Wenn der Kleiderschrank aus allen Nähten platzt

Altes raus, Neues rein. Doch wohin nur mit der aussortierten Kleidung? Viele Menschen wählen den Weg der Kleiderspende. Aber ist das die ideale Lösung? Unsere Autorin Sara stellt unterschiedliche Möglichkeiten vor.

„Ich spende meine Kleidung, anstatt sie wegzuwerfen, um Menschen zu helfen, die sich vieles nicht leisten können“, sagt eine Studentin der Ostfalia Hochschule in Salzgitter. Sowohl sie als auch weitere befragte Studierende der Region glauben, mit ihrer Spende bedürftige Personen in Deutschland oder in anderen Ländern erreichen zu können. „Ich bin überzeugt davon, dass ich damit etwas Gutes tue“, antwortet sie voller Stolz. Es könnten ihrer Ansicht nach damit sogar nicht nur Menschen, sondern auch soziale Institutionen, wie zum Beispiel die Lebenshilfe, unterstützt werden.

Ein ähnliches Meinungsbild spiegelt auch eine Befragung der Forschungsinstitution forsa im Auftrag des Bundesverbands für Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bsve) wieder, die im März 2013 durchgeführt wurde: Von ungefähr tausend Personen aus Deutschland gaben 86 Prozent der Teilnehmer an, ihre Kleider abzugeben, um hilfsbedürftige Menschen oder karitative Organisationen zu unterstützen. 54 Prozent erwähnten zusätzlich, mit ihrer Spende etwas Gutes zum Umweltschutz beitragen zu wollen.

In Deutschland werden jährlich insgesamt circa eine Millionen Altkleider gespendet. Der Weg ist dabei auf viele unterschiedliche Arten und Weisen möglich. Man kann seine Klamotten unter anderem direkt bei Second-Hand-Läden abgeben, wie zum Beispiel Oxfam, aber auch bei Kleiderkammern, bei Sozialkaufhäusern sowie bei verschiedenen Modeunternehmen.

Große Modeketten werben schon seit einiger Zeit mit verschiedenen Aktionen, die zum Kleiderspenden anregen sollen: H&M bietet mit seinem „Garment Collecting Programm“ zum Beispiel die Möglichkeit, einen Gutschein für seinen nächsten Einkauf zu erhalten, wenn man einen Kleidersack in den Sammelcontainer des jeweiligen Stores abgibt. „Ich habe einen Sack Klamotten der darauf wartet, bei H&M abgegeben zu werden“, sagt auch eine andere Studentin der Ostfalia Hochschule in Salzgitter, „Ich finde es ist eine tolle Sache. Man wird dafür belohnt, Gutes zu tun.“

 

Glaubwürdiges Handeln für ein Fast-Fashion-Unternehmen?

Die gespendete Kleidung solle nach Angaben der H&M-Homepage, je nach Zustand, als Second-Hand-Ware auf der ganzen Welt weiterverkauft, zu anderen Produkten verarbeitet oder auch an Textilforschungsprojekte weitergegeben werden. Ziel sei es, die gesamte Müllproduktion zu reduzieren und einen Beitrag für die Umwelt zu leisten.

Gutschein von H&M (Quelle:Sara Paruschkewitz)

Für eine Modekette, die aber selbst Ware zu einem sehr billigen Preis anbietet und damit den stetigen Kauf neuer Kollektionen und Trends unterstützt, eigentlich ein klarer Widerspruch: Durch die günstigen Angebote und regelmäßigen Rabattaktionen wird Kleidung ohne großes Zögern gekauft. Im Durchschnitt würde jeder Deutsche etwa 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr kaufen, obwohl der Kleiderschrank schon längst überfüllt sei. „Man will den Müllberg senken und gleichzeitig wird mit Rabattgutscheinen wieder zum Kauf animiert“, kritisiert Thomas Ahlmann, der Sprecher von FairWertung. Die Wegwerfmentalität würde seiner Meinung nach durch die Aktion nur weiter angeregt werden.

Für eine Modekette, die aber selbst Ware zu einem sehr billigen Preis anbietet und damit den stetigen Kauf neuer Kollektionen und Trends unterstützt, eigentlich ein klarer Widerspruch: Durch die günstigen Angebote und regelmäßigen Rabattaktionen wird Kleidung ohne großes Zögern gekauft. Im Durchschnitt würde jeder Deutsche etwa 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr kaufen, obwohl der Kleiderschrank schon längst überfüllt sei. „Man will den Müllberg senken und gleichzeitig wird mit Rabattgutscheinen wieder zum Kauf animiert“, kritisiert Thomas Ahlmann, der Sprecher von FairWertung. Die Wegwerfmentalität würde seiner Meinung nach durch die Aktion nur weiter angeregt werden.

Der dänische Fernsehsender TV2 berichtete vor einigen Jahren sogar, dass H&M wohl schon seit 2013 jährlich tonnenweise gut erhaltene Kleidung verbrenne. Das Modeunternehmen habe dieses Vorgehen zwar mehrmals bestritten und behauptete, dass es sich dabei nur um Kleidung handle, die zu stark mit Chemikalien belastet sei. Laboruntersuchungen ergaben jedoch, dass keine erhöhte Schadstoffbelastung hätte festgestellt werden können.

