Vitaminpräparate – sinnvolle Ergänzung oder Gesundheitsrisiko?

Rund ein Drittel der Deutschen nehmen regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel in Form von Tabletten, Kapseln oder Pulver zu sich. Die Einnahme soll eine positive Auswirkung auf den Körper haben. Doch halten die Vitamintabletten auch das, was die Hersteller versprechen?

Ganz nach dem Motto „one pill a day keeps the doctor away“ nehmen viele Menschen in Deutschland Nahrungsergänzungsmittel zu sich. Vitamintabletten und Co. sollen im Idealfall Obst und Gemüse ersetzen. Sie bestehen aus künstlich hochdosierten Vitaminen und zählen zu Lebensmitteln. Anders als bei natürlichen Vitaminen, die auch in höheren Mengen nicht schädlich sind, ist das Risiko einer Überdosis bei künstlichen Vitaminen recht hoch. Das liegt daran, dass es bis jetzt in der EU noch keine verbindlichen Vorgaben der Dosierung der Vitamine oder Mineralstoffe gibt. Orientierung bieten nur Höchstmengenempfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). In geringen Mengen können die Zusätze tatsächlich helfen und sind in Einzelfällen sinnvoll. Doch in den meisten Fällen kommen die Produkte zu hoch dosiert auf den Markt und auch die Verbraucher nehmen diese unbedacht in zu hohen Mengen ein. Stiftung Warentest untersuchte 35 Präparate, die sowohl in der Drogerie als auch im Internet oder in der Apotheke erhältlich sind. 26 Mittel überschritten die empfohlene Tageshöchstdosierung, zehn waren „drastisch hoch dosiert“.

Mit Vitaminen werden positive Auswirkungen auf unseren Körper assoziiert. Die Vitaminzusätze sind im Prinzip die Gegenbewegung zu unserem Fast-Food-Konsum, da sich die Verbraucher dadurch einen gesunden Ausgleich erhoffen. Jedoch kann eine Überdosis der vermeintlich gesunden Tabletten schwerwiegende Folgen mit sich bringen. Besonders fettlösliche Vitamine wie Vitamin A, D, E und K können bei einer Überdosis krank machen. Zu viel Vitamin D kann beispielsweise Nierenschäden verursachen oder zu Störungen des Calciumstoffwechsels und der Knochengesundheit führen. Ebenso wurde eine Alterung des Organismus festgestellt, wenn eine überhöhte Zunahme von künstlichen Vitaminen vorlag. Dies kann im schlimmsten Fall zu Krebs führen. So gilt Vitamin A als Rauchervitamin, um Lungenkrebs vorzubeugen, doch bei einer Untersuchung stellte man genau das Gegenteil fest: es erkrankten mehr Menschen an Lungenkrebs, die Vitamin A Tabletten regelmäßig einnahmen, als Menschen ohne Zufuhr von Präparaten. Gerade zur kalten Jahreszeit sind Vitamin C Tabletten ein beliebtes Nahrungsergänzungsmittel, welches gegen eine Erkältung helfen und das Immunsystem stärken soll. Allerdings erhöht eine Überdosis an Vitamin C das Risiko für Nierensteine.

Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ist regelrecht ein weltweiter Trend in den letzten Jahren geworden. Die vermeintlich gesunden Vitamine kann man nun sogar beispielsweise in Form von Gummibärchen naschen. Die künstlichen Zusätze gelten bei vielen als eine Art Wundermittel und werden erst seit einigen Jahren auf ihre Gefahren untersucht. Trotz schon fortgeschrittener Aufklärung über die Präparate, werden diese weiterhin für Milliarden von Euros pro Jahr verkauft. In der Werbung wird einem das Bild einer gesünderen Ernährung durch Tabletten und Co. vermittelt. Dabei werden diese nicht einmal auf Wirksamkeit und Sicherheit überprüft, bevor sie auf den Markt kommen. Die Verbraucher lassen sich durch die Verkaufsstrategie der Hersteller verunsichern und kaufen vorsorglich. Dadurch werden sogar Menschen angelockt, die eigentlich gar keine Zusätze bräuchten. Die Käufer sind sich der möglichen Risiken oft gar nicht bewusst, da sie nicht ausreichend über die Produkte informiert werden. Dabei könnte einfach der frische Apfel aus dem Supermarkt die Lösung sein. Er enthält neben wichtigen Vitaminen wie Vitamin B1, B2, B6, C und Provitamin A, auch Niacin und Folsäure. Zudem kommen noch ein hoher Gehalt an Ballaststoffen, Flavonoiden und Polyphenolen, die den Körper von Stoffwechselgiften reinigen. Außerdem schützen die Vitamine C, E und B den Körper in Stresssituationen und beugen Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. „Nahrungsergänzungsmittel können niemals Obst oder Gemüse ersetzen“, sagt der Ernährungsmediziner Christian Sina im Interview gegenüber der Zeit. Mit dieser Meinung steht er nicht allein da.

Auch Silke Restemeyer, Ernährungswissenschaftlerin, behauptet, dass das Einnehmen von Nahrungsergänzungsmitteln nicht die Regel sein sollte, sondern eine Maßnahme, auf die in besonderen Situationen zurückgegriffen wird. In Fällen wie beispielsweise einer schweren Entzündung wie Morbus Crohn, einer Entzündung des Darms, kann es zu einem Nährstoffmangel kommen. Dieser wird dann unter anderem mit ergänzenden Präparaten behandelt. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sind Vitamintabletten in geringen Mengen aber auch bei einem starken Vitamin D Mangel nicht schädigend. Auch bei Säuglingen sind Vitamin D und K Zusätze empfehlenswert, da diese noch nicht ausreichend natürliche Vitamine aufnehmen können. Bei einer rein pflanzlichen Ernährung sollte darauf geachtet werden, genügend Vitamin B12 und Eisen zu sich zu nehmen. Für ältere oder kranke Menschen sei eine Zugabe von Omega-3Fettsäuren, Eiweiß, Zink und Selen sinnvoll.

Oft begründet die Industrie die Einnahme von ergänzenden Präparaten damit, dass durch die verarmten Böden heutzutage eine ausreichende Mineralstoffversorgung grundsätzlich nicht mehr möglich sei. Jedoch ist dies nur ein Gerücht. In Deutschland sind wir mit genügend Vitaminen und Mineralstoffen versorgt, sodass eine ausgewogene Ernährung ausreichen sollte. Nur bei einem starken Mangel oder Krankheiten, kann man nach Absprache mit seinem Arzt die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln in Erwägung ziehen. Denn Vitamine, die Menschen mit einem zu niedrigen Vitamingehalt im Blut oder einer Erkrankung helfen, haben für gesunde Menschen keine Wirkung oder sind im schlimmsten Fall schädlich. Mit einer ausgewogenen Ernährung und genügend Bewegung ist, auch ohne dem Zusatz von Präparaten, ein gesunder Lebensstil möglich.

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