Das “Ehren-Amt”-Ehrenamt

Ohne sie ist ein Fußballspiel im Amateurbereich undenkbar. Vorstände, TrainerInnen, SchiedsrichterInnen. An einem Tag erfahren sie totale Dankbarkeit, an einem anderen sind sie die Angriffsfläche eines ganzen Dorfes. Sie sind die großen HeldInnen des Amateursports, die oft viel zu wenig Wertschätzung erfahren.

Ein kalter Sonntagnachmittag im Oktober. 22 verkaterte Fußballbegeisterte treffen sich, um in 90 Minuten auszuspielen, welcher Dorfverein aktuell die Nase vorn hat. Beide Mannschaften betreten den Platz. Einige senken ihre Köpfe. Die neuen Nike-Schuhe versinken im feuchten Gras, die Torhüter entdecken ein Loch nach dem anderen im eigenen Tornetz, und wo sind überhaupt die Seitenlinien? Die Kapitäne beider Truppen besprechen sich eine Weile untereinander. Der Schiedsrichter ist krank, der Platz ist unbespielbar und Trainer haben beide Teams schon lange nicht mehr. In diesen grauen Stunden haben alle verloren. Die Teams, die Leidenschaft, der Fußball. 

Der erste Schuss aufs Tor

Aus Sicht der Fußballbegeisterten ist dieses dystopische Szenario zum Glück meist nicht die Realität. 7,36 Millionen Menschen sind in Deutschland Mitglied eines Fußballvereins und somit auch Mitglied des Deutschen Fußball Bundes (DFB), dem größten nationalen Sportfachverband der Welt. Der erste Tritt gegen den Ball wird allerdings meist nicht im großen Fußballverein aus der nächsten Großstadt gemacht. Oft sind es die ganz kleinen Vereine, die den Schritt in den Sport ermöglichen. Jedes noch so kleine Dorf hat eine Fußballmannschaft. Bist du dort geboren, spielst du zukünftig auch für diesen Verein! Kein Geld schießt auch Tore

Kein Geld schießt auch Tore

Um den Kick in jedem noch so kleinen Verein zu ermöglichen, braucht es das Ehrenamt. Menschen, die sich in ihrer Freizeit dafür einsetzen, einen Verein am Laufen zu halten. Menschen, die mit dem Fußball eine so große Leidenschaft in sich tragen, dass ihnen der Spaß in den Augen der HobbysportlerInnen als Bezahlung reicht. Rasen mähen, Linien abkreiden, neue SpielerInnen zum Spielbetrieb anmelden, alte  vom Spielbetrieb abmelden, Finanzen im Griff haben, die Grillbude am Sonntag aufmachen, Trainingseinheiten leiten, Taktiken einstudieren, immer ein Ohr für  alle offen haben. Die benötigten Leistungen in einem Fußballverein sind nahezu endlos. Vorstand, TrainerInnen, SpartenleiterInnen oder auch KassenwartIn. Ohne sie geht an der Basis des deutschen Fußballs nichts. 400.000 Ehrenamtliche sind in den fast 25.000 Amateurvereinen tätig. Doch wer sind diese Menschen genau? Wie viel Arbeit ist es am Ende wirklich, und was treibt diese Menschen an?

Das Ventil des Bierbauch-Kickers

Das Ehrenamt ist nicht immer nur ein Selbstläufer. Es ist klar, dass es auch anders laufen kann. Ein sehr gutes Beispiel dafür sind die Männer und Frauen an der Pfeife. Das Schiedsrichterwesen ist elementarer Bestandteil eines jeden Fußballspiels. Ohne sie kein Spiel. Die Würdigung dieses Postens sagt allerdings etwas anderes. Beleidigungen, Drohungen und sogar körperliche Angriffe. All das müssen sich SchiedsrichterInnen von Woche zu Woche in den umliegenden Dörfern gefallen lassen. Die Auswirkungen? Deutschland verliert von Jahr zu Jahr immer mehr SchiedsrichterInnen. „Die Jüngeren springen meistens direkt wieder ab“, so Pascal Müller in einer Podcast-Folge von „Ein Bier vor Vier“. Darin spricht der 22jährige ehemalige Schiedsrichter außerdem über die negativen Erfahrungen im Schiedsrichterwesen.

Podcast: Ein Bier vor Vier

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Sinkende Zahlen im Ehrenamt und keinen Respekt im Umgang miteinander. Sport als Abbild der Gesellschaft. Vor allem in politisch schwierigen Zeiten, in denen wir aktuell leben, ist es umso wichtiger, wenigstens im Sport Harmonie und Freude auszustrahlen. Egal, ob SpielerInnen, TrainerInnen, SchiedsrichterInnen oder Fans. Wir alle sollten uns ab und zu mal an die eigene Nase fassen und unser Verhalten auf den Sportplätzen der Region hinterfragen. Wenn wir alle ein bisschen umsichtiger miteinander umgehen, könnte der Fußball im Amateurbereich nämlich genau das sein, was er eigentlich sein sollte: die schönste Nebensache der Welt.


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