Am 18. Februar 2021 landete der Mars-Rover Perseverance nach einer 480 Millionen Kilometer langen und sieben Monate dauernden Reise auf unserem roten Nachbar-Planeten.
Dieser Meilenstein der Wissenschaft und Forschung bekam international viel Achtung und Anerkennung. Ablehnende Kommentare sorgen sich aber stets um die Finanzierung und hinterfragen den Nutzen einer ausgiebigen Weltraumforschung. Dabei birgt die Erkundung der unendlichen Weiten neben vielen technischen Errungenschaften auch Möglichkeiten, unsere Vergangenheit besser zu verstehen und daraus wichtige Erkenntnisse für unsere Zukunft zu ziehen.
Nach jeder erfolgreichen Landung oder nach großen Missionserfolgen gehen die Bilder der jubelnden NASA-Ingenieure aus dem Kontrollzentrum um die Welt. Diese Begeisterung wird aber nicht von allen geteilt. Schaut man sich online Kommentare zu aktuellen Nachrichten der Weltraumforschung an, werden die NASA und ähnliche Behörden von vielen als Geldverschwendung angesehen. Es gäbe genügend Probleme auf der Erde; das in den Weltraum geschossene Geld wäre anderswo deutlich besser angelegt. Ein solches Investment ins Nichts könne sich nicht rechtfertigen lassen; die Untersuchung von fernen Planeten und dem weiten All sei sicherlich nicht lohnenswert.
Diese Art der Argumentation ist nicht neu. Beflügelt durch John F. Kennedy landete 1969 zum ersten Mal ein Mensch auf dem Mond. Alles schien auf ein Zeitalter der Exploration und des Aufbruchs hinzudeuten. Es wurde von Kolonien auf dem Mond und Reisen zum Mars noch im 20. Jahrhundert geträumt. Doch das Interesse schwand rasch. Der Wettlauf ins All hatte seinen Höhepunkt erreicht. Danach ließen sich solch immense Kosten nicht mehr rechtfertigen. Das Apollo-Programm wurde 1972 eingestellt und seitdem betrat kein Mensch mehr einen fremden Himmelskörper. Die Träumer von damals wären heute, fast 50 Jahre später, vom gegenwärtigen Stand wohl arg enttäuscht und könnten sich fragen, ob der Mensch denn jeglichen Entdeckergeist verloren hat.
Seit dem Ende des Kalten Krieges lassen sich große Mittel für eine ausgeprägte Weltraumforschung daher nur schwerlich beschaffen. Dabei sind die Gründe vielfältig, auch heute noch große und neue Investitionen in die Wege zu leiten.
1. Ein Tropfen auf dem heißen Stein
Das Hauptargument gegen Forschung fern von der Erde ist oft das Geld. Eine solche Menge an Ressourcen und Arbeitskraft könne diese Masse an Investitionen doch nicht wert sein. Gute Argumente gegen die Verschwender-These lassen sich jedoch schnell finden. Bei vielen Menschen existiert ein falscher Eindruck oder mangelndes Wissen von den Größenbereichen, um die es bei solchen Beträgen geht. 2020 wurden der NASA 22,6 Milliarden US-Dollar von der US-Regierung zur Verfügung gestellt. Das klingt erstmal nach einer Menge, entspricht aber nur einem Anteil von gerade einmal 0,48% des Gesamt-Budgets des Jahres 2020. In den 1960er-Jahren, zu Zeiten von Apollo 11 und Co, lag dieser Betrag noch um ein Neunfaches höher. Zum Vergleich: das US-Militär bekommt über das 30-Fache, nämlich 778 Milliarden US-Dollar. Zusätzlich produziert die NASA durch mehr als 312.000 Jobs, Fortschritte in Wissenschaft und Technologie sowie Verbesserungen für die Menschheit und eine Wirtschaftsleistung von knapp 65 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
2. Himmelfahrt Deutschland
Weltraumforschung beschränkt sich dabei nicht nur auf die NASA, die USA, Russland und China, sondern auch in Deutschland wird an vielen Standorten an der Untersuchung des Weltraums gearbeitet. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat seinen Hauptsitz in Köln und ist mit 30 Standorten deutschlandweit vertreten. Der kleine Ort Oberpfaffenhofen bei München ist dabei der für den Weltraum wichtigste Standort. Hier wird mit rund 1600 Mitarbeitern knapp 90% der von Deutschland ausgehenden Weltraumforschung betrieben. Die behandelten Forschungsfelder reichen von der Raumfahrtkontrolle über Atmosphärenforschung bis hin zur Kommunikation und Navigation.
