Bereits ein sorgfältiger Blick in den wöchentlichen Plastikmüll reicht, um festzustellen, dass ein Großteil der Abfälle aus Verpackungen von Lebensmitteln besteht. Laut des Umwelt-Bundesamts fielen 2015 18,2 Millionen Tonnen Kunststoffe und Leichtverpackungen in deutschen Haushalten als Müll an. So kommt es, dass jährlich 219 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf weggeschmissen werden. Seit 2008 steigt die Zahl. Das verdeutlicht, dass einfaches Recycling das Problem nicht aus der Welt schafft, sondern etwas am Konsum geändert werden muss.
Aus dieser Entwicklung hat sich die sogenannte Zero-Waste-Bewegung gebildet, in der es darum geht, Abfälle in Haushalten auf ein Minimum zu reduzieren. Teil dieser Bewegung sind die Unverpackt-Läden, deren Idee so simpel wie clever ist. Alle Artikel befinden sich lose in Auffüllbehältern, Gläsern oder Körben und können nach eigenem Ermessen abgefüllt und verstaut werden. Die mitgebrachten Transportbehälter werden zunächst vor Ort abgewogen, um an der Kasse das Endgewicht der Ware und den Preis zu ermitteln. Dies setzt natürlich eine gewisse Flexibilität und Planungssicherheit voraus. Da es zudem auch in den meisten Städten nur eine Filiale gibt, symbolisiert der gewöhnliche Supermarkt um die Ecke für die meisten Studierenden und Arbeitstätigen noch immer die schnellere Einkaufsmöglichkeit.
Discounter preislich im Vorteil?
Dennoch ist das Kundenbild sowohl vom Alter als auch von der Einstellung bunt gemischt, erklärt Daniela Gunkelmann, die Filialleiterin von „Wunderbar Unverpackt“. Ihr Geschäft befindet sich in der Braunschweiger Innenstadt und erfreut sich seit Ende 2016 wachsender Beliebtheit. Auf den ersten Blick scheinen Discounter auch preislich im Vorteil zu sein. Doch dabei wird meistens nicht bedacht, dass fast das gesamte Sortiment von Unverpackt-Läden Bio- und Fair-Trade-Ware ist und im Beispiel der Berliner Filiale „Original Unverpackt“ darauf geachtet wird, weitestgehend regionale Produkte zu verkaufen, um Kleinbauern zu unterstützen. Zudem lassen sich durch die individuelle Einkaufsmenge enorme Größen an Abfall vermeiden, die durch zu große Packungsinhalte von verderblichen Lebensmitteln entstehen.
So ergab eine Studie von WWF, dass in der Produktwertschöpfungskette 7,2 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle allein beim Endverbraucher entstehen. Diese seien zu 70 Prozent vermeidbar. Der verpackungsfreie Einkauf vermindert somit nicht nur den Verpackungs-, sondern auch den Lebensmittelabfall.
Vergleicht man die Größenverhältnisse eines Discounters mit der geringen Verkaufsfläche von „Wunderbar Unverpackt“, stellt sich die Frage nach der Warenvielfalt. Auf der offiziellen Internetseite findet man einen Katalog mit sämtlichen angebotenen Waren. Das Ergebnis ist verblüffend: Das Sortiment umfasst knapp 600 Artikel. Neben Lebensmitteln findet man auch Hygiene- und Haushaltsmittel, welche es teilweise in so vielen verschiedenen Ausführungen gibt, dass kein Supermarkt mithalten kann. So lassen sich neben exotischen Gewürzen und Teesorten auch Granatapfelkernöl oder Schafsjoghurt finden. Der Grundbedarf des Ottonormalverbrauchers ist somit großzügig gedeckt.
Knapp sechzig Unverpackt-Läden in drei Jahren entstanden
„Es ist Gott sei Dank ein Trend für das umweltbewusstere Einkaufen in der Gesellschaft zu erkennen“, meint Gunkelmann. Die Eröffnung von mittlerweile über 58 Unverpackt-Läden innerhalb von drei Jahren verdeutlicht dies. Sogar große Discounterketten wie Rewe, Edeka oder Penny ziehen jetzt nach. Nachdem in den meisten Läden seit 2016 Plastiktüten nicht mehr regulär verkauft werden, gibt es auch mittlerweile die ersten Frischetheken in Duisburg oder Binzen, bei denen die Ware in mitgebrachten Behältern verpackt wird. Auch das Laserbranding von Obst und Gemüse als Ersatz für Preisetiketten oder der Einsatz von kompostierbaren Obstschalen führt den Wandel vor Augen. Gunkelmann sieht diese Entwicklung positiv, weist aber dennoch darauf hin, dass große Supermarktketten ihren eigenen Hygieneauflagen zum Opfer fielen und es letztlich nur um den Umsatz ginge.
Die Unverpackt-Läden nehmen in diesem Fall eine Schlüsselrolle ein. Nachhaltiger Konsum erfordere Individualität, welche hier dem Konsumenten im Vergleich zu Discountern geboten werden könne, sagt Gunkelmann. Sie ist der Meinung, dass „es ein Konzept ist, das sich weiter durchsetzen wird“ und nach und nach bei den Leuten besser ankommen werde. „Wunderbar Unverpackt“ feierte Anfang Dezember sein einjähriges Bestehen. Zu diesem Anlass wurde die Planung für die Eröffnung einer weiteren „Wunderbar Unverpackt“-Filiale in Göttingen über eine Crowdfounding-Aktion bekanntgegeben. Bei erfolgreicher Integration der Göttinger Filiale sei laut Daniela Gunkelmann auch die Erschließung eines Unverpackt-Ladens in Salzgitter möglich.