Teeverbot in Braunschweig: Hanfbar vs. Staatsanwaltschaft

Droge oder Heilmittel? Wenn man von Hanf spricht, denken die meisten an das Rauchen der Cannabispflanze. Die Besitzer der Hanfbar möchten zeigen, dass Hanf nicht nur berauschen, sondern auch heilen kann. Doch wie lässt sich das mit dem Gesetz vereinbaren?

„Es wird erst nächste Woche veröffentlicht. Ihr seid einer der wenigen Personen, die es jetzt schon sehen.“ Bardia Hatefi, Mitbesitzer der Hanfbar, präsentiert stolz das neue Logo der Hanfbar Braunschweig. Eine grüne Cannabispflanze auf orangen Hintergrund. Das neue Logo der Hanfbar ist schlicht gehalten und doch aussagekräftig, in gewisser Hinsicht vielleicht sogar provokant. Der Stängel der abgebildeten Cannabispflanze stellt nämlich eine Rauchwolke dar.

Die Hanfbar wurde 2017 in Braunschweig gegründet und hat seitdem für viele Schlagzeilen gesorgt. Doch was steckt hinter dem Konzept von Besitzer Marcel Kaine und Mitbesitzer Bardia Hatefi? Und was hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig damit zu tun?

„Wir sind ein Gesundheitsladen. Uns geht es in erster Linie um Gesundheit, um Nachhaltigkeit und um Genuss. Wir möchten Nutzhanf in Deutschland wieder salonfähig machen.“, so Hatefi. Hierbei habe Genuss aber nichts mit Rausch zu tun, sondern soll sich darauf beschränken, dass es den Kunden schmeckt.

Was Nutzhanfblüten von den ursprünglichen Hanfblüten unterscheidet, ist der geringe THC-Gehalt, welcher bei maximal 0,2 Prozent liegen muss, damit dieser als Nutzhanf bezeichnet werden kann. Das in der Cannabispflanze enthaltene Tetrahydrocannabinol (THC) ruft eine berauschende Wirkung hervor. Dementsprechend dürfen Hanfblüten mit einem hohen THC-Gehalt in Deutschland nicht verkauft werden. Die Hanfbar schließt eine Berauschung durch ihre Produkte aus, weil der THC-Gehalt ihrer Hanfblüten (Hanftees) laut Mitbesitzer Bardia Hatefi bei unter 0,2 Prozent liegt.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig sieht dies jedoch anders. Die Hanfbar erwecke den Anschein, dass es sich um legale Substanzen in ihrem Geschäft handele, obwohl dem nicht so sei. Ein Hinweis auf mögliche Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz hat die Staatsanwaltschaft auf die Hanfbar aufmerksam gemacht. Dieser Verdacht habe sich aus ihrer Sicht bestätigt. Somit habe ein konkreter Tatverdacht bestanden. Folglich handelt es sich laut Staatsanwaltschaft bei den als „Hanftee“ bezeichneten Substanzen um illegale Blüten und Blätter der Pflanzengattung Cannabis und nicht um Nutzhanf. Herr Hans Christian Wolters, Staatsanwalt und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig, kommuniziert die Rechtslage: „In Deutschland ist der Handel, Erwerb, Besitz von Pflanzenteilen der Gattung Cannabis (Blüten, Blätter, Stengel) grundsätzlich durch das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verboten. Hanf ist insoweit lediglich eine andere Bezeichnung für die Pflanze Cannabis. Eine Ausnahme von diesem generellen Verbot gilt nach dem BtMG nur für den „Verkehr“ (Verkauf, Erwerb) von Cannabis mit einem THC-Gehalt von maximal 0,2 Prozent (sog. Nutzhanf), wenn dieser Verkehr ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient. Demnach liegt ein gewerblicher Zweck nur dann vor, wenn sowohl der Verkäufer als auch der Käufer gewerbliche Zwecke verfolgen.“