Sollte man nach derartigen Vorfällen nicht auch die Kleiderspende-Aktion hinterfragen? „Ich persönlich unterstütze die Aktion nicht, weil fragwürdig ist, was H&M im Anschluss mit den Sachen macht“, kritisiert eine Ostfalifa-Studentin im Interview. „Das Unternehmen müsste sehr transparent und glaubwürdig hinter nachhaltiger Textilwirtschaft stehen, was es aus meiner Sicht nicht tut.“

Eine weitere Möglichkeit, seine Klamotten zu spenden, stellen auch die ungefähr 120.000 Altkleidercontainer in Deutschland dar – gerade dieser Weg sei für viele am schnellsten und unkompliziertesten, um Kleidung loszuwerden. Aufgestellt werden diese Container von verschiedenen Wohlfahrtsverbänden. Die wohl bekanntesten sind die des Deutschen Roten Kreuzes. Hier stellt jeder Kreisverband die Container eigenständig auf. Wenn man wissen möchte, wo genau sich diese Altkleidercontainer in seiner Nähe befinden, hat man die Möglichkeit auf der Webseite des jeweiligen Anbieters ganz einfach seine Postleitzahl anzugeben: Auf einer Karte werden schließlich die Ergebnisse präsentiert.

Altkleidercontainer in Seesen (Quelle: Sara Paruschkewitz)

Das Deutsche Rote Kreuz selbst gibt auf seiner Homepage an, mit den gespendeten Kleidern jährlich circa über eine Millionen Menschen in Notlagen und schwierigen sozialen Situationen schnell und unbürokratisch helfen zu wollen. Ungefähr zehn Prozent der Kleidung, die gesammelt wird, würde dabei direkt an bedürftige Menschen weitergegeben werden. Der Rest würde an verschiedene Verwertungsindustrien verkauft werden, die die Kleidung schließlich weiterverarbeiten und als Rohstoff verwenden.

Doch ist es nicht gerade beim Weg über die Altkleidercontainer am schwersten zu erkennen, wo die eigenen Klamotten am Ende wirklich landen? Viele Medien versuchen heutzutage immer noch den Prozess genau aufzuklären, wie auch der Vorsitzende Ulrich Müller der Deutschen Kleiderstiftung in Spangenberg erwähnte. Noch immer herrsche hier also Unsicherheit bei den Betroffenen.

Diese Hemmung ist aber nicht ganz verwunderlich: Schon im Jahr 2011 geriet zum Beispiel das Deutsche Rote Kreuz durch die NDR-Doku Die Altkleiderlüge – Wie Spenden zum Geschäft werden in einen riesigen Skandal: Einige Altkleider-Exporte würden wohl in die ärmeren Länder Afrikas gelangen, wodurch die heimische Textilindustrie zerstört werden würde. Die Textilindustrie könne qualitativ gleichwertige Ware nicht zum gleichen Preis produzieren. Die Folge: Heimische Arbeitsplätze verschwinden, da sich die Menschen anstatt der teuren selbstproduzierten Kleidung lieber die günstigen gespendeten Klamotten kaufen, die auf dem Markt angeboten werden.

Das Deutsche Rote Kreuz hat nach den kritischen Reaktionen der Bevölkerung zu dem Thema selbstverständlich Stellung genommen und versucht seitdem zur Aufklärung und Spendentransparenz beizutragen. Da die einzelnen Verbände allerdings sehr in Eigenverantwortung arbeiten, ist es für die Beteiligten oft selbst schwierig, einen guten Überblick im Umgang mit der Kleiderspende zu bewahren. Noch immer ist umstritten, inwiefern diese wirklich den Leuten vor Ort helfen oder ob der Kleiderimport zum Beispiel komplett gestoppt werden sollte.

Das Deutsche Rote Kreuz versucht auch weiterhin, transparenter zu handeln, indem es zum Beispiel Träger verschiedener sozialer Institutionen und Second-Hand-Shops ist.

Insgesamt ist es sehr schwierig zu beurteilen, was mit den eigenen Klamotten wirklich passiert. Besonders, wenn man nicht selbst im Aussortierprozess oder Verwertungsprozess involviert ist. So ist die Kleiderspende über die Altkleidercontainer zwar für viele der unkomplizierteste Weg, aber gleichzeitig ist es auch der Intransparenteste. Wer wirklich möchte, dass seine Kleidung auch am Ende bei Bedürftigen ankommt, sollte direkt mit den Verantwortlichen bei einer Kleiderkammer oder einem Second-Hand-Laden sprechen und dies mit Nachdruck hinterfragen. „Ich kann nur empfehlen, die Ware dann tatsächlich auch vorbeizubringen bei den Leuten, die es dann weiterverkaufen oder veräußern. Da hat man dann auch einen besseren Eindruck“, sagt Christian Blümel, der DRK-Vorsitzende Braunschweig-Salzgitter. 

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