Zwischen Schönheitsoperationen und Selbstliebe

Immer mehr Frauen legen sich heutzutage unters Messer, um sich dem weiblichen Idealbild anzupassen. Doch auch die Gegenbewegung wird lauter: Selbstliebe und Body Positivity gewinnen in der heutigen Gesellschaft deutlich an Aufmerksamkeit. Gibt es überhaupt ein Ideal und wie wird man glücklich?

Überall werden wir mit ihr konfrontiert. Ob in Zeitschriften, im Fernsehen, auf Social-Media-Kanälen, in Geschäften oder auch mit Freundinnen. Im Zeitalter des Internets und Selfies ist das Thema Schönheit so präsent wie vermutlich noch nie zuvor. Hierbei gibt es viele verschiedene Facetten von Schönheit, deren Ideale sich über die Jahre immer weiterentwickeln. Gerade was die weibliche Figur angeht verändert sich der Trend regelmäßig.

In den letzten 100 Jahren gab es immer ein bestimmtes Bild des Frauenkörpers, dem die meisten folgten. Heute sind es viele verschiedene Ideale. Von Size-Zero bis zu Plus-Size ist alles dabei. Trotz allem spielt oft auch die Perfektion eine große Rolle, denn es geht doch immer noch ein bisschen schöner als schön. Die Zahl derer in unserer Gesellschaft, die an sich etwas chirurgisch verändern oder auch aufhübschen wollen, steigt. Dies geht aus einer Pressemitteilung der Vereinigung der deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC) hervor. Laut VDÄPC-Statistik wurden mit insgesamt gemeldeten 77.485 Eingriffen 2018 rund neun Prozent mehr Operationen als im Vorjahr durchgeführt. Hieraus geht auch hervor, dass sich aufgrund des derzeitigen Selfiebooms als wachsender Trend der Anstieg der Eingriffe bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigt. In Zeiten von Social-Media und Instagram orientieren sich junge Menschen vermehrt an medialen Vorbildern aus dem Netz.

„Bearbeitete Selfies verschieben vor allem bei jungen Patientinnen die Wahrnehmung des eigenen Aussehens, was oft zu unrealistischen Vorstellungen dessen führt, was ein chirurgischer Eingriff an Ergebnissen liefern kann“, so Alexander P. Hilpert, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie.

 

(eigene Darstellung: Anna Flender)
(eigene Darstellung: Anna Flender)

Noch vor einigen Jahren waren teure Schönheitsoperationen nur etwas für Stars und Sternchen. Ein Thema, mit der die normale Frau in der Regel nicht viel zu tun hatte. Doch zu Zeiten von schnellen und günstigeren Hilfsmitteln zur Faltenbekämpfung wie Botox-to-go sind dem Schönheitswahn keine Grenzen gesetzt. Behandlungen wie Brustvergrößerungen, Nasenkorrekturen und Lippenaufspritzen werden heutzutage immer öfter auch der breiten Masse zur Verfügung gestellt.

Laut einer Umfrage der Apotheken Umschau aus dem Jahr 2015 gelten zum Beispiel auch gesunde, makellose Zähne für mehr als 80 Prozent der Deutschen als ein Statussymbol. Hierbei gibt es diverse Möglichkeiten dem Ideal anzunähern, von verschiedensten Zahncremes, über Bleaching bis zum kompletten künstlichen Zahnersatz. Es scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. All diese Behandlungen sind in der Regel nicht wirklich kostengünstig, daher wird es für viele Menschen immer schwerer sich den bestehenden Gesellschaftlichen Normen künstlich anzupassen.

Durch die Modeindustrie und die Medien wird diese Perfektionsliebe immer mehr gepusht.

Ein gutes Beispiel hierfür sind Frauenzeitschriften. Nehmen wir zum Beispiel das Grazia-Magazin, die Cosmopolitan oder auch das myself-Magazin. Hier entspricht der Aufbau dem der meisten Modezeitschriften. Auf dem Titelbild sind oftmals faltenfreie, wunderschöne Models zu sehen und es wird mit Slogans wie „Zur Bikinifigur in 3 Tagen“ und „So kannst auch du aussehen wie die Stars“ geworben. Im hinteren Bereich der Zeitschrift erhält Frau dann die zahlreichen neuen Tipps und Tricks der Beautyindustrie, um genauso perfekt auszusehen wie das Model auf der Titelseite. Mittlerweile finden sich dort oftmals nicht mehr nur einfache Beautytipps, sondern zum Beispiel auch Informationen zu den neuesten Facelifting-Methoden oder den besten Schönheitschirurgen in Deutschland. Und tatsächlich steigt die Zahl der Frauen, die zu Operationen greifen, an. Nicht nur um sich besser zu fühlen, sondern auch teilweise in der Hoffnung, dass sie sich dadurch mehr an das bestehende Schönheitsideal annähern, nutzen zahlreiche Frauen alle vorhandenen Möglichkeiten.

