Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist die Schönste im ganzen Land?

Brust raus, Bauch rein – und lächeln. Jahr für Jahr konkurrieren Frauen aus aller Welt um eine der begehrten Kronen. Misswahlen sind für die einen reine Oberflächlichkeit, für die anderen die schönsten Shows der Welt.

Schön, schlank und braun gebrannt. Strahlend lächelnd und makellos posierend präsentieren sich die Teilnehmerinnen der Misswahlen auf dem Laufsteg, doch die Kandidatinnen der Miss-Deutschland-Wahl sollen noch mehr können, als einfach nur gut aussehen.

Das Schaulaufen um die Krone gibt es seit dem 19. Jahrhundert und es zählt jährlich zu den traditionsreichsten und bedeutsamsten Schönheitswettbewerben Deutschlands. Somit gehört die Wahl zur Miss Deutschland zu einem beliebten Ereignis in den Medien. Auch wenn Misswahlen nicht überall an Gefallen finden, haben sie dennoch Tradition. Die Miss Germany Organisation plant die alljährlichen Schönheits- und Modelwettbewerbe. Hierzu zählen unter anderem die Wahlen zur Miss Deutschland, Mrs. Deutschland, Mr. Deutschland und zum Top Model Germany. „Der Titel Miss Deutschland steht für die Ernennung einer nationalen Botschafterin Deutschlands zur Teilnahme an internationalen Wahlen im Ausland“, unter anderem die Wahl zur Miss International, World Miss University oder Top Model of the World, so heißt es auf der offiziellen Miss-Germany-Internetseite. Handelt es sich bei diesen Wahlen nur um einen Wettbewerb der Schönheit oder steckt doch mehr dahinter?

Misswahlen sind nicht zu vergleichen mit Model-Castings oder TV-Shows wie Germany`s next Topmodel. Laut der ehemaligen Siegerin und derzeitigen Modeltrainerin Tatjana Genrich müssen die Kandidatinnen nicht nur schön sein, sondern auch reden können, um sich in einem Kurzinterview zu beweisen. Die reine Individualität sei gefragt, denn die Wahl solle kein reiner Schönheitswettbewerb mehr sein. Eloquenz, Intelligenz und Fürsorge – das Gesamtpaket muss stimmen. Als Hauptkriterien gelten: Geist und Persönlichkeit. Kriterien, wie die Körperformen der Teilnehmerinnen, treten in den Hintergrund. Jedoch widerspricht dies dem Bikini-Walk, welcher als bewährt für Misswahlen gilt.

Unter den Missen sind Studentinnen sowie Auszubildende und berufstätige Frauen. Neben ihrem alltäglichen Leben streben viele Teilnehmerinnen eine Model- oder Schauspielkarriere an. Der Wunsch nach Perfektion ist auf jeden Fall vorhanden. Die jeweilige Siegerin wird dann im Anschluss der Präsentation von einer international zusammengestellten Jury ermittelt und gekrönt.

Ist das Bewerten der Frauen nach Schönheit noch zeitgemäß? Die Zeit, in der Frauen als Objekte angesehen wurden, ist vorbei.

Man könnte meinen, Misswahlen lassen sich mit der damaligen Fleischbeschau vergleichen und vermitteln somit ein veraltetes Frauenbild. Aber auch in diesem Jahr sind Misswahlen noch ein Magnet für viele Menschen. Ein Mangel an Kandidatinnen existiert nicht, genau so wenig wie das mediale Interesse an den Misswahlen. Die Frauen möchten auf den Laufsteg oder auf die Bühne und somit auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bekommen. Der Unterschied zur damaligen Fleischbeschau liegt darin, dass die Teilnehmerinnen sich freiwillig für diesen Weg entscheiden und jederzeit damit aufhören können.

Doch unter welchem Druck stehen sie wirklich und macht dieser Druck die Frauen krank? Suzann Schönfeldt, Geschäftsführerin des Gesundheitszentrums Magdeburg, meint: „Wenn man krank betitelt, gehören dazu ebenso psychische Erkrankungen. Erfolgsdruck ist somit die größte Ursache von Depressionen und Essstörungen, etc. Und wenn dieser Druck irgendwann zu groß wird, egal, ob dieser von außen oder von innen inszeniert wird, kann das schwerwiegende Folgen haben.“ Stress gilt als prägnanter Faktor der heutigen Gesellschaft und gehört somit auch zu dem Modelleben dazu. Fotoshootings, Charity-Events, Trainingseinheiten und den Überblick behalten über die Kalorienzunahme kann auf Dauer nicht nur anstrengend, sondern auch belastend für den Körper werden.

