Und am Ende weißt du nichts mehr

K.o.-Tropfen sind äußerst gefährlich. Die Opfer haben keinerlei Erinnerungen, sind wie gelähmt und wehrlos. Die Dunkelziffer der Betroffenen ist hoch und die Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen. Kann man sich überhaupt davor schützen?

„Es hätte ja viel, viel mehr passieren können und das Schlimme ist, dass man nicht weiß, was hätte passieren können, beziehungsweise man hätte sich nicht erinnern können.“ Mit diesen Worten schildert ein junges Mädchen ihre Erfahrungen mit K.o.-Tropfen.

Zu Beginn empfinden Betroffene Euphorie, reagieren enthemmt, sind sexuell gelöst und entspannt. Klingt harmlos, da diese Symptome oftmals auch bei Alkoholkonsum auftreten und als Rausch empfunden werden. Doch mit zunehmender Wirkung fallen Betroffene in ein Tief. Sie erscheinen von außen als wach, reagieren aber übermäßig affektiert oder können gar nicht mehr gezielt reagieren. Sie werden schläfrig, benommen, empfinden Schwindel und haben eine erschlaffte Muskulatur. Meist fallen Opfer in einen Tiefschlaf, haben neurologische Ausfallerscheinungen und sind nicht mehr ansprechbar.

Für Täter sind diese Symptome Gelegenheiten, um zuzuschlagen. Sie nutzen das Knockout-Mittel, um ihre Opfer zu betäuben und wehrlos zu machen. Nicht umsonst werden die Tropfen auch Vergewaltigungsdroge genannt. Da man die Substanz weder sehen noch riechen und schmecken kann, wird sie oftmals erst bemerkt, wenn es zu spät ist. Täter lenken die Opfer ab, träufeln ein paar Tropfen in das Getränk und dann heißt es erst einmal abwarten. Das Ziel liegt meistens darin, Opfer auszurauben oder sexuell zu missbrauchen, zu vergewaltigen. Eine Vorstellung, welche man sich nicht machen möchte. Die Täter missbrauchen einen fast leblosen Körper, vergnügen sich sogar daran. Dem Opfer ist es nicht möglich, sich zu wehren oder die Tat gar mitzubekommen.

Nach dem Erwachen können sich Betroffene aufgrund von Gedächtnisverlust an die letzten Stunden nicht mehr erinnern. Auch unter Hypnose sind Erinnerungen laut Oberarzt Jörg Mardner nicht mehr hervorzuholen.

Der strafrechtliche Nachweis der Tat wird dem Opfer erschwert. Der Täter hat durch das Betäubungsmittel einen erheblichen Vorteil und kann sich leicht von der Strafverfolgung entziehen.

Wolfgang Wilmsmeyer, Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin und Jörg Mardner, Facharzt für Anästhesiologie, klären darüber auf, um welche Substanzen es sich bei dem Betäubungsmittel überhaupt handelt. Sie erläutern, wo es wirkt und wie die Einnahme von K.o.-Tropfen nachgewiesen werden kann.

 

Die Hilfsorganisation Weisser Ring für Kriminalitätsopfer und ihre Familien behauptet, es gäbe keine verlässliche Statistik darüber, wie viele Menschen jährlich Opfer von K.o.-Tropfen werden. Das liege daran, dass die meisten Betroffenen erst zu spät oder gar nicht bemerken, dass sie Opfer geworden sind. Oft fehlt die Bereitschaft, den Behörden den Angriff zu melden. Sei es, weil Unsicherheit darüber herrscht, ob Alkohol oder das Betäubungsmittel schuld an den körperlichen Auswirkungen sind oder auch nichts weiter Schlimmes passiert ist. Viele Personen, vor allem Männer, wenden sich auch aus Schamgefühl nicht an vertraute Personen, Polizei, Ärzte oder Beratungsstellen und suchen die Schuld stattdessen bei sich selbst.

