In Deutschland leben 1,3 Mio. Pferde, verteilt auf 900.000 Pferdehalter. 20 Prozent der deutschen Bevölkerung gehören dem Reitsport an. 78 Prozent der vier Millionen Reiter sind weiblich.
Im Idealfall könnten alle Tiere in ihrer natürlichen Umgebung in Freiheit leben und dort ihren Bedürfnissen nachkommen. Doch schon seit über 5.000 Jahren halten Menschen Tiere. Dabei domestiziert der Mensch das Tier. Die meisten Menschen kümmern sich aufopferungsvoll um ihre Haustiere. Doch ist diese Fürsorge immer artgerecht für die jeweilige Tierart? Denn auch wenn die Menschen es gut meinen, bedeutet das leider nicht, dass es im Interesse des Tieres ist. Viele Tierbesitzer wissen nicht Bescheid oder ignorieren gar die natürlichen Bedürfnisse ihrer Schätze, was für diese mit Verhaltensstörungen und Krankheiten enden kann. Berliner Tierpathologe und Buchautor Achim Gruber weist darauf hin, dass gerade, wenn die Besitzer es zu gut meinen und ihre Lieblinge zu sehr betüddeln, das Tier einen Schaden davontragen kann.
Dank PETA und zahlreichen anderen Tierschützern und deren jahrelangen Kampagnen hat ein Umdenken in der Gesellschaft stattgefunden. Früher war der Besuch im Zirkus und Zoo noch ein edler Zeitvertreib. Was in den 20ern noch für Kultur und Tierliebe stand, ist heute allen bekannt als rotes Tuch der Tierschützer. Käfighaltung, Gitterstäbe, Massentiertransporte und Tierversuche stehen für Tierquälerei. Nicht nur Tierschützer spähen hinter die Kulissen der Unterhaltungs- und Nutztiere. Auch Unsereiner kann den Anblick eines eingesperrten Löwen oder gar zu eng gehaltene Schweine nicht mehr ertragen.
Artgerechte Tierhaltung wird durch die biologischen Bedürfnisse der jeweiligen Tierarten definiert. Die Kriterien umfassen Gesundheit, natürliche Verhaltensweisen sowie Wohlbefinden des einzelnen Tieres.
Doch wer bestimmt diese Kriterien? Wer gibt vor, wie viel Platz und welche Stallung am besten geeignet ist? In Deutschland bestimmt dies das Tierschutzgesetz und der Bund der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Letztendlich hat es sich durchgesetzt, dass eine Legehenne nun endlich mehr Platz als einen DIN A4 Zettel hat. Wir können also aufatmen, nun hat diese arme Sau von Henne mindestens zwei DIN A4 Zettel an Platz für sich selbst.
Der Begriff artgerechte Haltung ist nach wie vor trotz der Bemühungen zahlreicher Tierschützer nicht geschützt. So darf jeder Zoo, jeder Zirkus oder auch jeder Herstellen auf Tierprodukten mit dem Attribut Tierwohl und gute Haltung werben. Sofern die werbenden Betriebsregeln dabei nicht verletzt werden. Exakt diese ambivalente Begrifflichkeit führt dazu, dass zahlreiche Tierprodukte und Tiererlebnisstätten sich mit artgerechtem Tierwohl brüsten können, ohne dabei die Anforderungen zu erfüllen. Oftmals ist es sogar eine Lüge.
Doch es hat sich etwas geändert. Das Wohl von Tieren ist vielen Verbrauchern und Besuchern wichtiger geworden. Das Gewissen hat eingesetzt. Die Gesellschaft hat hingesehen, wenn PETA erneut schaurige Bilder aus Tierversuchen gezeigt hat. Wenn das Fleisch im Supermarkt nur schlappe drei Euro kostet, setzt das schlechte Gewissen ein. Wanderzirkusse und Zoos mit lieblosen Gehegen werden an den Pranger gestellt. Und seitdem der Orca Tilly in der Unterwasserwelt „Sea Life“ drei Menschen getötet hat, weil er eben doch Instinkte hat, ist nun auch die Haltung von Delfinen und Walen in zu kleinen Becken verpönt. Doch sollten wir uns dann nicht auch an die eigene Nase fassen und uns fragen, ob wir unsere Haustiere auch angemessen hausen lassen?
