Lauras Stift schwebt über dem Papier. Weg ist die Motivation für die Deutschklausur. Jetzt ist da nur noch Unsicherheit. Eigentlich gibt es für die Unsicherheit keinen Anlass, Laura hat fleißig gelernt. Grund für die Hemmung ist das Wort „Rhythmus“. Lauras Herz klopft schneller und ihre Hände werden schweißnass. Schreibt man es nun mit einem „H“ hinter dem „R“ oder ganz ohne „H“´s? Oder kommen doch zwei „H“´s in dem Wort vor? Laura ist verzweifelt. Am liebsten würde Sie das Schreibprogramm auf ihrem Laptop öffnen: Wort eintippen, überprüfen ob es rot unterkringelt wird und sollte es rot sein, kann sie gleich die richtige Schreibweise anklicken. Es kann so einfach sein. Doch auf Lauras Papier funktioniert das leider nicht. Das Wort ist, übrigens wie viele andere auch, erst rot unterstrichen, als Laura ihre Arbeit korrigiert zurückerhält. Laura steht hier stellvertretend für wohl die meisten Schüler, Studenten und auch sonst viele Menschen, die sich eher auf die technischen Hilfsmittel, als auf das eigene Gefühl für die Rechtschreibung verlassen.
Die Verantwortung beginnt schon früh
„Es ist erschreckend zu sehen, wie viele Erstklässler beispielsweise bereits stundenlang „zocken“. Sie verbringen damit wesentlich mehr Zeit vor dem PC oder Tablet, als vor dem Schreibtisch. Leider gibt es viele Kinder, die zu Hause nicht lesen. Das wirkt sich natürlich negativ auf den Lernprozess aus.“ So lautet der Standpunkt der Grundschullehrerin Xenia M.
Schon die allererste Berührung mit den Themen Schreiben, Lesen und Textverständnis bietet viel Raum für Fehler. Diese sind in den folgenden Jahren schwer zu beheben. Laut der Internationale Grundschul – Lese – Untersuchung (IGLU) von 2017 kann jedes 5. Kind im Alter von 10 Jahren in Deutschland nicht so lesen, dass es den Text auch wirklich versteht. Die Ergebnisse der Programme for International Student Assessment (PISA) Studie von 2018 zeigen, dass über ein Fünftel der deutschen Schüler im Alter von fünfzehn Jahren leseschwach sind. Das bedeutet, dass sie den Sinn eines Textes nicht verstehen können. Aber sollte man hier die Verantwortung allein in den Schulen suchen? Xenia M. sieht hier die hauptsächliche Verantwortung tatsächlich in den Schulen, allerdings sei es sehr wichtig, dass die Eltern zu Hause mit ihren Kindern das Erlernte wiederholen und üben.
Es gibt verschiedene Ansätze, um Kindern die Rechtschreibung beizubringen. Spiegel Online stellt in einem Artikel mehrere Methoden des Erlernens vor, die auffallendsten zwei davon sind das „Lesen durch Schreiben“ und der „systematische Fibelansatz“. Die Studie zur Schreibdidaktik der Universität Bonn zeigt, dass unabhängig davon, wie geeignet oder ungeeignet eine Lehrmethode auch ist, immer die Lehrer die ausschlaggebenden Faktoren für den Erfolg oder Misserfolg der Schüler sein werden. Nur ein engagierter Lehrer kann sein Wissen auch angemessen weitergeben, so der Inhalt der Studie.
Lernansätze
Lesen durch Schreiben:Schüler lernen das Schreiben nach Gehör
+ es werden schnell viele Worte erlernt
– die Relevanz von Rechtschreibung wird nicht deutlich
Systematischer Fibelansatz: Schüler lernen einzelne Buchstaben nach striktem Ablaufplan
+ Kinder, die mit diesem Ansatz lernen, schneiden im Vergleich deutlich besser ab
– laut Kritikern gehe hierbei die Kreativität der Kinder verloren
Was zeigt die Realität?
