Feuer im Darm – Ein Leben mit Morbus Crohn

Unerträgliche Bauchschmerzen, Durchfall, völlige Entkräftung – das sind die Folgen von Morbus Crohn. Eine chronische Darmerkrankung, die es Betroffenen sehr schwer macht, ihr Leben zu genießen. Gibt es trotz aller Beschwerden einen Weg, wie das gelingen kann?

Was ist Morbus Crohn?
Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die typischerweise den unteren Abschnitt des Dünndarms, den Dickdarm oder beide betrifft. Die Krankheit verläuft in Schüben, die mal mehr und mal weniger schlimm sind. Morbus Crohn ist bisher nicht heilbar, die Krankheitsschübe und Beschwerden können jedoch gut therapiert werden.
Etwa 120 bis 200 von 100.000 Menschen der deutschen Bevölkerung leiden an Morbus Crohn – Gina und Fabian sind zwei davon.

Als ‘Zentrale des Immunsystems’ beherbergt der Darm etwa drei Viertel der menschlichen Abwehrzellen. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen waren bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nahezu unbekannt. Die präzisen Schutzmechanismen des menschlichen Organismus haben über Jahrhunderte hinweg den Verdauungstrakt zuverlässig vor Angriffen geschützt. Diese Dynamik änderte sich plötzlich mit der Verbreitung des modernen Lebensstils in westlichen Wohlstandsgesellschaften. Dieser ist geprägt durch verstärkten Konsum industriell gefertigter Lebensmittel, zunehmende Belastung durch Umweltgifte, steigenden Stress und mangelnde Bewegung. Entdeckt wurde die Krankheit 1904 vom polnischen Chirurgen Antoni Lesniowski und anschließend 1932 nach dem US-amerikanischen Magen- und Darmspezialisten Burrill Bernard Crohn benannt.

Ursachen & Symptome
Bisher sind die genauen Ursachen von Morbus Crohn nicht eindeutig geklärt. Es wird vermutet, dass eine genetische Veranlagung, die auf erblicher Basis beruht, eine Rolle spielen könnte. Zudem haben hygienische Bedingungen und Umweltfaktoren im direkten Lebensumfeld Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, an Morbus Crohn zu erkranken. Eine gesicherte Erkenntnis besteht darin, dass Rauchen Morbus Crohn auslösen kann. Raucher haben im Vergleich zu Nichtrauchern ein doppelt so hohes Risiko für diese Erkrankung. Das Durchschnittserkrankungsalter liegt typischerweise zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr, obwohl Morbus Crohn auch bei älteren Menschen auftreten kann.

Die häufigsten Symptome von Morbus Crohn sind krampfartige Bauchschmerzen, chronischer Durchfall und Erbrechen. Auch Fieber, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust gehen sehr häufig mit der Krankheit einher. Die Symptome von Morbus Crohn können tage- und wochenlang anhalten und dann ganz plötzlich wieder verschwinden. Die Schübe können leicht oder schwer, kurz oder langanhaltend sein und die Betroffenen völlig aus dem Leben reißen.

Bis die Krankheit diagnostiziert wird, ist es oft ein steiniger Weg und startet in den meisten Fällen mit einem Ärzt*innenmarathon. Besuche bei den Hausärzt*innen und das Rennen zur nächsten Praxis der Gastroenterologie gehören zum neuen Alltag. Blut- und Stuhluntersuchungen, Ultraschalle, die Darm- und Magenspiegelung und verschiedene Unverträglichkeitstest sind oft der Anfang eines langen und schweren Leidenswegs.

Grafik: Dilara Selle; Quelle: https://www.leben-mit-ced.de/informieren/morbus-crohn.html

Behandlungsmöglichkeiten
Die richtige Behandlung ist wichtig und erfolgt sehr individuell. Sie hängt davon ab, wie schwer die Erkrankung bei den Patient*innen ist und welche Teile des Darm betroffen sind.
Bei einem leichteren Verlauf kann bereits eine symptomatische Therapie gegen Durchfall, Schmerzen oder Krämpfe helfen. Bei schweren Krankheitsschüben ist der Einsatz von Kortison oder anderen Medikamenten wie Mesalazin notwendig, um die Autoimmunreaktion zu unterdrücken. Treten Komplikationen wie Abszesse oder Fisteln auf, werden des Öfteren auch Antibiotika verschrieben. Häufig besteht ein großer Nährstoffmangel und die Betroffenen müssen Präparate einnehmen, mit denen sie diesen Mangel ausgleichen.
Auch nachdem ein akuter Schub abgeklungen ist, sind entzündungshemmende Medikamente sinnvoll. So kann die Zeitspanne zwischen zwei Schüben verlängert und die Entstehung neuer Schübe vorgebeugt werden.

