Tiere schützen ohne eigenen Verzicht

Tier- und Umweltschutz sind in aller Munde. Immer mehr Menschen werden sich der Missstände der Massentierhaltung in Deutschland bewusst. Ein Großteil der Bevölkerung möchte deshalb etwas an ihrem Konsum tierischer Produkte ändern. Doch welche Möglichkeiten gibt es eigentlich?

 „Kunden liegt eine größere Transparenz über die Haltung der Tiere und das Tierwohl an sich am Herzen“, erklärt Sabine Hülsmann von der Verbraucherzentrale Bayern. Eine Umfrage der Umweltaktivisten von Greenpeace bestätigt dies. 54 Prozent% der Befragten gaben an, in 2019 weniger Fleisch konsumieren zu wollen . Die Zahl derer, die dann am Ende wirklich auf die Produkte verzichten, ist aber nach wie vor geringer. Somit klafft zwischen Vorhaben und Umsetzung noch eine große Lücke. Den unter 40-Jährigen ging es bei der Umfrage vor allem um das Tierwohl, dem besonders in der Massentierhaltung wenig Beachtung geschenkt wird. Und da kommt schließlich 98 Prozent% des Fleisches, das wir im Supermarkt oft bedenkenlos kaufen, her. Vielen Konsumenten ist jedoch nicht klar, was zu beachten ist, wenn es darum geht, Tiere zu schützen.

Streitthema Massentierhaltung

Wer sich jetzt fragt, wieso auf das Wohlergehen von Tieren geachtet werden sollte, der findet die Antwort vielleicht in den Richtlinien der Massentierhaltung. Laut dem deutschen Tierschutzgesetz soll das Leben und Wohlbefinden der Tiere als unsere Mitgeschöpfe auch in der Massentierhaltung geschützt werden. Die Realität sieht jedoch anders aus.

745 Millionen Tiere werden jährlich im Rahmen der Massentierhaltung aufgezogen und später geschlachtet. Dass diese Tiere unter teilweise grausamen Verhältnissen leben müssen, ist kein Geheimnis. Ihre Ställe sind viel zu klein für jegliche Bewegungsfreiheit, Schwänze und Hörner werden ohne Betäubung abgetrennt und einige von ihnen fügen sich sogar gegenseitig Verletzungen zu. Um sie trotz dessen leistungsfähig zu machen, erhalten die Tiere nicht selten Antibiotika.

Die Zuchtunternehmen würden den Einsatz von Antibiotika bei ihren Tieren dringend benötigen, so Agrarexpertin Reinhild Benning. Andernfalls würde schnell bemerkt werden, wie krank die Tiere durch die Haltungsumstände seien. Trotz verschärfter Gesetze rund um den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft, werden jährlich noch hunderte Tonnen Antibiotika an Nutztiere verabreicht. 2015 waren es alleine 805 Tonnen.

Für den Menschen kann das gefährlich werden. Denn das zentrale Problem bei der Verabreichung von Antibiotika an Tieren liege laut Hubert Weiger, agrarpolitischer Sprecher der Non-Government-Organisation BUND, in den Emissionen, die die Massentierhaltung verursacht. Antibiotikarückstände können so durch Gülle auf den Feldern in das Grundwasser gelangen und somit in Berührung mit Menschen kommen.  Dadurch bilden sich immer mehr Resistenzen gegen Keime. Eine Untersuchung der Umweltschutzorganisation BUND ergab, dass sich auf 88 Prozent% des untersuchten Billigfleischs aus deutschen Discountern multiresistente Keime befanden. Infiziert sich ein Mensch mit einem dieser Keime, gibt es im schlimmsten Fall kein helfendes Arzneimittel. Die europäische Seuchenbehörde ECDC (European Centre of Disease Prevention and Control) schätzt, dass jährlich rund 33.000 EU-Bürger solchen Keimen zum Opfer fallen.

Fleisch von glücklichen Tieren zu finden ist nicht schwer

Besonders auf dem Dorf kennt man folgendes Bild gut: Kühe, die zufrieden im Sonnenschein grasen., Hennen, die die Bewohner morgens durch ein lautes Krähen aufwecken und Schweine, die sich zufrieden im Schlamm wälzen. Zugegeben, in der heutigen Zeit ist diese Vorstellung wohl eher unrealistisch. Doch, wer ein wenig Zeit investiert, kann ganz einfach Bauernhöfe in der Nähe finden, die ihre eigenen Produkte zum Verkauf anbieten. Mit der Eingabe der eigenen Postleitzahl sagt die Internetseite www.heimischehofleaeden.de dem Nutzer, wo in seiner Nähe eben solche Bauernhöfe zu finden sind.  

Landwirt Henrik Hagemann verrät: „Wer direkt im Hofladen einkaufen geht, der kann sich sicher sein, dass sein Fleisch, seine Milch und seine Eier von Tieren stammen, die ein gutes Leben führen oder geführt haben. Zusätzlich schmecken die frischen Produkte dann auch viel besser, weil es den Tieren beim Aufwachsen besser ging“. Auf den meisten Bauernhöfen besteht darüber hinaus die Chance, selber zu erkunden, wie die Tiere vor Ort gehalten werden und zu sehen, ob es ihnen gut geht. Eine Möglichkeit, die wir als Konsumenten beim Kauf von Massentierhaltungsware im Supermarkt nicht haben.

