Insekten – Das Fleisch der Zukunft?

Würmer, Schaben, Heuschrecken. Die winzigen Krabbeltiere lösen bei vielen Menschen Ekel und Furcht aus. Doch als Nahrungsmittel könnten sie eines Tages zum Erhalt der Erde beitragen.

Asien macht es uns vor, dort hat das Verzehren von Insekten, auch Entomophagie genannt, eine langjährige Tradition. Und nicht nur dort, sondern beispielsweise auch in Südamerika, Afrika und Australien werden bis zu 2000 Insektenarten verzehrt. Laut der Lebensmitteltechnologin Birgit Rumpold ernähren sich insgesamt sogar über 2 Milliarden Menschen von Insekten. In Deutschland gelten sie zwar noch eher als Nischenprodukt, doch Guido Ritter, Professor für Lebensmitteltechnik und Ernährungswissenschaften, erklärt, es sei eine Sache der Gewohnheit, ein neues Lebensmittel als solches zu akzeptieren. Und auch hierzulande werden schon zunehmend Insekten verkauft und gegessen. Denn seit Januar 2018 werden Insekten durch die sogenannte „Novel Food“-Verordnung offiziell als neuartiges Lebensmittel (Novel Food) eingestuft. Es können also nun Anträge bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit gestellt werden, einzelne Insektenarten auf Verträglichkeit zu überprüfen und die Zucht als Nahrungsmittel zuzulassen.

Seit dies möglich ist, gaben Start-ups wie „Bugfoundation“ oder „Bearprotein“ den Startschuss für die Produktion in Deutschland. Nun lassen sich Insekten auch in Deutschland häufig in Supermärkten oder auf der Speisekarte von Restaurants wiederfinden. Das Verwendungsspektrum in der Küche ist nämlich weit gefächert. In Form von Insektenmehl oder einfach im Ganzen werden Insekten angeboten. Ob zum Braten, Kochen oder sogar zum Backen – sie zeichnen sich durch ihre Vielfalt und unterschiedlichste Darreichungsformen aus. Auch am Geschmack wird dies deutlich. Laut der Verbraucherzentrale Hamburg sollen einige Insektenarten beispielsweise durch ihr nussiges Aroma an Pinienkerne erinnern. Andere wiederum schmecken nach Shrimps oder Hähnchen. Sie lassen für den Kochenden also viele unterschiedliche Variationen zu.

 

Insekten bieten außerdem eine nachhaltige Alternative zum konventionellen Fleischangebot. Denn herkömmliche Nutztiere in Massentierhaltung produzieren während der Aufzucht durch Ausscheidungen große Mengen an Treibhausgasen. Laut des Umweltbundesamtes wurden 2017 rund 26 Millionen Tonnen Kohlendioxid allein durch Tiermägen in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung ausgestoßen. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) rät daher, auf die Produktion von Insekten als alternative Nahrungsquelle umzusteigen. Schweine produzieren beispielsweise zehn- bis hundertmalmehr Treibhausgase als Insekten wie Mehlwürmer, berichtet die Organisation.

Auch der Wasserbedarf der Insekten ist niedriger, da Insekten sehr viel resistenter gegen Trockenheit sind als Vieh. Und es wird zudem weniger Futtermittel benötigt als für die traditionelle Nutztierhaltung. Denn ein Rind benötigt circa acht Kilogramm Futter, um es in ein Kilogramm Fleischmasse umzuwandeln. Insekten schaffen dies mit einem Viertel der Futtermenge. Das liegt daran, dass sie Kaltblüter sind. Im Gegensatz zu Warmblütern müssen sie die Energie aus dem Futter nicht nutzen, um körpereigene Funktionen aufrechtzuerhalten. So können sie fast alles davon in Masse umwandeln. Sie sind also die wahren Alleskönner der Tierzucht.

Zudem wird am verbrauchten Platz gespart, denn Insekten haben selbst in freier Natur eher kleine Lebensräume. Sie können also gemäß ihrer Lebensweise in kleineren Aufzuchten und in Schwärmen gehalten werden, ohne dass sich die Massentierhaltung allzu problematisch für die Tiere darstellt. In den sogenannten Insektenfarmen kann zudem vertikal übereinander produziert werden. Somit ist die Herstellung von Insektenfleisch im Gegensatz zu konventionellen Nutztieren um einiges effizienter. Gleichzeitig bieten sie eine weitere Möglichkeit, den steigenden Bedarf an Lebensmitteln zu decken, welchen ein heutzutage extrem rasantes Bevölkerungswachstum bedingt.

(Quellen: Mehlwurm – BOXFarm, Albert Schweitzer Stiftung, ÖKO-TEST, Statista)

Doch sind sie auch gesund? Natürlich bergen Insekten so wie andere Nahrungsquellen auch das Potenzial, Allergien auszulösen. Laut Rumpold sollten vor allem Personen mit einer Krustentierallergie vorsichtig sein. Zum anderen ist es nicht ratsam, Insekten zum Verzehr aus der Natur zu entnehmen, da diese beispielsweise Krankheiten übertragen können. Insekten aus speziellen Farmen, die käuflich als Nahrungsmittel erworben werden können, sind jedoch gesundheitlichen Standards unterworfen und somit bis auf das Allergiepotenzial ungefährlich. Nicht nur das: Sie gelten sogar als äußerst gesund und sättigend.

100 Gramm Buffalo-Wurm enthalten bereits ungefähr 60 Gramm hochwertige Proteine. Damit bieten sie auch vor allem für Sportler ein enormes Potenzial, denn das ist fast das Dreifache der Menge, die in Hähnchenbrust zu finden ist. Zudem bieten sie einige Ballaststoffe sowie viele ungesättigte und gesättigte Fette, was sie laut der FAO zu einer idealen Nahrungsergänzung beispielsweise für unterernährte Kinder mache. Darunter finden sich auch die sehr wichtigen und gesundheitsfördernden Omega-3 und Omega-6 Fettsäuren, die nicht vom Körper selbst hergestellt werden können und sonst kaum in tierischen Produkten zu finden sind.  

Auch die Mikronährstoffe kommen hier nicht zu kurz: Beispielsweise Eisen, Kupfer, Magnesium, Mangan, Phosphor, Selen und Zink sind in großen Mengen enthalten. So kann das Essen von Insekten zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen. Sie werden daher auch gerne zu den Superfoods gezählt. Superfoods ist ein Sammelbegriff für Nahrungsmittel, denen Nährstoffreichtum und eine gesundheitsfördernde Wirkung zugesprochen wird.  Zu ihnen zählen unter anderem noch Avocados, Chia-Samen und Quinoa sowie auch Nüsse.

Doch so gesund sie auch sind, noch haben Insekten nicht den Weg in den Mainstream der deutschen Ernährung gefunden. Das liegt wohl daran, dass Insektenprodukte hier in Deutschland seit noch nicht einmal zwei Jahren als Nahrungsmittel zugelassen sind und die Akzeptanz in der Bevölkerung noch nicht in Gänze gegeben ist. Doch die Branche wächst und auch große Konzerne wie Nestlé werfen mittlerweile ein Auge darauf. Wer weiß, vielleicht sind Insekten schon in einigen Jahren in den meisten deutschen Küchen zu finden.

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