Haustiere spielen eine sehr wichtige Rolle in unserem Leben. Der treue, gefügige Partner im Leben. Der Partner, der abhängig ist von dem Verantwortungsgefühl seines Halters, der über die Lebensform des Tieres bestimmt. Sowohl Hunde, Katzen als auch Nagetiere, aber auch größere Tiere wie Pferde werden von uns Menschen geliebt, geschmust und umsorgt – wenn alles gut läuft.
Tierschützer fragen sich nicht erst seit gestern, ob nicht alle Tiere am liebsten frei sein wollen und ob es überhaupt möglich ist, Tiere in den Händen von Menschen artgerecht zu halten. Ein gewöhnlicher Feldhamster legt am Tag zwischen drei bis fünf Kilometer zurück. Wie soll das kleine Fellknäuel dies denn in einem Käfig tun? Gehen wir von einem gewöhnlichen Käfig aus, hat der Hamster gerade mal ein Drittel Quadratmeter Auslauf. Wäre dieser Hamster hochmotiviert und würde seinen Natur gerechten Auslauf nachholen wollen, müsste das arme Ding 233 Runden in seinem Käfig drehen, in der Hoffnung, dass er keinen Schwindel erleidet.
Artgerechte Pferdehaltung!?
Der Reitsport in Deutschland ist so beliebt wie noch nie. Selbst Mainstream-Sportwarenläden wie Decathlon nehmen erstmals Reitutensilien in den Verkauf. Geschätzt leben 1,3 Millionen Pferde und Ponys in Deutschland, 98 Prozent davon werden für Freizeit und Sport genutzt.
In der freien Natur verbringen Pferde überwiegend den Tag damit, auf Weiden und Feldern zu grasen und sich dabei langsam von einer Fressstelle zur nächsten zu bewegen. Manchmal bis zu zehn Kilometer am Tag. Werden sie allerdings vom Menschen gehalten, sieht die Sache anders aus. Gerade in der Boxenhaltung fehlt Pferden die Bewegung, die sie so dringend brauchen. Das A und O eines Pferdes ist der Auslauf und die Bewegung. Jetzt kann man natürlich einwerfen, dass der Reitsport doch genau diesen Aspekt abdecken soll. Aber gehen wir davon aus, ein Reiter bewegt sein Pferd, wenn es gut läuft, ein bis drei Stunden am Tag. Dann kann man doch ganz klar davon ausgehen, und dafür braucht man keine höhere Mathematik, dass auf diese Weise das Pferd so nicht seinen nötigen Auslauf erhält.
Daher ist es besonders wichtig, dass Pferde in menschlicher Haltung Weide- und Paddockzeiten haben und sich so ganz in ihrem eigenen Tempo frei bewegen können. Bei jeder Jahreszeit. Auf den Weiden können Pferde wie auch Ponys ihren natürlichen Bedürfnissen am nächsten kommen, denn dort können sie mit ihren Artgenossen spielen, miteinander schmusen, Gras fressen und sich gleichmäßig fortbewegen. Genau durch solchen Freilauf werden die Gelenke und die Knorpel gut durchblutet und gelockert.
Leider ist es heutzutage immer noch einigen Pferden verwehrt, ihre Zeit auf freien Feldern zu verbringen, was in der Natur die Heimat der Wildpferde ist. Die Gründe sind hierbei haarsträubend bis teilweise nachvollziehbar. Viele Reiter und auch Pferdebesitzer setzen dann wiederum auf stundenweise Auslaufmöglichkeiten auf Paddocks. Dies sind kleine Flächen, meist ohne Grasflächen, und bedienen zwar wenig Bewegungsanreize, da sie selten lange Wege zwischen Futter, Wasser oder Ruhestellen haben, aber immerhin sind die Huftiere an der frischen Luft und können sich ein wenig die Beine vertreten.
In freier Wildbahn häufen sich jeden Tag über 15 Schrittstunden bei einem Pferd an. Ohne ein Genie sein zu müssen, wird schnell klar, dass das in einer Box mit Auslaufzeiten nur schwer erreicht werden kann. Und dennoch sind Boxen, die meist eine Größe von zwölf Quadratmetern haben, immer noch die Standardhaltung. Sind wir mal realistisch: Wenn ein Pferd wie der Hamster sein Bewegungspensum in einer Box erreichen müsste – und das ohne das ach so niedliche Laufrad – müsste es circa 600 Runden in seiner Box laufen. 600 Runden, wenn die Box groß genug wäre, damit sich das Pferd darin angenehm in den Ecken wenden könnte.
