Studieren während der Nullzinspolitik

Die Nullzinsen der Europäischen Zentralbank: Ein Thema, von dem Studierende oft glauben, es würde sie nicht betreffen. Tatsächlich wirkt sich die Nullzinspolitik auch bei Mietpreisen, Bafög und Omas Sparbuch aus.

Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank betrifft alle: Seit die Notenbank den Leitzins auf null Prozent gesetzt hat, denken viele Menschen mehr über ihr Geld und ihre Anlagemöglichkeiten nach. Auch auf Studierende und ihr tägliches Leben zeigen sich die Auswirkungen der anhaltenden Nullzinspolitik.

Der Ort, an dem die Auswirkungen der Nullzinspolitik den Studierenden am nächsten sind, ist in ihren eigenen vier Wänden. Denn hier werden die Mietpreise stetig teurer. Durch die niedrigen Zinsen haben viele Menschen in das sogenannte Betongold investiert. Vor allem fertige Immobilien waren sehr gefragt, da sie schneller zur Verfügung standen, als neu zu bauen. Durch Angebot und Nachfrage am Markt steigen deshalb die Mieten – besonders bei einem knapp bemessenen Studierendenbudget ein Problem. Die Attraktivität des Standortes spielt dabei eine große Rolle: So sind die Mieten in Braunschweig seit 2011 durchschnittlich um 2,19 Euro auf 7,74 Euro pro Quadratmeter gestiegen. In Salzgitter dagegen stieg der Preis pro Quadratmeter im gleichen Zeitraum nur um 28 Cent.

Studienfinanzierung bei niedrigen Zinsen

Die niedrigen Zinsen sind vor allem für Sparer ein Ärgernis. Wer Schulden hat, profitiert dagegen. Hier verdient die Bank weniger. Auch der Staat zahlt deshalb weniger Zinsen auf seine Kredite. Dies ist ein Teil der Erklärung für Deutschlands Haushaltsüberschüsse. Das überschüssige Geld kann somit anderweitig investiert werden, zum Beispiel in Infrastruktur und in öffentliche Einrichtungen wie Universitäten und Hochschulen. Dadurch können Studiengebühren abgeschafft oder die Ausstattung der Hochschulen verbessert werden. Außerdem kann das Bafög für Studierende erhöht werden.

Trotzdem ist die Förderung in Bezug auf Nullzinsen ein zweischneidiges Schwert. Zwar bekommen Studierende monatlich mehr Geld, aber staatliche Leistungen werden, anders als zum Beispiel das Gehalt, nicht jährlich an die Inflation, die die Teuerung der Preise misst, angepasst. Sie fallen der Teuerungsrate zum Opfer und Studierende verlieren Geld. Denn die Preise am Markt steigen, aber ihre Einnahmen durch Bafög bleiben unverändert. So die Theorie. Tatsächlich hat ein Student 2016 bei einem durchschnittlichen Förderungsbetrag von 464 Euro und einer Inflationsrate von 0,5 Prozent 2,32 Euro pro Monat verloren. Was am Anfang nur zwei Bier weniger im Monat sind, ist am Ende des Jahres ein Fehlbetrag von knapp 30 Euro.

Aber es gibt auch Vorteile. Studierende können die andauernde Nullzinspolitik für sich nutzen: Studienkredite sind im Moment so günstig wie nie. Wenn man trotz der zurückgehenden Zahl an Bafög-Empfängern die staatliche Unterstützung erhält, sollte man sie nutzen. Als unverzinstes Darlehen, bei dem nur die Hälfte zurückgezahlt werden muss, verlieren Studierende hier am wenigsten Geld.

Die Absolventen von heute, die Arbeitskräfte von morgen

Das günstige Geld für Investitionen ist vor allem für Unternehmen wichtig. „Das ist im Interesse aller und gerade im Interesse der jungen Menschen und der Studenten, die vielleicht jetzt gerade fertig sind und einen Platz auf dem Arbeitsmarkt suchen“, sagt Stefan Ruhkamp, Pressesprecher der Europäischen Zentralbank. Denn die Unternehmen können durch die niedrigen Zinsen Investitionen tätigen, die vorher nicht möglich waren und dadurch neue Arbeitsplätze schaffen.

Viele Sparer wünschen sich, dass die Nullzinspolitik ein Ende findet. Dass mehr Zinsen auf ihr Sparguthaben nicht die einzige Konsequenz bleiben, ist ihnen dabei oftmals nicht klar. Michael Broer, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ostfalia, erklärt die Auswirkungen auf die Unternehmen und ihre Investitionen: „Ein Anstieg der Zinsen gefährdet diese Investitionen und damit die Arbeitsplätze.“ Woran junge Absolventen bei ihrem Eintritt ins Berufsleben oft noch nicht denken, ist die Rente. Die meisten Rentner können nicht von der gesetzlichen Rente leben und müssen sich durch private Altersvorsorge absichern. Die Rücklagen der Sparer werden in Aktien angelegt, oder eben in verzinsliche Anlagen. Aber gerade diese leidet unter den niedrigen Zinsen. Denn dadurch können die Anleger niedrigere Erträge erwirtschaften und verlieren Geld, das sie im Alter eigentlich brauchen.

Omas Sparbuch entwertet

Für viele Studierende wurde von ihren Großeltern oder Eltern ein Sparbuch angelegt, auf dem immer noch Geld für ihr Leben nach dem Studium liegt. Auch wenn sie oftmals gar nicht wissen, wie viel Geld sich darauf befindet, zeigt sich die Nullzinspolitik hier am offensichtlichsten. Da man auf dieses Guthaben, sofern es nicht festverzinslich angelegt ist, keine Zinsen mehr erhält, wird das dort angelegte Geld durch die Inflation immer weniger wert. „Folglich verschlechtert sich direkt durch eigene Ersparnisse oder indirekt durch geringere Ersparnisse der Eltern die Einkommenssituation der Studierenden“, erklärt Volkswirt Michael Broer.

Doch als Student hat man kein Geld zu verschenken. Deshalb sollte man die Möglichkeiten, die sich bieten, so gut es geht ausnutzen. Das heißt Zinsen, die sich anbieten, wahrnehmen und Bafög in Anspruch nehmen, falls möglich. Auch wenn Studierende sich oft nicht betroffen fühlen, sollten auch sie über ihre Anlagemöglichkeiten nachdenken. Zumal ein Ende der Nullzinspolitik so schnell nicht in Sicht ist.

 

Nullzinspolitik – ein Buch mit sieben Siegeln für viele Studierende. Was genau ist das eigentlich? Ein Einblick in die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die Gewinner und Verlierer und warum die Nullzinsen nicht einfach abgeschafft werden können.

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