Die Erkundung des Weltraums bietet dabei eine Unmenge von technischen Möglichkeiten für Forschungen, Untersuchungen und Tests. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse lassen sich zu großen Teilen auch auf der Erde einsetzen und bringen einen enormen technischen Fortschritt mit sich.
Im April 1993 flogen mit Ulrich Walter und Hans Schlegel zwei deutsche Astronauten an Bord des Space-Shuttles ins All. Die dabei durchgeführten Experimente, bei denen ein Roboterarm ein freifliegendes Objekt autonom aus der Luft greifen konnte, gelten als wegweisend für Deutschlands Beteiligung an Weltraumautomatisierung und Robotik. „Dieses Experiment war die Grundlage dafür, dass Deutschland heute, fast 30 Jahre später, eine der führenden Nationen zum Thema Weltraumrobotik ist.“, so Andreas Schütz, Pressesprecher des DLR. Die so gewonnen Erkenntnisse und die dabei entwickelte Technologie können heute in allen Industriebereichen eingesetzt werden.
Das führt dazu, dass eine Firma wie die Kuka AG, die von der im Robotik- und Mechatronik-Zentrum des DLR entwickelten Technik profitierte und so groß wurde, heute zu den führenden Firmen in der Industrierobotik zählt, so Schütz.
3. Ohne Satelliten und Co?
Zu den weiteren Errungenschaften von ausgeprägten Investitionen ins All zählen alle Arten von Erfindungen, die ebenso vielseitig auf der Erde eingesetzt werden können. So wurden für Weltraummissionen zum Beispiel Verbesserungen für Solarzellen, integrierte Schaltkreise oder Wasserfilter entwickelt. Der erste tragbare Computer wurde hauptsächlich von der NASA genutzt.
Auch mitdenkende Software verdankt viele ihrer großen Fortschritte den Investitionen ins All. Der Mars-Rover Perseverance beispielsweise kann nur bedingt von der Erde aus gesteuert werden. Durch die unglaublichen Entfernungen zwischen uns und unserem Nachbar-Planeten brauchen Signale trotz Lichtgeschwindigkeit bis zu 20 Minuten. Ein genaues Lenken wird so unmöglich. Durch einen Autopiloten und ein autonomes Navigationssystem lassen sich diese Defizite jedoch ausgleichen. Die dafür entwickelte künstliche Intelligenz kann heute ebenso Anwendung auf der Erde finden, sei es in Autos oder der Luftfahrt.
Eine der wichtigsten Instrumente der Bemühungen im All ist die Erdbeobachtung. Darunter fallen zum Beispiel Wetterbeobachtung, Katastrophenmanagement und -schutz oder Erntevorhersagen. Andreas Schütz sieht darin in den nächsten Jahren massive Entwicklungen, die uns völlig neue Werkzeuge in die Hand geben, um unseren Umgang mit Themen wie Umwelt und Klima besser zu verstehen.
Andere Investitionen und Technologie im All halten wir heutzutage für selbstverständlich. Ohne Satelliten wäre unsere Navigation und Kommunikation bei weitem nicht so ausgereift, wie sie es heute ist.
