Ich arbeite im Lehrbetrieb einer Hochschule. Seit gut einem Jahr ist es zusätzlich meine Aufgabe, Studieninteressierten und Studierenden Auskunft über die Inhalte des Studiengangs zu geben, in dem ich unterrichte. Eigentlich eine Aufgabe mit überschaubarem Schwierigkeitsgrad. Anfragen zum Studiengang lassen sich durch einen kurzen Blick in das Modulhandbuch meist schnell beantworten. Die (angehenden) Studierenden hätten sich diese mit etwas Eigeninitiative auch selbst beantworten können. Das Problem ist nur, die meisten Anfragen drehen sich inhaltlich gar nicht um den Studiengang.
Häufig erreichen mich Fragen von Studierenden und vor allem Studieninteressierten wie: „Habe ich mit einem Studium bessere Berufschancen?“, „Ist ein Studium besser als ein Volontariat?“, „Wenn ich studiere, kann ich dann diesen oder jenen Beruf ausüben?“. Kurz gesagt: Lohnt sich ein Studium? Solche Fragen übersteigen die Aufgabenbeschreibung des Studiengangsberaters eines einzigen Studiengangs. Die Fragen zeigen, hier scheint es ein Vakuum zu geben. Junge Studieninteressierte suchen Antworten auf generelle Fragen rund ums Studium. Eine zentrale Anlaufstelle scheinen Sie hierfür nicht zu finden.
Die Frage: „Lohnt sich ein Studium?“ meint meist latent, lohnt sich ein Studium finanziell? Habe ich durch ein Studium größere Chancen einen Arbeitsplatz zu bekommen und bekomme ich durch ein Studium mehr Gehalt? Studien geben hierauf eine klare Antwort. Ja, wer in Deutschland ein Studium abschließt, findet im Vergleich zu Personen, die eine Lehre abschließen, einfacher einen Job, ist seltener arbeitslos und verdient im Schnitt mehr. Das ifo Institut hat in seiner 2017 veröffentlichten Studie die Mehreinnahmen für das Lebenseinkommen für Sozialwissenschaftler auf 165.509 Euro (Männer) und 168.417 Euro (Frauen) beziffert, wenn die Personen einen Studienabschluss haben. Für Wirtschaft und Humanmedizin sind die Zahlen noch deutlich höher. Das bedeutet, auf ein ganzes Leben gerechnet lohnt sich ein Studium finanziell, egal was man studiert. Wer sein Lebenseinkommen hochschrauben möchte, sollte versuchen möglichst schnell mit dem Studium fertig zu werden. Laut der Studie bringt jedes gesparte Studienjahr 20.000 Euro mehr.
Die Fragen nach Job und Gehalt kann ich nachvollziehen, aber leider reduzieren sie das Studium ungemein. Ein Studium sollte keine Kosten-Nutzen-Rechnung sein. Wer sich Gedanken darüber macht, ob sich ein Studium lohnt, sollte in erster Linie darüber nachdenken ob ihn oder sie die Inhalte des Studiums begeistern. Immerhin investiert man mindestens drei Jahre seines Lebens in das Studium, in der Regel mehr. Viele Studieninteressierte sehen nur das Ziel, wenn sie sich die Frage stellen, ob sich ein Studium lohnt. Aber wie so oft ist auch beim Studium der Weg das Ziel. Studienjahre sind eine Zeit der Entfaltung und des Ausprobierens.
Ausprobieren und Kennenlernen ist enorm wichtig. Vor Studienantritt haben die wenigsten eine genaue Vorstellung, welche Inhalte genau im jeweiligen Studiengang vermittelt werden und welche Berufsfelder sich durch ein Studium auftun. Das im Vorhinein allumfassend zu verstehen, ist auch eigentlich nicht möglich. Genau hier liegt die Stärke des Studiums. Es ermöglicht Einblicke in viele Bereiche eines Berufsfeldes. Zunächst verunsichert das natürlich, weil man in eine Ausbildung geht ohne direkte Jobbeschreibung. Eine Tatsache, die sich fundamental von einer Lehre in einem Betrieb unterscheidet.
Ich möchte euch sagen, dies ist etwas, vor dem ihr keine Angst haben müsst. Ihr müsst nicht mit einem perfekten Plan in das Studium gehen. Lernt eure Leidenschaften kennen und entwickelt Fähigkeiten, die euren Leidenschaften entsprechen. Ja, kommt zu uns in die Seminare und Vorlesungen, aber geht auch mal auf eine WG-Party. Eine tiefgreifende Diskussion auf einer WG-Party in einer Dienstagnacht kann einen in der Persönlichkeitsentwicklung weiterbringen als eine 90-minütige Vorlesung an einem Donnerstagmorgen. Im Laufe eines Studiums wird man beides haben. Ein Studium bedeutet auch Freunde fürs Leben zu finden und ein Netzwerk aufzubauen, von dem man ein Leben lang zehren kann. Auch eine Zeit im Ausland ist möglich und es ist eine Gelegenheit eine neue Sprache zu lernen.
Ein Studium fordert einen natürlich auch heraus. Ihr müsst auch durch Drucksituationen gehen und Prüfungsängste überwinden. Ihr müsst selbständig werden und setzt euch auch dem Risiko aus zu scheitern. Leider immer mehr von euch bekommen psychische Probleme während des Studiums. Laut dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung ist das jeder Vierte. Manche von euch werden im Laufe des Studiums erkennen, dass sie sich für den falschen Studiengang entschieden haben oder, dass ein Studium nichts für sie ist. Fast jeder Dritte bricht in Deutschland sein Studium ab. Wichtig ist mir zu betonen, wenn ihr euer Studium abbrecht oder euch gegen ein Studium entschließt, macht ihr nichts falsch. Eine Lehre zu absolvieren ist kein Fehler. Statistiken verallgemeinern, Lebenswege sind individuell.
Lohnt sich ein Studium nun? Ja! Auch wenn ein Studium herausfordernd ist, ist es für die meisten ein toller Lebensabschnitt. Nutzt das Studium, seit fleißig, probiert alles aus, nehmt so viel Erfahrungen und Wissen mit wie es geht und macht euch eine schöne Studienzeit. Es lohnt sich!
Beste Grüße euer Studiengangsberater