Wichtig ist auch, dass Crohn-Patienten auf ihre Ernährung achten. Während eines akuten Schubes muss der Darm geschont werden. Eine ballaststoffarme Ernährung eignet sich dafür besonders gut. Der Rat und das Fachwissen von Expert*innen der Ernährungsberatung sind hilfreich um trotz der Ernährungsumstellung alle wichtigen Nährstoffe, die der Körper in dieser Extremsituation braucht, aufzunehmen.

Trotz aller Therapiemaßnahmen, kommt es leider auch häufig vor, dass der Crohn langfristig nicht beruhigt werden kann. Darmdurchbruch, Darmverschluss, dauerhafte Darmverengung oder schwere Darmblutungensind Gründe, wieso Operationen notwendig sind und der Darm teilweise oder ganz entfernt werden muss. Es gibt Fälle, in denen für eine gewisse Zeit oder auch für immer ein künstlicher Darmausgang angelegt werden muss. Diese Patient*innen leben dann mit einem sogenannten Stoma. Ein Stoma ist eine operativ angelegte Öffnung der Bauchdecke an dieser ein kleiner Beutel hängt, wo sich die Defäkation1 sammeln kann. So ungewohnt und befremdlich diese Umstellung zu Beginn auch sein mag, verbessert das Stoma die Lebensqualität der Crohn-Patient*innen deutlich.

1
Defäkation bezeichnet das Ausscheiden von Kot aus dem menschlichen Verdauungstrakt bzw. Darm

Lebensfreude adé?
Mit dem Wissen, dass in naher Zukunft keine Chance auf Heilung besteht, ist es sehr schwer den Alltag zu bestreiten. Fabian und Gina wissen, wie schwierig es ist das Leben mit dem Crohn in Einklang zu bringen und trotz starker Schmerzen, Krankenhausaufenthalte und sozialer Abkapselung mit Freude am Leben teilzunehmen. Nicht nur die körperlichen Beschwerden rauben ihnen den letzten Nerv sondern auch die damit einhergehenden psychischen Tiefpunkte saugen Unmengen an Kraft und Energie. Viele Menschen sind nicht nur aufgrund ihrer Darmkrankheit in Behandlung. Sie sitzen auch bei Psycholog*innen, um mit der Krankheit und den Einschränkungen im Alltag umgehen zu können. Die Unberechenbarkeit des kranken Darms, macht das Leben der Betroffenen zum ständigen Kampf. Die Schübe kommen dann, wann sie kommen wollen – ganz egal ob man sich mit Freund*innen treffen wollte oder die eigene Mutter im Sterben liegt und man selbst aufgrund des Crohns völlig ausgelaugt im Krankenhaus ist, ohne sich vernünftig von ihr verabschieden zu können. Ein schrecklicher Gedanke? Für Fabian bittere Realität und eine emotionale Erinnerung an die schwerste Zeit seines Lebens.

Akzeptanz und Dankbarkeit
Die Krankheit existiert und bisher gibt es keine Medikamente oder Behandlungsmethoden mit der Chance einer kompletten Heilung. Es muss also mit dem Crohn gelebt werden. Da helfen Akzeptanz und Dankbarkeit für die schönen Momente im Leben. Die Momente ohne Schub, ohne Schmerzen und ohne den Gedanken im Kopf zu haben, wo die nächste freie Toilette ist. Das wissen auch Fabian und Gina – sie machen das Beste daraus. Beide auf unterschiedliche Art und Weise. Man kann nur hoffen, dass die Medizin eines Tages so weit ist, dass Betroffene trotz ihrer Krankheit nicht mehr so eingeschränkt ihr Leben bestreiten und sie keinen einzigen Gedanken an die nächste freie Toilette verschwenden müssen.

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