Frauen, denen dieser Perfektionswahn zu viel wurde, etablierten neben dem bestehenden Schönheitsideal noch ein weiteres Ideal. Selbstliebe und Body Positivity sind hier die Devise. Die Frauen grenzen sich ganz klar von Perfektion durch Schönheitsoperationen und Ähnlichem ab. Sie wollen mit den falschen Schönheitsidealen aufräumen. Unter Hashtags wie #hipdips und #cellulitesaturday posten sie absichtlich Fotos von ihren Problemzonen. Ob Akne, Schwangerschaftsstreifen, Cellulite oder auch Fettpölsterchen. Alles wird völlig offen und frei ohne großes Retuschieren veröffentlicht. Es soll zeigen, dass auch sie nicht perfekt sind, so wie es oftmals bei Beautybloggern und Models auf den ersten Blick scheint. Mittlerweile greifen auch immer mehr Firmen diesen Trend auf. Zum Beispiel verzichten die Modeshops ASOS, Missguided, H&M und Zara darauf, die Dehnungsstreifen ihrer Models zu retuschieren.

Ein weiteres Zeichen dafür, dass sich etwas verändert ist, dass in Werbung und Zeitschriften immer öfter auch Plus-Size-Models wie Ashley Graham zu sehen sind. Dies war vor einigen Jahren noch undenkbar. Die Zeitschrift BRIGITTE hat in Zusammenarbeit mit der YouGov Deutschland GmbH im Sommer letzten Jahres eine repräsentative Online-Befragung zum neuen Körperbewusstsein der Frau von heute durchgeführt.

Das Ergebnis: Der Body Positivity-Trend regt zum Umdenken an. Über die Hälfte aller befragten Frauen fühlen sich im eigenen Körper umso wohler, je mehr kurvige Frauen sie in den Medien sehen. Auch die Tatsache, dass sich Frauen immer häufiger unretouchiert in der Öffentlichkeit zeigen, hat zur Veränderung des Schönheitsideals beigetragen, bestätigen 57 Prozent der Befragten. 47 Prozent der Frauen nehmen sogar wahr, dass sich alte Schönheitsideale allmählich auflösen würden. Das zeigt, dass langsam ein Umdenken stattfindet und nicht mehr nur ein einziges Schönheitsideal Bestand hat.

Es ist wichtig einen gesunden Mittelweg zu finden. Die Body Positivity-Bewegung ist ein guter Anfang, gerade auf den Social-Media-Kanälen und in der Werbung wird oftmals ein unrealistisches Allgemeinbild der Frau vermittelt. Eine Wendung zu mehr Natürlichkeit ist äußerst positiv und dringend notwendig. 

Allerdings sind viele der Bloggerinnen, die öffentlich zu Selbstliebe und Body Positivity aufrufen, bis auf ihre vermeintlichen Makel, natürlich schön. Dies kann auch dazu führen, dass die medienkonsumierenden Frauen sich nicht wie erhofft besser fühlen, sondern noch mehr an sich zweifeln. Man sollte nicht prinzipiell sagen, dass Frauen die von anderen als schön angesehen werden, glücklicher sind. Oftmals haben diese Probleme wie fast jede andere Frau auch. Und dies ist auch gar nicht schlimm. Das Wichtigste ist, dass man einen Weg findet damit umzugehen, glücklich zu sein.

Auch Schönheitsoperationen sind nicht grundsätzlich schlecht. Es gibt viele Menschen, denen sie wirklich zu einem besseren Leben verhelfen. Dies gilt nicht nur für geradere Nasen und vollere Lippen. Es geht um Menschen, die vor einer Operation körperliche oder auch seelische Probleme hatten. Mehr Selbstliebe ist zwar ein sehr guter Weg, aber reicht manchmal allein nicht aus. Man sollte bei jedem Schönheitsideal darauf achten, dass alles was man dafür tut, nicht für die Gesellschaft, sondern für einen selbst ist. Am Ende sollten wir uns doch in unser Haut wohlfühlen, ob nun durch Hilfsmittel oder auch ohne. Und wie sagte Francis Bacon einst? „Der beste Teil der Schönheit ist der, den ein Bild nicht wiedergeben kann.“ Ich kann nicht sagen, welches Schönheitsideal nun das bessere und welches das schlechtere ist. Jeder muss selbst entscheiden, welcher Weg der richtige ist und zu einem glücklicheren Leben verhilft.

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