Die Professoren stöhnen – und die Studenten erst recht: Die Rechtschreibung kann einen schier in den Wahnsinn treiben. Eine schnelle Sprachnachricht auf WhatsApp über die Inhalte der letzten Vorlesung, die Notizen in der Universität am Laptop verfasst mit Hilfe der schon angesprochenen Korrekturmöglichkeit, und schon ist man der handschriftlichen Rechtschreibung mal wieder erfolgreich aus dem Weg gegangen. Auch die PISA Studie von 2018 greift Whats App auf, um zu zeigen, dass die Textnachrichten, wenn sie denn verwendet werden, mit „Textismen“ versehen sind, also mit gewollten Veränderungen in der Rechtschreibung. Das dicke Ende folgt dann spätestens in den Klausuren, die in den meisten Institutionen nach wie vor handschriftlich verfasst werden. Und auch, wenn die Rechtschreibung zumindest in der Universität nicht streng in die Bewertung mit einfließt, so ist es doch ein unangenehmes Gefühl, wenn man die eigene Sprache nicht zu Papier bringen kann.
Doch wie steht es wirklich um die Rechtschreibefähigkeit der Deutschen? Ein Team von Studentinnen hat sich mit einem Flipchart und jeder Menge schwieriger Worte in die Braunschweiger Innenstadt begeben und mutige Passanten getestet.
Der Test hat gezeigt, dass sich die Menschen der Wichtigkeit der Rechtschreibung durchaus bewusst sind. Und vor allem hat jeder der Befragten etwas zu der Problematik zu sagen. Denn, wenn etwas falsch geschrieben sei, dann werde es rot unterstrichen, dann käme das richtige Wort und damit wäre die Angelegenheit dann auch erledigt. So lautete eines der ersten Statements in Braunschweig, hier von Hozana Cruciano. Alle Befragten thematisieren die technischen Hilfen, so sagt zum Beispiel Frau Liliana Contra, dass ihr durchaus aufgefallen sei, dass man die Rechtschreibung nach der Schule nicht mehr unbedingt im Kopf haben müsse, da es ja auch die Handys gäbe, die einem viel abnehmen würden. Die Ergebnisse des Testes fallen insgesamt positiv aus. Einige geben aber an, schon länger keinen Stift mehr in der Hand gehalten zu haben. Der allgemeine Eindruck lässt Hoffnungen zu. Es scheint den Menschen nicht egal zu sein, wie es um ihre Fähigkeiten in Bezug auf die Rechtschreibung steht.
Als aus „daß“ „dass“ wurde und aus „Grislibär“ „Grizzlybär“
Noch bevor von Digitalisierung überhaupt die Rede war, gab es einen ersten Bruch in der Geschichte der Rechtschreibung. Die Rechtschreibereform, welche 1996 eingeführt wurde, sorgte für Verunsicherung und Verärgerung in der Bevölkerung. Hartwig Schultze erzählt uns dazu: „Meine private Rechtschreibung ist manchmal immer noch ein Mischmasch und ich empfand die Reform als nicht hilfreich.“ Und so erging es den meisten Menschen aus den Ländern mit deutschsprachigen Bevölkerungsteilen, die die Reform und ihre weiteren Änderungen 2004, 2006 und 2011, über sich ergehen lassen mussten.
Was bedeutet das alles für uns?
Die technischen Hilfsmittel geraten aufgrund der Digitalisierung immer mehr in den Fokus und werden auf diesem Wege stetig verbessert. Grundschullehrerin Xenia M. sieht in diesen Hilfsmitteln eher eine Chance, da einem bewusst gemacht werde, wie ein Wort richtig aussehe und man auf eventuelle Fehler aufmerksam gemacht werde. Wir befinden uns in einem Prozess, in dem sich die Relevanz der Rechtschreibung neu definieren muss. Die überall bemerkbare weiter abnehmende Nutzung des handschriftlichen Schreibens zollt ihren Tribut. Der Test in Braunschweig zeigt jedoch, dass dies den Menschen bewusst ist. Sie versuchen zumindest, etwas daran zu ändern.
Laura, die welche mittlerweile an einer Universität studiert, hat längst bemerkt, dass die Rechtschreibung nicht mehr in die Bewertung einfließt. Trotzdem möchte sie sich nicht nur auf die Technik verlassen können, sondern auch auf ihr Können. Und vielleicht fühlt ihr euch von ihr inspiriert: Laura nimmt seit dieser fatalen Deutschklausur nämlich öfter den Stift in die Hand. Ihr werdet sehen, es ist ein ganz anderes Gefühl als nur mit den Fingern auf Tastaturen oder Bildschirme einzuhämmern.
Wer sich nun ein Bild von dem eigenen Stand der Rechtschreibung machen möchte, der kann sich an dem folgenden Online Test versuchen. Viel Spaß und Erfolg!
https://www.umfrageonline.com/s/testderrechtschreibung