Wachsmalen in Regenbogenfarben – Der Alltag mit zwei Mamas

Regenbogenfamilien – so bezeichnet man Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern. Während alltägliche Situationen für sie kaum noch problematisch sind, werden ihnen besonders bei ihrer Familienplanung Steine in den Weg gelegt. Die neue Regierung könnte jedoch eine vielversprechende Revolution im Familienrecht vorantreiben. Familie Pietzsch-Dejardins und Familie Gaber erzählen.

2017 legt der Beschluss der Ehe für alle den Grundstein für die Akzeptanz und Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Paare in unserer Gesellschaft. Die Anzahl der Eheschließungen ist seit dem Jahr 2018 drastisch gestiegen. Gerade im Jahr 2020 gab es in Deutschland mehr als dreimal so viele Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare wie im Vorjahr. „Ich glaube schon, dass mehr lesbische und schwule Paare auch über einen Kinderwunsch nachdenken in den letzten zehn Jahren. Das Grundbedürfnis ist da und die Gesellschaft zeigt mehr Akzeptanz“, meint Andreas Paruszewski, Vereinskoordinator von Onkel Emma, einem queeren Zentrum in Braunschweig.  In den letzten Jahren konnte die LGBTQ+-Community einen immensen Aufbruch erleben –­ und doch ist es noch ein langer Weg, den vor allem die Politik noch ebnen muss.

Zentren und Vereine bieten wertvollen Austausch

Onkel Emma ist ein queeres Zentrum, welches 2011 vom VSE – dem Verein für sexuelle Emanzipation in Braunschweig – gegründet wurde. Es dient als Treffpunkt, um einen Austausch innerhalb der LGBTQ+-Community zu unterstützen. Der Verein bietet die verschiedensten Angebote, vom Kinoabend bis zu einem Gesprächskreis queerer Lehrkräfte. Was jedoch noch fehlt, ist eine Sprechstunde für Regenbogenfamilien. Lucie Pietzsch-Dejardins ist Mitglied des Vereins und will sich nach ihrer Schwangerschaft dafür einsetzen, einen Raum zu bieten, in dem Regenbogenfamilien aus der Region zukünftig durch Onkel Emma zusammenkommen können. Dort sollen die Familien miteinander ins Gespräch kommen und sich gegenseitig in Familienplanungs- und Erziehungsfragen unterstützen. Auch Paruszewski betont, dass gerade der Austausch der LGBTQ+-Community sehr wichtig ist. „Es geht ums Gemeinschaftsgefühl – darum, sich nicht allein zu fühlen, um mit Menschen zu sprechen, die so empfinden wie ich.“

Wie wird man eine Regenbogenfamilie?

Gleichgeschlechtliche Paare, die sich dazu entscheiden, ihrem Kinderwunsch nachzugehen, haben dabei besonders viel Gesprächsbedarf. Denn die politischen Bestimmungen, die es ihnen auch heute noch erschweren, beeinflussen gerade die ersten Jahre des Familienlebens in einem besonders hohen Ausmaß. Lesbische Paare, die eine Schwangerschaft erleben wollen, müssen etwas mehr für ihren Traum kämpfen als andere.

So bestimmt beispielsweise die Ärztekammer eines jeden Bundeslands in Deutschland, ob eine künstliche Befruchtung bei lesbischen Paaren durchgeführt werden darf oder nicht. Die Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen enthält kein explizites Verbot mehr, eine solche Insemination durchzuführen, erlaubt diese aber auch nicht ausdrücklich. Das bedeutet, dass die Entscheidung bei den jeweiligen Reproduktionsmedizinern liegt. Diese Situation führt immer noch dazu, dass viele Kinderwunschkliniken in Niedersachsen lesbische Paare ablehnen. Eine solche Erfahrung mussten auch die Familien Pietzsch-Dejardins und Gaber machen. Und das, obwohl zwischen den Prozessen ihrer Familienplanung bereits zehn Jahre liegen. Ein Stillstand im Bundesland.

Auch nachdem in einer Kinderwunschklinik, die diese Paare behandelt, das Wunschsperma eines kleinen, großen, musikalischen oder sportlichen Mannes gewählt wurde und der Befruchtungsversuch teuer genug, aber endlich von Erfolg gekrönt war, können die Frauen noch nicht aufatmen. Denn auch nach der Geburt des Kindes, das in eine lesbische Ehe hineingeboren wird, ist nur die austragende Frau auch rechtlich die Mutter des Kindes. Ihre Ehefrau muss das gemeinsame Kind erst adoptieren, um offiziell als Mutter zu gelten. Erst nach rund sechs Monaten kann eine sogenannte Stiefkindadoption vollzogen werden. Dieser Prozess kann sich einige Monate in die Länge ziehen. Während dieser Zeit berichten die Familien von unheimlichen Ängsten: Keine Ansprüche der Co-Mama auf das Kind und die Furcht davor, dass die Adoption verwehrt bleiben könnte.