Die Staatsanwaltschaft betont, es handele sich bei dem „Hanftee“ lediglich um getrocknete, zerkleinerte und dementsprechend unverarbeitete Pflanzenteile von Cannabis. Diese sogenannten Cannabisblüten lassen sich auf den ersten Blick von illegalen Cannabisblüten kaum unterscheiden. Somit sei der Verkauf an Endverbraucher und Privatpersonen nach gesetzlichen Bestimmungen nicht legitim. Auf den Wirkstoffgehalt von THC kommt es in diesem Zusammenhang gar nicht mehr an, da der Verkauf von dem „Hanftee“ schon gar keinem gewerblichen Zweck diene, so Wolters. „Aus hiesiger Sicht ist der Verkauf von THC-armen Cannabis (Nutzhanf) deutschlandweit verboten und zwar völlig gleichgültig, ob dieser Verkauf durch andere Hanfbar-Ableger oder sonstige Personen/Unternehmen erfolgt.“ Bardia Hatefi kann die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht verstehen. Wieso dürfen Reformhäuser und Bioläden Hanftee verkaufen und die Hanfbar nicht? Ist der Verkauf von Nutzhanf in Deutschland gänzlich verboten? Die Aussagen der Staatsanwaltschaft scheinen sich hier mit dem zuvor Gesagtem zu widersprechen. Herr Wolters korrigiert seine Aussage gegenüber Campus38 bei weiterer Nachfrage. Er stellt klar: „Verboten ist nur der Verkauf/Abgabe des THC-armen Cannabis an Privatpersonen.“

Wie sieht es mit der Abnahme von THC-armen Cannabis aus? Die Hanfbar warnt ihre Kunden in der Öffentlichkeit vorsichtig zu sein, wenn diese ein Produkt kaufen. Vor allem den Hanftee kann man mit bloßem Auge nicht von illegalen Cannabis- oder Hanfblüten unterscheiden. Dementsprechend haben Polizeikräfte die Möglichkeit den Hanftee zu beschlagnahmen, um diesen im Labor zu untersuchen. Nur so kann festgestellt werden, wie viel THC-Gehalt diese Blüten aufweisen. Doch machen sich die KundInnen der Hanfbar mit dem Kauf von Hanftee nach dem Gesetz tatsächlich strafbar? Die Staatsanwaltschaft macht deutlich, dass auch der Erwerb und Kauf von Cannabis dem BtMG entsprechend grundsätzlich verboten sei, solange dieser nicht gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken diene. Ein Vorsatz wäre nicht nötig, da es sich um Betäubungsmittel handele. Wie gehen die KundInnen der Hanfbar damit um? Befürchten sie Konsequenzen beim Kauf der Produkte aus der Hanfbar?

Wie konnte die Staatsanwaltschaft illegale Substanzen in der Hanfbar feststellen?

Blüten mit einem ungefähren Gesamtwert von 100.000 Euro wurden bei drei Razzien in der Hanfbar beschlagnahmt. Diese Blüten wurden vom Landeskriminalamt im weiteren Verlauf untersucht. Die Staatsanwaltschaft wirft basierend auf den Ergebnissen der Untersuchung vor: Der THC-Gehalt der Cannabisblüten im Hanftee liege weit über 0,2 Prozent. Somit sei der Hanftee laut BtMG illegal. Die Hanfbar unterstellt der Staatsanwaltschaft jedoch eine Manipulation der Ergebnisse. Im Laborbericht der Staatsanwaltschaft sei zu erkennen, dass die Blüten ausgetrocknet und zudem die Stängel entfernt worden seien. Da die Stängel nachweislich wirkstoffarm sind, sei der relative THC-Gehalt im Verhältnis gestiegen. Im Gespräch mit Campus38 zeigt Hatefi, Mitbesitzer der Hanfbar, eigene Laboruntersuchungen vor. Diese sollen die Manipulation der Laboruntersuchungen durch die Staatsanwaltschaft beweisen. Der Staatsanwaltschaft erscheint der Vorwurf der Hanfbar haltlos. „Bei den angewandten Untersuchungen handelt es sich um zertifizierte Untersuchungsmethoden. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Landeskriminalamt bei den Untersuchungen fehlerhaft gearbeitet haben könnte.“, widerspricht Wolters. Doch für Hatefi steht fest, die Staatsanwaltschaft habe die Untersuchungen manipuliert.

