Wir Kulturbanausen

Museen kämpfen ums Überleben, Theater brauchen Subventionen. Und Leonardos letztes Abendmahl kann man wegen Fotos knipsender Touristen nur aus der Ferne erahnen. Überlaufen oder ausgestorben – wieso gibt es nur noch Top oder Flop?

Die Generation Y ist vor allem bei älteren Semestern oft in der Bredouille: Bestimmt durftet ihr euch beim Familienfest auch schon mal das Best off der Generationskritik anhören: Kulturbanause, faul und Jobs, die nicht mal die Miete sichern. Mit einem „Irgendwas-mit-Medien-Studiengang“ spreche ich da aus Erfahrung.

Ist das Kritik, die wir einfach so abnicken sollten? Kulturbanausen also. Bei „Kultur“ denke ich ganz klassisch an Theater und Kunst, Museum und Denkmal. Um das meiste davon, seien wir mal ehrlich, machen wir einen Bogen. Wenn es nicht gerade der Mailänder Dom ist, der bei Tripadvisor klar als Must-Do gelistet ist. Fehlen darf der vor allem nicht, weil schon Millionen anderer dieses Denkmal bestaunten. Und fast genauso viele Fotos davon schossen.

Die Follower der sozialen Medien warten schließlich auf ein Selfie – daneben, davor, angelehnt oder in der Hand gehalten. Klassiker, die zum 1×1 des Millennial-Touristen gehören, wie der schiefe Turm nach Pisa oder das Weißbier nach Bayern.

Schauen wir nach Paris: Der Louvre ist an seinen 260 Öffnungstagen ausgebucht und Tickets für den Eiffelturm sind schneller weg als du „Croissant“ sagen kannst. Wieso klappt bei den Großen immer noch, was bei den Kleinen lange nicht mehr denkbar ist? Denn für kleine Kultureinrichtungen abseits der Metropolen und Touristenströme sieht es mau aus. Museen werden, wenn es gut läuft, von schreienden Schulklassen besucht. Einzige Motivation: ein Tag schulfrei.

Es gibt kaum Theater, die sich ohne staatliche Subventionen über Wasser halten können. Vorstellungen sind schlecht besucht und Stücke werden lange vor Ende der ersten Spielzeit abgesetzt, wenn es nicht broadwayreif ist. Auch hier gilt bei der Generation Y: Es gefällt, was Namen hat. Denn einmal im Leben muss man Shakespeares MacBeth live on stage erlebt haben. Wenn das schon in der Schulzeit erledigt ist – umso besser.

Aber keine Sorge: Diese Unlust auf alles abseits von Netflix oder Freiheitsstatue ist gar nicht unser Fehler. Der „Culture Track 2017“ zur Beziehung zwischen Jugend und Kultur gibt Museum und Co selbst die Schuld an sinkenden Zahlen, alterndem Publikum und leeren Kassen: Für uns steht neben Posten und Sharen vor allem der Erlebnisfaktor im Vordergrund. Es soll etwas passieren. Wir wollen immer neues. Immer spannenderes, interaktiveres. Möglichkeiten wachsen, da müssen kleine Einrichtungen ihr eingestaubtes Image ablegen.

Zugute kommt dem Besucher 2.0, so werden wir in verschiedenen Studien genannt, dass für ihn der Begriff „Kultur“ immer breiter gefasst ist. Interaktion und Geselligkeit sind dabei die wichtigsten Attribute. „Kulturell“ seien, laut Culture Track, auch schon ein tiefes Gespräch oder eine Mottoparty, genauso aber auch Graffitis oder das Video von Taylor Swift.

Vielleicht sollten kulturelle Institutionen sich das auf die Fahne schreiben. Ein Bier am Staatstheater, oder ein Rave im Landesmuseum wäre dann genau das richtige Millennial-Lockmittel. Und wer weiß: Vielleicht wird dann auch der Braunschweiger Löwe zur Selfie-Ikone.

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