homöopathischen Mittel nicht mehr, habe auch dies nichts mit dem Placebo-Effekt zu tun. „Homöopathie ist die intelligenteste Form der Medizin, die ich kenne: Minimaler Impuls mit maximaler Wirkung unter Achtung der Souveränität des Individuums.” – Gerhard Bleul, Arzt, 1. Vorsitzender der Homöopathie-Stiftung.
Sanfte Therapie
Generell wird die Homöopathie oft als sanfte Heilmethode gesehen. Homöopathischen Arzneimitteln wird zugesprochen, dass sie nebenwirkungsarm beziehungsweise auch komplett ohne Nebenwirkungen seien. Ein Phänomen, das allerdings häufiger auftreten könnte, ist die sogenannte Erstverschlimmerung. Bei der Erstverschlimmerung handelt es sich um eine Überreaktion des Immunsystems, die nach der Einnahme des Medikaments stattfindet. Sie ist oft nur von kurzer Dauer. Aus Homöopathen-Sicht ist die Erstverschlimmerung ein Indiz für die Wirksamkeit der Medikamente. Der Körper reagiert nur mit dem Mittel, da es das passende für seine Beschwerden ist. Kritiker der Homöopathie entgegnen, dass auch die Homöopathie Nebenwirkungen hervorrufen kann. So könnten zum Beispiel Niedrigpotenzen von giftigen Wirkstoffen zu Vergiftungen führen. Diese Nebenwirkungen seien allerdings nur durch Fehlanwendungen hervorgerufen, welche durch die Beratung mit einem erfahrenen Therapeuten und vorschriftsmäßiger Einnahme der Medikamente vorgebeugt werden könnten. Ein großer Vorteil, den Befürworter in der Homöopathie sehen, ist die individuelle Behandlung jedes PatientInnen. Jede homöopathische Behandlung wird individuell maßgeschneidert. Das heißt, dass am Anfang einer Behandlung eine sogenannte Erstanamnese steht – also die homöopathische Fallaufnahme. Dabei wird ein Gesamtbild des Körpers, des Geistes und der Seele des Patienten oder der Patientin entwickelt. Diese bildet dann die Grundlage für die individuellen Einzelmittel, die auf Beschwerden und das Gesamtbild der PatientInnen abgestimmt werden. Im Verlauf der Behandlung wird dann beobachtet, wie der oder die PatientIn auf die Medikamente reagiert. Auch da wird immer wieder auf den Körper als ein Ganzes – in Verbindung mit dem Geist und der Seele der PatientInnen – geschaut. Also auch Symptome wie Stimmungen, Gefühle und Ähnlichem. Gerade in dieser intensiven Behandlung sehen Homöopathen einen großen Vorteil gegenüber der klassischen Schulmedizin, da sich PatientInnen oft mehr wahrgenommen fühlen. Eine Studie der Bertelsmannstiftung und der Barmer GEK von 2014 zeigt, dass sich bei 80 Prozent der 7.000 Befragten sowohl das Allgemein-, als auch das seelische Befinden nach der homöopathischen Behandlung verbessert hat. Auch die körperlichen Beschwerden seien zurückgegangen. Grund dafür sei auch hauptsächlich das Gespräch zwischen Arzt und PatientIn. Laut der Studie empfinden die Patienten und Patientinnen, dass homöopathische Ärzte stärker zuhören.
Wer heilt, hat recht
Die Frage, ob Globuli und Co. nun also Hokuspokus oder Heilwunder seien, kann bis heute nicht zu 100 Prozent beantwortet werden. Fakt ist, dass die Homöopathie keine wissenschaftlichen Beweise für ihre Wirksamkeit vorlegen kann. Genau deshalb kann man sie nicht als Medizin verorten. Sie kann klassische Medizin auch nicht komplett ersetzen. Dass sie dennoch als Heilmethode angesehen werden kann, zeigen die vielen Beispielfälle. Allein psychisch wirkt die homöopathische Behandlung weitaus besser als die der klassischen Schulmedizin. Und wenn es einem Menschen psychisch besser geht, wirkt sich das schon auf den Körper aus.
Generell muss es jedem Menschen selbst überlassen werden, wie er mit seiner Gesundheit umgeht. So kann zum Beispiel eine Zusammenarbeit von alternativer und klassischer Medizin dabei helfen, für jeden Menschen die richtige Heilmethode zu finden. Diese integrative Medizin wird laut einer Studie des Meinungsforschungsinstitut Kantar TNS von 75 Prozent der Deutschen befürwortet. Mehr als 60 Prozent der Befragten wollen in Apotheken frei wählen können, ob sie ein homöopathisches oder ein schulmedizinisches Heilmittel kaufen.
Gesundheit ist und bleibt ein persönliches Thema. Jeder Mensch sollte frei entscheiden können, wie er gesund wird. Wenn ein Mensch am Ende geheilt ist, ist das Ziel erreicht.
Gut zu wissen
Bei der Homöopathie handelt es sich um eine ganzheitliche Heilmethode, die sowohl auf den Körper als auch auf den Geist und die Seele angepasst ist. Dabei ist jede homöopathische Behandlung individuell auf die PatientInnen und ihre Krankheitssymptome angepasst.
Generell zielt die Homöopathie darauf ab, die körpereigenen Selbstheilungskräfte zu verstärken, um eine Krankheit zu bekämpfen. Dabei soll die Krankheit geheilt werden, indem ihr spezifische Reize ausgeliefert werden, die die krankheitstypischen Beschwerden positiv beeinträchtigen soll. So sollen sowohl die krankheitsbedingten Beschwerden bekämpft, als auch das Gesamtbild des Patienten oder der Patientin gestärkt werden.