Haftbefehl: Besitzer der Hanfbar muss in Untersuchungshaft

Mehrere Wochen hat Besitzer Marcel Kaine in Untersuchungshaft verbracht. Die Staatsanwaltschaft wirft vor: „Der Beschuldigte befindet sich wegen des dringenden Tatverdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Untersuchungshaft. Zudem besteht der Haftgrund der Wiederholungsgefahr.“ Die Inhaftierung von Kaine kam für die Besitzer der Hanfbar jedoch nicht überraschend. Sie hatten nach den aus ihrer Sicht gefälschten Laboruntersuchungen mit einem Haftbefehl gerechnet. Der Beschuldigte befindet sich inzwischen nicht mehr in Untersuchungshaft. Staatsanwalt Wolters, bestätigt: Der Haftbefehl sei durch das Oberlandesgericht Braunschweig außer Vollzug gesetzt worden. Während laut Staatsanwaltschaft das Amtsgericht, das Landesgericht, sowie das Oberlandesgericht dem Haftbefehl zuvor zugestimmt haben, habe das Oberlandesgericht schlussendlich entschieden, dass eine Inhaftierung nicht nötig sei. Dennoch bestehe weiter ein Haftbefehl, der wieder in Kraft gesetzt werden würde, sofern der Beschuldigte gegen die Auflagen des Oberlandesgerichts verstoße.

Heißt das, es gibt auch in Zukunft keinen Hanftee in der Hanfbar?

Kaine wurde vom Oberlandesgericht auferlegt den Hanftee nicht mehr zu verkaufen. Laut Staatsanwaltschaft habe er dies auch zugesichert. Dem widerspricht Mitbesitzer Hatefi. Der Beschuldigte habe nicht zugesichert, dass der Tee nicht mehr verkauft wird. Das Verkaufsverbot sei nach wie vor von der Stadt Braunschweig ausgesprochen, doch sei der sofortige Vollzug gekippt. Dies bedeutet für die Hanfbar: der Hanftee darf immer noch nicht verkauft werden. Doch besteht zurzeit keine Gefahr mehr, dass die Stadt die Geschäfte von Marcel Kaine und Bardia Hatefi in Braunschweig schließt. Hatefi macht deutlich: Solange das Verkaufsverbot bestehe, gäbe es keinen Hanftee in der Hanfbar zu kaufen. Jedoch greifen Kaine und Hatefi das Verkaufsverbot weiterhin an. Wird dies aufgehoben, wird der Hanftee wie zuvor in der Hanfbar verkauft.

Wie wird es weitergehen?

„Der Staatsanwaltschaft Braunschweig obliegt in ihrem Zuständigkeitsbereich die Verfolgung von Straftaten. Dabei hat die Staatsanwaltschaft kein Ermessen. […]“ Die Anklage wird seitens der Staatsanwaltschaft vorbereitet und voraussichtlich bis Jahresende beim Amtsgericht in Braunschweig erhoben. Auch die Besitzer der Hanfbar bereiten sich mit ihrem Anwalt auf die Anklage vor. Von Nachgeben ist keine Rede. Der Streit geht in die nächste Runde.

Über die rechtliche Auseinandersetzung mit der Staatsanwaltschaft konnte man in der Presse regelmäßig lesen. Sogar außerhalb der Region 38. Titel wie, „Razzia in der Hanfbar“ sollen das Interesse der LeserInnen wecken. Doch beeinflussen solche Aussagen nicht auch? Im Audiokommentar wird hinterfragt wieviel Wahrheit hinter so einem Titel steckt.

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