Schwule Männer, die sich dafür entscheiden, zusammen ein Kind großzuziehen, haben es in Deutschland sogar noch schwerer. Seit 2017 ist es gleichgeschlechtlichen Paaren auch möglich zu adoptieren. Der Adoptionsprozess kann sich hierbei aber sehr schwierig gestalten, denn es gibt hierzulande weitaus mehr adoptionswillige Paare als tatsächlich zu vermittelnde Kinder. Eine Leihmutterschaft oder Eizellenspende ist in Deutschland bis heute nicht erlaubt. Viele homosexuelle Paare suchen sich eine Leihmutter im Ausland oder eine lesbische Familie, die willig ist, ihr Kind mit den zwei Männern als zusätzliche Eltern großzuziehen.

Wie wirken sich diese erschwerten Situationen auf das Leben der Familien aus? Welche Erfahrungen machen Regenbogenfamilien in ihrem Alltag und was zeichnet diese Familienform aus? Campus38 hat die zwei Familien einen Tag lang begleitet und ihnen einige Fragen gestellt.

Familie Pietzsch-Dejardins ist im achten Monat schwanger. Sie konnten schon einige Hürden bezwingen und erwarten jetzt die anstehende Geburt ihres kleinen Jungen, der von Lucie ausgetragen wird.

Familie Gaber hat es bereits geschafft. Nicole und Rebekka haben zwei Kinder. Beide hat Nicole bekommen. Ihr Samenspender ist derselbe, was ihre Kinder auch biologisch zu Vollgeschwistern macht.

Der Topf voll Gold am Ende des Regenbogens?

Durch die neue Regierung könnten viele behördliche Diskriminierungen bald ein Ende finden. Die Ampel-Koalition will sich zukünftig stärker für die Rechte der Queeren einsetzen. Die LGBTQ+-Community ist  in hellem Aufruhr und erwartet durch den Regierungswechsel massive Neuerungen. Auch Regenbogenfamilien können etwas aufatmen. Denn es heißt in der Verordnung: „Regenbogenfamilien werden wir in der Familienpolitik stärker verankern.“

Das Familienrecht soll in den nächsten Jahren modernisiert werden. Unter anderem wird festgelegt, dass wenn Kinder in die Ehe lesbischer Frauen hineingeboren werden, automatisch beide rechtlich ihre Mütter sind, sofern nicht andere Vereinbarungen getroffen wurden. Auch der Inseminationsprozess bei lesbischen Frauen soll zukünftig – genauso wie bei heterosexuellen Paaren – zu 25 Prozent von der Krankenkasse übernommen werden können.

 „Im Koalitionsvertrag stehen einige queer-politische Versprechen, aber wie viele davon jetzt wirklich umgesetzt werden, das ist die Frage“, meint Mareike Walther, die Koordinationsbeauftragte für LSBTI in Braunschweig. Die Koordinationsstelle LSBTI fungiert als Sprachrohr zwischen der Community und der Stadtverwaltung. Diese Stelle existiert seit zwei Jahren. Mareike Walther ist dabei Ansprechperson zum Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Stadt Braunschweig und Umgebung. „Der Koalitionsvertrag bietet viel mehr als die letzten Jahre überhaupt nur versprochen wurde, von daher ist die Community da sehr zuversichtlich und hoffnungsvoll, dass sich in den nächsten Jahren so einiges für sie ändert“, äußert sich Walther über die Stimmung der Queeren.

Das Thema Leihmutterschaft in Deutschland wird weiterhin nicht ausdrücklich erwähnt. Die neue Regierung sieht es jedoch vor, zu prüfen, ob eine altruistische Leihmutterschaft oder die Eizellenspende in Deutschland in Zukunft möglich gemacht werden könnte. Bei einer altruistischen Leihmutterschaft bekommt die Leihmutter für das Austragen des Kindes kein Geld. Sie würde nur für ihren Aufwand entschädigt werden und die Familie, die sich die Mutter „leiht“, würde ihre Arztkosten tragen. Dadurch soll eine Leihmutterschaft nicht als Finanzierungsquelle agieren, sondern aus Nächstenliebe geschehen.

Ob, wann und wie die neue Regierung ihre Versprechen umsetzt, bleibt abzuwarten, doch eines ist sicher: Viele Forderungen der LGBTQ+-Community wurden wahrgenommen und sie kann jetzt endlich hoffnungsvoll auf die anstehenden Entwicklungen in Deutschland blicken.

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