Künstler in der Krise – Was bleibt ist die Musik

Keine Konzerte, kein Musikunterricht, keine Einnahmen. Finanzielle Hilfen gibt es kaum. MusikerInnen sind von der Corona-Krise hart getroffen. Was ihnen bleibt ist die Musik. Singer/Songwriter Valentin, Gesangslehrerin Ilona und Studiobetreiber Eddie sprechen über die Folgen des Lockdowns.

Wer kennt es nicht: Am Freitagabend mit ein paar Freunden in einer Bar und im Hintergrund singen MusikerInnen, während man trinkt, isst und den Abend in gemütlicher Runde genießt. Vielleicht steht auch das lang ersehnte Festivalwochenende, der Sonntagschor oder die Bandprobe an. Alles Ereignisse, bei denen Musik und Kultur aufeinandertreffen und die zu unserem gesellschaftlichen Leben dazugehören. Damit ist seit März 2020 Schluss. Corona legt das gesamte Land lahm. Mit der Beschließung des ersten Lockdowns wurde das komplette öffentliche Leben heruntergefahren. Bars, Kneipen, Restaurants, Läden, Veranstaltungen, Events und vieles mehr mussten geschlossen ­– bzw. abgesagt werden. Für viele Selbstständige und KünstlerInnen, die auf das öffentliche Leben angewiesen sind, eine nervliche und finanzielle Zerreißprobe. Auch MusikerInnen hat es hart getroffen. Veranstaltungen, Unterricht und Proben mussten abgesagt werden. Der Kontakt zu Fans und SchülerInnen wurde unterbrochen und Möglichkeiten der Onlineübertragungen fallen spärlich aus. MusikerInnen, SängerInnen und DirigentInnen gehören in Deutschland zu den Solo-Selbstständigen und repräsentieren in dieser Sparte den größten Anteil.

 

Wie nutzen MusikerInnen ihre Zeit im Lockdown? Welche Erfahrungen haben sie gemacht? Das ganze bisherige Leben des Singer/Songwriters Valentin Graser aus Hildesheim war geprägt von der Musik. Auch neben seinem Lehrgangsstudium. Er entschied sich, sich immer mehr der Musik hinzugeben. Mehrere Bands, Auftritte auf Festivals und viele eigene Stücke. Das ist seine Geschichte.

In dieser schweren Zeit hat Valentin das Beste aus der Situation herausgeholt. Er hat die Umstände dafür genutzt, um sich als Künstler neu zu entdecken, Musik zu schreiben und zu üben. Ebenso hat er bei dem lokalen Projekt „Kunst gegen Krise“ des Musiklabels 3facherwortwert mitgemacht, das junge MusikerInnen im Raum Hildesheim während der Corona-Pandemie unterstützt. Die Musikschaffenden haben einen Sampler zusammengestellt, der gegen einen selbstgewählten Spendenbeitrag heruntergeladen werden kann. Nicht nur Valentin ist von der Krise getroffen, auch Ilona Vollmer hat in dieser schwierigen Zeit zu kämpfen. Die 58-Jährige macht schon Musik, seitdem sie denken kann und verdient ihr Geld mit Gesangsunterricht. Gerade für sie war und ist die Corona-Pandemie besonders hart, denn für sie gab es ein Berufsverbot. Bis zu vier Kündigungen erreichten die Vollblutmusikerin an manchen Tagen. Das Geld wurde knapper, doch Hilfen vom Staat blieben aus. Ihre Schüler konnten das Geld für den Unterricht teilweise selbst nicht mehr zahlen oder hatten Angst, sich beim Singen mit dem Virus zu infizieren. Hat der Staat Musiklehrer wie Ilona Vollmer hängen lassen?

Die bürokratischen Gesetzmäßigkeiten erfordern eine Menge Aufwand. Wäre digitaler Unterricht vielleicht die Lösung gewesen? So einfach ist es dann leider doch nicht. Die technische Ausstattung, die nötig wäre, um qualitativ hochwertigen Unterricht geben zu können, kostet Geld. Geld, das Ilona Vollmer in diesem Umfang nicht hat. Auch von den Musikschulen, bei denen die 58-Jährige angestellt ist, konnten solche technischen Hilfsmittel nicht zur Verfügung gestellt werden. Fakt ist: Gesangsunterricht bereitet über ein verwackeltes und zeitverzögertes Bild mit bescheidener Tonqualität keine Freude. Eddie Filipp beschäftigen ähnliche Probleme. Der Studioinhaber und Schlagzeuglehrer musste durch Corona alle geplanten Auftritte absagen. Noch stellt diese Tatsache für ihn keine großen Einschränkungen dar, da die Konzerte auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden sind. Bei weiteren Verschiebungen könnte es aber auch für ihn schwierig werden.

Finanzielle Hilfen hat der 55-Jährige in erster Linie vom Kulturinstitut der Stadt Braunschweig erhalten. Dabei wurden ihm vor allem seine ausgefallenen Konzerte bezahlt. Ebenfalls konnte er sich das Geld für die Miete seines Studios auszahlen lassen. Auch wenn die bürokratischen Gegebenheiten die Situation erheblich verkompliziert haben, bekamen die MusikerInnen von der Jazz-Initiative finanzielle Unterstützung. Auch hat Edward Filipp die Gelegenheit erhalten, bei den Open-Air-Veranstaltungen im letzten Sommer in Braunschweig unter strengen Corona-Auflagen ein Konzert zu geben. Was der Schlagzeuger am meisten bemängelt, ist die Idee der November-Hilfe. Diese wird bis Dezember verlängert und hat den Zweck, dass KünstlerInnen das Geld, was sie im November des vorherigen Jahres verdient haben, ausgezahlt bekommen. Gerade bei freischaffenden KünstlerInnen und MusikerInnen variiert das Gehalt von Monat zu Monat enorm. Es könnte also sein, dass Betroffene in einem Monat 5.000 Euro und im nächsten 500 Euro verdienen. Darauf ist die November-Hilfe nicht ausgelegt. Es müsste demnach wohl eher ein Durchschnitt errechnet werden, um KünstlerInnen gerecht zu werden.

Der erste Schock, dass Veranstaltungen und Auftritte abgesagt werden mussten, saß bei jedem der KünstlerInnen tief. Auch vom Staat fühlten sie sich teilweise vernachlässigt und haben sich mehr Unterstützung erhofft. Jeder von ihnen hat jedoch versucht, das Beste aus der Situation herauszuholen. Eins ist klar: Sie blicken hoffnungsvoll in die Zukunft.

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