4. Weltraumforschung (be)schützt uns
Die Weltraumforschung dient zusätzlich auch der Abwehr von Gefahren aus dem All. Asteroideneinschläge auf der Erde sind jederzeit möglich, mit allen verheerenden Folgen, die vorstellbar sind. Zwar sind die meisten großen Objekte in Erdnähe bekannt und ein Einschlag wäre in den meisten Fällen Monate oder gar Jahre vorher absehbar, durch die immense Größe des Weltraums ist aber eine hundertprozentige Wahrscheinlichkeit unmöglich. Am 26. Juli 2019 passierte ein Asteroid mit dem Namen 2019 OK mit gut 90 Metern Durchmesser in einem Abstand von 72.000 Kilometer die Erde – das ist fünfmal näher als der Mond. Ein Einschlag auf der Erdoberfläche hätte Energie von vielen Megatonnen TNT ausgelöst, ein Vielfaches der Atombombe von Hiroshima. Entdeckt wurde 2019 OK nur einen Tag zuvor.
Weitere Gefährdungen aus dem Weltraum, wie beispielsweise Gammablitze, die bei der Explosion von Sternen entstehen und mehr Energie in wenigen Sekunden freisetzen als die Sonne in ihrem gesamten Leben, können nur durch ein stetes Beobachten des Alls verstanden und verhindert werden.
5. Die WissenschaftlerInnen von Morgen
Die neuen Kommunikationsformen des 21. Jahrhunderts bringen viele neue Möglichkeiten. Entgegen der Ablehnung von einigen bietet die Weltraumforschung aber vor allem Inspiration und Faszination. Zur Landung von Perseverance hat das DLR zusammen mit dem ZDF eine Online-Sendung mit zwei jungen Wissenschaftlerinnen produziert. Das positive Echo darauf war sehr groß. Es gab viele Rückmeldungen von Eltern, deren junge Töchter den Auftritt der beiden Wissenschaftlerinnen verfolgten und gesagt haben: „Das will ich auch machen.“
Das Unbekannte erforschen zu wollen, ist eine Ureigenschaft des Menschen. Neue Dinge zu erleben und in einer Weise irgendetwas zu lernen, treibt uns alle an. Man stelle sich vor, Christoph Kolumbus wäre nicht gen Westen gesegelt, nur weil es in Europa andere Probleme gab und Geld auch an übriger Stelle von Nöten gewesen wäre.
Perseverance steht jetzt auf dem Mars. Großes Ziel der Mission ist es, Gesteinsproben auf Biosignaturen zu untersuchen, um so unter anderem Rückschlüsse über mögliches Leben außerhalb der Erde zu gewinnen. Erde und Mars waren sich einst sehr ähnlich. Auch auf dem Mars gab es vermutlich gigantische Ozeane, Seen und Flüsse – gefüllt mit Wasser, welches als Voraussetzung für Leben gilt. Um zu verstehen, ob und wann sich auch Leben auf dem Mars entwickelt haben kann und um die Unterschiede zu unserem Planeten zu erforschen, ist der neue Mars-Rover mit den Ambitionen von tausenden WissenschaftlerInnen unterwegs. Mikroben von anderen Planeten können uns über unsere eigene Biologie eine enorme Menge an Informationen liefern.
Und dann?
Alle Sterne sind endlich, auch unsere Sonne macht dabei keine Ausnahme. Die Erde wird nicht für immer bewohnbar sein. Den Planeten zu verlassen, ist in ferner Zukunft die einzige Möglichkeit des dauerhaften Überlebens. In der nahen Zukunft wird dank des Artemis-Programms zum ersten Mal seit über 50 Jahren der Mond wieder von einem Menschen betreten werden – danach geht der Blick nach vorne. Der erste Mensch auf dem Mars ist heute bereits geboren, eine bemannte Landung vor dem Jahr 2050 scheint möglich und wahrscheinlich.
Der grenzenlose Weltraum bietet unendliche Möglichkeiten zum Entdecken und Erforschen für die Zukunft des Menschen. Der Blick nach vorne ist der Blick nach oben.