Vize Miss Sachsen-Anhalt, Vize Topmodel Germany, Miss Ostdeutschland und Miss Deutschland 2019. Wie das Leben einer Siegerin vor, während und nach der gewonnenen Wahl aussieht, erzählt Philine Dubiel.

 

Ist die gewonnene Wahl erst der Anfang oder das Ende?

Anstand, Manieren und makellose Schönheit – das macht die perfekte Frau für die Jury aus. Große Ziele und Träume haben wir doch alle, aber ob diese Realität werden können, liegt in der jeweils eigenen Verantwortung. Philline nutzte den gewonnenen Titel „Miss Deutschland 2019“ um strategisch vorzugehen und zugleich als ein Sprungbrett für das Eröffnen ihres eigenen Brautmodengeschäfts. Durch die gewonnene Wahl steht sie in der Öffentlichkeit und leitet Aufmerksamkeit auf ihr eigenes Label.  An das alltägliche Leben ist nach der Wahl jedoch nicht zu denken. Der Terminkalender ist vollgepackt mit Besuchen bei den Rundfunk-Medien, Fotoshootings und Charity-Events. Vor allem die Vorbereitungen auf weitere Wahlen machen ihr sehr zu schaffen.

Phillines Motto ist: „Lebe deinen Traum“, und genau dies genießt sie gerade in vollen Zügen. Wann dieser Traum zu Ende sein kann, ist unklar. Schönheit ist vergänglich, weshalb es naiv wäre, eine Karriere darauf aufzubauen. Es gibt genug Models, die derzeit von ihrer Schönheit leben können, doch diese wissen diese Zeit ebenfalls gut zu nutzen. Auch Philline vertraut nicht nur auf ihr Äußerliches und baut sich eine sichere Zukunft mit Hilfe ihres Studiums auf, was jedoch zurzeit durch die vielen Termine etwas zu kurz kommt.

Doch warum ist die Teilnahmequote bei dem ganzen Stress und Konkurrenzkampf noch so hoch? Die Teilnahme an Misswahlen erfolgt meist aus Spaß und Leidenschaft. Man könnte meinen, Misswahlen gelten heutzutage als Trend. Das Modeln sei ein Hobbysport, was zum Ausgleichen des Alltages genutzt wird.

Laut der Expertin Suzann Schönfeld sei Modeln jedoch keine Sportart. Selbstverständlich erfordert das Modeln Muskulatur für eine gewisse Körperbeherrschung und korrekte Haltung. Bei einer Sportart ginge man allerdings immer an körperliche Grenzen in verschiedenen Pulsbereichen, was beim Modeln definitiv nicht der Fall sei. Das Modeln sei wohl eher ein Job, der harte Arbeit erfordert. Stets gut aussehen, gut gelaunt und höflich sein. Fehler oder Skandale sind nicht erwünscht und werden mit einer Disqualifizierung bestraft.

Wenn es nach den Vorurteilen der Menschen ginge, bestehe das Leben einer Schönheitskönigin darin, Autohäuser zu eröffnen und in Bikini vor einem Fotografen zu posieren. Eine Frau müsse ein bestimmtes Aussehen besitzen, um Anerkennung und Lob zu bekommen. Doch so sei es vielleicht bei anderen Casting-Shows, jedoch nicht bei Misswahlen. Die Frauen, die gern zu einer Miss gekrönt werden wollen, haben andere Beweggründe. Und die bestimmte Jury, die sie wählt, auch.

Die Miss Germany Corporation, eine weitere Organisation der Misswahlen, versucht sich aufgrund des klischeehaften Images von alten Strukturen zu lösen und zeitgemäßere Wege zu gehen.  Vom Vorurteil des „dummen Blondchens“, welches sich den Weltfrieden wünscht, soll wohl nichts mehr übrig sein. Zu den Änderungen gehören die genehmigte Teilnahme für verheiratete Frauen und Frauen mit Kindern. Früher wäre das kaum vorstellbar gewesen.  Es ist zu erwarten, dass der Imagewandel innerhalb der Branche auch einen nachhaltigen Erfolg für die Teilnehmerinnen mit sich bringt.

Das Aussehen spielt bei den Misswahlen definitiv eine wichtige Rolle, doch der Gedanke, Schönheit komme von innen, wird immer relevanter.

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