Offizielle Zahlen sollen bei 300 Angriffen pro Jahr liegen. Jedoch ist die Dunkelziffer der Angriffe mit K.o.-Tropfen deutlich höher. Eine Fallstatistik von Polizei und Senat aus Berlin belegt, dass die Zahl der Verbrechen mit dem Knockout-Mittel in der Bundeshauptstadt steigt. Repräsentativ lässt sich die Statistik auch weitergehend auf ganz Deutschland beziehen.

Auch Franka Richter musste eine Erfahrung mit K.o.-Tropfen sammeln. Campus38 erzählt sie ihre Geschichte.

Franka kann von Glück sprechen, dass ihr nicht mehr passiert ist. Sie glaubt, es wäre der Barkeeper gewesen, der ihr das Betäubungsmittel verabreicht hat. Es stellt sich die Frage, ob man sich überhaupt vor K.o.-Tropfen schützen kann, wenn nicht einmal dem Personal richtiges Vertrauen geschenkt werden kann.

Ein hundertprozentiger Schutz ist einem nie gegeben. Mittlerweile ist es aber möglich, einen Schnelltest vor Ort durchzuführen. Um sein Getränk auf K.o.-Tropfen zu testen, wurde ein sogenanntes Schutz-Armband erfunden. Für bereits 5,95 Euro kann man dies im Drogeriemarkt erwerben. Um den Test durchzuführen, muss nur ein wenig Flüssigkeit aus dem zu testenden Getränk auf ein Testfeld getupft werden. Schon nach zwei Minuten soll sich das Testfeld verfärben. Färbt es sich blau, beinhaltet das Getränk K.o.-Tropfen. Bleibt es grün, ist der Test negativ. Schon das Tragen des Armbands soll Täter abschrecken und einen selbst daran erinnern, vorsichtig und achtsam zu sein. Es wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass sich das Testfeld bei Regen und reinem Wasser aus Sicherheitsgründen ebenfalls blau verfärbt. Der Test kann also schnell verfälscht werden. Das Armband kann jedoch nicht alle Substanzen nachweisen, welche als Knockout-Mittel verwendet werden können und kann so keinen vollen Schutz bieten. Facharzt Jörg Mardner ist skeptisch, ob auf das Schutzarmband Verlass ist. Die Tests können seiner Meinung nach eine falsche Sicherheit erzeugen. Sobald Wasser auf das Testfeld kommt, ist der Substanznachweis nicht mehr machbar.

Ob man das Armband also nutzen möchte, ist natürlich jedem selbst überlassen. Verlassen sollte man sich darauf aber im Notfall nicht. Um sich sicherer zu fühlen und mutmaßliche Täter abzuschrecken, ist dieses Armband eine gute Sache. Trotzdem sollte jede/r auf Partys, in Lokalen oder generell bei öffentlichen oder auch privaten Veranstaltungen aufpassen und auf einige Punkte achten:

  • Das Getränk nie unbeaufsichtigt lassen
  • keine Getränke von fremden Personen annehmen
  • Getränke selber bestellen und entgegennehmen
  • am besten aus Flaschen statt Gläsern trinken
  • möglichst nicht alleine bleiben, da man schnell abgelenkt werden kann und so die Tropfen leicht eingeflößt werden können, also: nicht ablenken lassen!
  • aufeinander achten und sich in merkwürdigen Situationen nicht aus den Augen lassen
  • Hilfe beim Personal suchen
  • bei Verdacht: sofort in die Notaufnahme oder ärztliche Hilfe holen
  • Geld für ein Taxi für den Notfall dabeihaben

Den Satz „Pass auf deine Getränke auf und nimm nichts von Fremden an“ hat wahrscheinlich schon jeder von seinen Eltern gehört. Niemand rechnet damit, dass einem selbst diese Drogen verabreicht werden können und niemand rechnet damit, ausgeraubt oder sogar vergewaltigt zu werden.

Es passiert aber öfter, als man denkt.

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