Also was tun? Na das, warum wir Pferde halten. Reiten. Ausreiten. Das deckt zwar bei langem auch nicht den Tagesbedarf eines Pferdes, aber es ist ein Anfang. Und das bei allen Wetterlagen. Denn auch wenn die meisten Reiter es nicht wahrhaben wollen, ihren Pferden macht weder Regen, Schnee oder Wind etwas aus. Pferde haben eine Wohlfühltemperatur zwischen 6 und 10 Grad Celsius und benötigen dank ihrer immens großen Lunge jede Menge frische Luft.
Über 60 Prozent aller Pferde leben in Boxenhaltung. Faustregel für die Größe der Box ist, dass die Box mindestens die doppelte Höhe des Widerrists des Pferdes im Quadrat hat. Hauspferde benötigen Heu, Wasser, Luft, soziale Kontakte zu Artgenossen und viel Bewegung.
Aber wie viel Platz sollte denn nun ein Pferd haben, auch wenn es regelmäßigen, gar täglichen Auslauf hat? Meckern und keine Lösung haben, das ist nicht meine Art. Die Formel der Deutschen Reiterlichen Vereinigung FN besagt, eine Box solle das Stockmaß des Pferdes im Quadrat multipliziert mit zwei groß sein. Und dennoch werden in Deutschland die meisten Pferde auf neun Quadratmetern gehalten. Selten mit Blick nach draußen oder einem Fenster. Die Begründung vieler Pferdehalter ist hierbei die Sicherheit, die Gefahr vor Verletzungen und der sportliche Aspekt.
Anders als die reine Boxenhaltung bieten Laufstallhaltungen, auch Offen- oder Aktivställe genannt, eine artgerechtere Haltung. Diese beinhalten meist einen dauerhaften Zugang nach draußen, sodass das Pferd selbst entscheiden kann, wann und wo es stehen möchte, ob es sich zurückziehen oder in der Herde mit anderen herumtollen möchte. Meist sind diese Ställe so gebaut, dass Bewegungsanreize geschaffen werden. Durch Wasser- und Futterstellen werden verschiedene Sinneseindrücke angesprochen, sodass die Pferde ähnlich wie in der Natur stätig in Bewegung bleiben.
Für die Gesundheit und auch für das Wohlgefühl der Pferde braucht es frische Luft, Bewegung, gute ausgeglichene Ernährung und noch mehr Bewegung. Und das bedeutet viel Platz. Daher kann man sicher sagen, dass man diese Wesen nicht den ganzen Tag in Boxen sperren sollte. Paddock- oder Weidezeiten sind dabei ein guter Kompromiss und ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Natürlich ist es einfach und bequem, in den Stall zu kommen und sich das Pferd direkt für den Reitspaß zu schnappen. Doch zu welchem Preis? Ist es nicht genau das Denken, welches wir bei Sea Life mit den Orcas angekreidet haben? Zu wenig Platz für den riesigen, schwarzen Fisch zum Preis der Freude der Besucher. Und erst als der bekannte Orcabulle Tilikum seine drei Trainer tötete und verhaltensauffällig wurde, haben wir uns gefragt, wie sich die Haltung, die Menschenhand, auf das Tier auswirkt. Muss ein Pferd erst einen Menschen töten, damit wir sie aus den zu kleinen, dunklen Boxen holen?
Das, was wir uns im Zoo und im Zirkus nicht mehr ansehen können, die Raubtiere hinter Gittern, die Elefanten mit Ketten an den Beinen, sollten wir nicht bei unseren Haustieren herunterspielen und beschönigen. Auch unsere Stubentiger, unsere Hunde und auch Pferde haben es verdient, sich frei bewegen zu dürfen. Geben uns nicht gerade das Pferd und die gemeinsamen Ausritte das Gefühl von Freiheit? Sind wir es ihnen dann nicht schuldig, dass sie sich auch frei fühlen?
Zunehmend wachsen der Trend und das Verständnis, dass Pferde viel Auslauf und Bewegung benötigen. Dennoch sollten wir darauf achten, dass wir unsere Haustiere mit unserer vermenschlichten Haltung, der Fürsorge und unserer Liebe nicht erdrücken. Und eins kann man festhalten: Am glücklichsten machen wir unsere felligen Freunde, wenn wir sie einfach Tier sein lassen.