 

Vegan sein wird immer angesagter

Verschiedene staatlich anerkannte Gütesiegel können Veganern den Einkauf erleichtern. (Quelle: veganeo)

Noch vor wenigen Jahren war es für die meisten von uns völlig ausgeschlossen,  komplett auf tierische Produkte zu verzichten. Mittlerweile verzichten rund 1,3 Millionen Deutsche in ihrer Ernährung bereits auf alles Tierische. Bei den Vegetariern sind es mit acht Millionen sogar deutlich mehr.

Wer heutzutage in einem fortschrittlichen Land wie Deutschland noch Angst hat, er könne außer Grünzeug, Obst und Nüssen nichts anderes essen, sobald er sich vegan ernährt, liegt falsch. Dies kann auch Katya Withman vom Marktforschungsunternehmens Mintel bestätigen. „Der vegane Lifestyle liegt zurzeit definitiv im Trend und Deutschland liegt weltweit vorn bei veganen Produkteinführungen im Lebensmittelbereich“. Besonders die junge Generation des Landes nutzt diese Alternativprodukte. Jede/r fünfte 16 bis 24-jährige/r kauft heute regelmäßig Fleischersatzprodukte.

Besonders Neu-Veganer sind sich aber noch oft unsicher, welche Produkte komplett frei von tierischen Zutaten sind. Verschiedenste Siegel, wie dieVeganblume oder das V-Label, können den pflanzlichen Einkauf erleichtern. Zu finden sind sie auf dem Großteil aller pflanzlichen Produkte.  Wer also bereit ist, sein Leben komplett umzukrempeln und den Tieren und der Umwelt zuliebe auf Fleisch oder gar alle tierischen Produkte verzichten möchte, der wird auf seinem Weg mit weniger Problemen, als vielleicht gedacht, zu kämpfen haben. Was dabei aber nicht in Vergessenheit geraten 

Der Haltungskompass schafft Klarheit

Seit Anfang 2019 ziert ein einheitlicher Haltungskompass die Fleischverpackungen der Supermärkte Rewe, Edeka, Netto, Kaufland, Aldi, Lidl und Penny. (Quelle: presseportal)

Einen Weg, Unternehmen, die Tiere in unwürdigen Zuständen halten, nicht zu unterstützen, gibt es auch für all die, die ihr Fleisch nicht vom Bauernhof von nebenan kaufen möchten oder wollen.Mittlerweile kann der Konsument nämlich schon auf den ersten Blick in das Kühlregal im Supermarkt erkennen, aus welchen Haltungsverhältnissen das Fleisch stammt.

Lidl war im Frühjahr 2018 die erste deutsche Supermarktkette, die den sogenannten Haltungskompass auf die Verpackungen ihres unverarbeiteten Fleischs gedruckt hat. Heute ist dieser in den Regalen der meisten deutschen Supermärkte zu finden. Verbraucher werden mithilfe von vier verschiedenen Stufen über die Haltung, aus der das Fleisch stammt, informiert. Bei Stufe eins und zwei handelt es sich um Fleisch von Tieren, deren artgerechtes Aufwachsen stark eingeschränkt ist. Tiere aus Haltungsform drei haben zwar Zugang zu Außenbereichen und somit frischer Luft, aber auch dieser ist begrenzt. Stufe vier steht für Biolandwirtschaft und verspricht somit überdurchschnittlich viel Platz für die Tiere, ständigen Zugang zu Außenklima und Auslauf im Freien während der gesamten Vegetationsperiode. Erst hier haben Tiere also tatsächlichen Auslauf im Freien, wann immer sie wollen und können somit auch sonst artgerecht aufwachsen.    

Der Haltungskompass gibt den Konsumenten beim Kauf von Fleisch Orientierung. Jeder kann selbst entscheiden, welche Haltungsform sich mit seinen individuellen Vorstellungen und Überzeugungen vereinbaren lässt. Allerdings gibt es in herkömmlichen Supermärkten wenig Auswahl an Fleisch aus den Haltungsformen drei und vier. Wer sich mehr über die Vorgaben der einzelnen Haltungsformen informieren möchte, kann das jederzeit auf der Website www.haltungsform.de tun.

Auch die kleinste Veränderung zählt!

Mittlerweile wissen die meisten von uns unter welchen Umständen Tiere in der Massentierhaltung leben und leiden müssen. Wir sollten aufhören,  unsere Augen vor eben diese Umständen, die für Tiere und Menschen gefährlich sind und werden können, zu verschließen. Denn egal, ob ganz auf tierische Produkte verzichtet wird, das Fleisch vom Bauern des Vertrauens kommt oder beim Einkauf im Supermarkt Fleisch mit den Haltungsformen eins oder zwei gemieden wird – die kleinsten Veränderungen beim Einkauf eines jeden Menschen können schon helfen,  das Tierleiden in Zukunft zu verringern.

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