„I’m so fuckin‘ sick and tired of the Photoshop“

Zu der markanten Strophe aus dem Song „Humble“ von Kendrick Lamar, zeigen zahlreiche TikTok-User in ihren Videos Bauchfalten, Dehnungsstreifen und Akne-Narben. Auch auf Instagram hat sich der „Selflove Trend“ verbreitet. Doch was hat dieser für eine Botschaft? Muss man alles an sich lieben, um von Selbstliebe zu sprechen?

Seit etwa über einem Jahr verbreitet sich der Trend der Selbstliebe auf Instagram und TikTok. Immer mehr Menschen trauen sich ihre Problemzonen preiszugeben. Sina Knoell, Coach und Inhaberin des MY MIND Studios in Lüneburg, findet es wichtig, dass das Thema Selbstliebe verbreitet wird. Sina sieht in den Videos auf Social Media eine zentrale Botschaft. Denn Selbstliebe ist die Antwort für viele Probleme der Gesellschaft, da Menschen mit weniger Selbstbewusstsein dadurch unbeschwerter leben können. Durch Selbstliebe findet man zu sich zurück. Man stellt eine neue Verbindung zu sich selbst her. Man fängt an, sich toll zu finden, wie man ist.

Auf Social Media sind NutzerInnen tagtäglich mit scheinbar perfekten Menschen konfrontiert. Gerade auf Instagram haben sich Hashtags wie „Selflove“ so rasant verbreitet, dass sie ihre ursprüngliche Bedeutung verloren haben. Stand Oktober 2021 gibt es 75 Millionen Beiträge unter diesem Hashtag. Viele der Beiträge folgen dem alten Instagram-Muster, da die NutzerInnen Filter und Bildbearbeitungsprogramme benutzen, um dem vermeintlichen Schönheitsideal zu entsprechen. Damit werde schnell ein falsches Bild der Selbstliebe suggeriert und es entstehe noch mehr Druck unter den Social-Media-UserInnen, sagt Sina Knoell.

Laut Bodo Karsten Unkelbach, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bedeute die wahre Liebe zu sich selbst, alle Anteile an sich zu respektieren. Der Begriff Selbstliebe ist vergleichbar, aber nicht sinnverwandt mit Begriffen wie Selbstannahme, Selbstakzeptanz, Selbstachtung und Selbstvertrauen. Ein wichtiger Unterschied ist, dass Selbstliebe nicht dasselbe wie Selbstverliebtheit ist. Auch mit Eigensinnigkeit, Egoismus oder übertriebener Selbstgefälligkeit habe Selbstliebe nichts zu tun.

Sina Knoell ist der Meinung, dass jede und jeder für sich Selbstliebe definieren sollte. Außerdem könne man sich Selbstliebe als einen Prozess der Persönlichkeitsentwicklung vorstellen. Sina hat sich vor drei Jahren dazu entschlossen, ihr Leben zu ändern und sich mit dem Thema Selbstliebe zu beschäftigen. Heute sagt sie: „Ich liebe auch nicht alles an mir. Ich finde mich toll, wie ich bin, aber es gibt Dinge, die ich nicht mag und das ist ok.“ Sich selbst zu akzeptieren, wie man ist, ist der erste Schritt. Der „Humble-Trend“ auf TikTok kann für diese Selbstakzeptanz eine große Hilfe sein.

Sina kennt zwei einfache Tipps, die bereits helfen können, um mit dem Prozess der positiven Persönlichkeitsentwicklung zu beginnen. Erstens: Sich im Spiegel für einige Minuten in die Augen schauen und nette Sachen zu sich sagen. Und zweitens: Anfangen, sich selbst zu loben und zu überlegen, was man am heutigen Tag geleistet hat – das Sprichwort „Eigenlob stinkt“ schnell vergessen.

Sina meint, dass man nicht alles an sich selbst lieben muss. Vielmehr solle jeder ein realistisches Selbstbild von sich haben, mit dem er oder sie leben kann. „Es ist ok, ok zu sein. Wichtig ist, damit anzufangen, auf sich selbst zu hören.“

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