W, 23, unordentliche Möchtegern-Ballerina sucht: Billig, 15m² groß, Uninah.

WG-Besichtigung ist, wenn kiffende Hippies auf Anzugträger und Veganer auf Eiweißshakeinhalierende Sportler treffen. Der ganze Prozess gleicht einem Hindernislauf, selbst in einer 250.000 Einwohnerstadt ist es nicht einfach die richtige WG zu finden.

Die Suche nach der (un)perfekten Wohngemeinschaft gestaltet sich heutzutage mehr als schwierig. Eine Vollzeitbeschäftigung, bei der man oft keine Erfolge erzielt. Die Lage, das Budget und natürlich die neuen Mitbewohner müssen im Einklang sein. Von WG zu WG werden die Ansprüche runtergeschraubt und Anzeigen wie: „Die Wohnung hat nur einen Raum, eventuell könnten wir ‘ne Zwischenwand bei Ikea holen oder ‘nen Vorhang spannen?!“ klingen irgendwann ganz schön verlockend. Warum? Studierende sind verzweifelt, arm und anpassungsfähig. Wenn in einer WG Humor erwünscht ist, dann leihe ich mir verdammt noch mal ein Witzebuch aus, um gut vorbereitet zu sein.

Das man so nicht immer das gewünschte Ergebnis erzielt, muss ich an dieser Stelle nicht deutlich machen. Egal, beim 395 Mal habe ich bestimmt Glück. Aufgeben kommt nicht infrage, dann lieber ein bisschen die Bewerbung pimpen. Aus: „Ich hasse kochen.“ wird „Ich liebe es, gemütlich in der Küche zu sitzen und mit meinen Mitbewohnern nett zu essen“. Klingt solide. Dass das Copy and Paste ist, fällt hoffentlich nicht auf. Überall stehen Sätze wie: „Gemeinsames Kochen, Sport machen und Feierabendbier trinken gehört bei unserer WG zum Alltag dazu“. Nur das mit dem Bier finde ich gut.

Aber wieso erweist es sich denn so schwer in einer 250 000 Einwohnerstadt eine WG zu finden? Es gibt natürlich immer zwei Seiten der Medaille.

FKK, nein Danke

Eine Vierer-WG in der Innenstadt mit großem Balkon und guter Verbindung zur Uni wirbt mit nackten Tatsachen. „Auch offen für kleine Penisse“, heißt es, „freizügig und tolerant“. Meine Grenzen sind erreicht, ich habe ja nicht mal einen kleinen Penis. Jeder sucht eben nach seinesgleichen, manchmal passt es aber auch einfach nicht. Leider ist es nicht möglich sowas auf Anhieb herauszulesen. Wenn kiffende Hippies auf Anzugträger-, oder Veganer auf Eiweißshakeinhalierende Sportler treffen ist die Wohnungsbesichtigung aber doch schneller vorbei als erwartet. Der ganze Prozess gleicht einem Hindernislauf.

Codewort: Apfel

Fast jeder kennt es auf der anderen Seite der Macht zu stehen und auszusuchen statt zu suchen. Die Not der Studenten ist so groß, dass sich viele WGs vor Anfragen kaum noch retten können. Ob Kira, Tizian, Franio oder Paula, sie alle erwarten eine Antwort und aktualisieren das Postfach immer zu. Auf jeden individuell und zeitnah einzugehen ist aber nicht so leicht. Ist das Zimmer noch frei, komme ich sympathisch rüber, war die Bewerbung vielleicht zu kurz vs. Wie viele laden wir ein, wer könnte zu uns passen, welcher Text ist am ansprechendsten. Die und noch mehr Fragen stellen sich Bewerber und Jury. Ist der erste Kontaktversuch erfolgreich gewesen, gibt es ewigen Schriftverkehr. Die Whatsapp-Gruppen glühen.

WG: „Ich habe diesen dualen Studenten für Mittwoch 18 Uhr eingeladen. Ja, nein?“
Mitglied1: „Passt.“ Mitglied2 „Sollte gehen.“ Mitglied3 „Puh, klappt’s auch wann anders?“ Jede Mitbewohnerdiskussion, immer. Nachdem diese Hürde überwunden und endlich ein Termin gefunden wurde, kann es losgehen. Bei uns in der WG wurden vorab essenziell wichtige Abmachungen getroffen. Wenn Bewerber keinen guten Eindruck machen und wir keine Zeit an ihn verschwenden wollen, dann wirft einer das Stichwort „Apfel“ in den Raum. Wenn der Eindruck einseitig ist, dann ist es natürlich gestattet Veto einzulegen. Dieses geschieht durch das Wort „Birne“. Das wir nicht die kreativsten sind, ist hiermit wohl offensichtlich. Zu unserer Verteidigung, dieser Plan entstand nach einem sehr langen Tag.

Home, sweet Home!

Das klingt alles sehr negativ? Ist es aber nicht! Irgendwann wird immer was für gut befunden. Mit jeder Besichtigung und jedem Interview wächst die Neugierde neues kennenzulernen. Am Stadtgespräch teilnehmen ist kein Problem mehr. Land und Leute werden durchleuchtet und Insiderwissen ausgetauscht. Ob große, chaotische oder stille WG’s zu einem passen, wird an der Anzahl der Besuche gemessen. Und wie sagt man so schön: Klopf, Klopf. Wer ist da? Eine Tür die zu ist. Zu wieso? Damit sich eine andere öffnet.

Total
0
Shares
Ähnliche Beiträge
Mehr lesen

Die Verlorene Zeit

Müde, überfordert, gefangen in der Dauererreichbarkeit. Endlose Geschichten und Universen, in die wir abtauchen könnten, wir entscheiden uns für TikTok. Wie finden wir den Eingang zurück in die friedliche Welt der Bücher, weit weg von der Gleichzeitigkeit unserer heutigen Realität?
VON Liza Löfstedt
Mehr lesen

Blutspendeverbot – Leben retten kennt keine Sexualität

Blutspenden können Leben retten und werden tagtäglich benötigt. Doch nicht jeder darf helfen. Aufgrund der erhöhten Infektionsgefahr dürfen bi- und homosexuelle Männer in Deutschland nur bedingt spenden. Erfährt hier, ob sich diese Regelung fundiert begründen lässt und wie sich Betroffene zu dieser kontroversen Thematik äußern.
VON Jacqueline Kurjahn