Der beißende Gestank des Rassismus

Rassismus hat viele Gesichter. Er zeigt sich in kleinen Witzen, übergriffigen Gesten oder sogar durch physische Angriffe. Unsere AutorInnen erzählen aus ihrem Alltag.
Campus38-Autorin Laurentine Edene (Quelle: Privat)

Der beißende Gestank des Rassismus verfolgt mich schon mein Leben lang. Das erste Mal, dass ich ihn bewusst wahrgenommen habe, war in der Grundschule, als ich wegen meiner Haare ausgelacht wurde. Zwar erinnere ich mich nur noch dunkel an die Situation, jedoch werde ich den Schmerz und das Gefühl des Selbsthasses nie vergessen. 

Es ist Sommer. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und trocknet meinen nassen Afro. Ich befinde mich nach einem Tag am Kanal zusammen mit einem Kumpel von mir auf dem Weg nach Hause. Ein paar Minuten bevor wir ankommen, rast ein Radfahrer knapp an uns vorbei und ich erschrecke mich. Voller Adrenalin rufe ich ihm hinterher: „Das ist hier kein Fahrrad­weg!” Daraufhin kommt der Fahrer zum Halt. Es ist ein junger Mann. Er mustert mich von oben bis unten und schreit mich an: „Halt deine Fresse, du scheiß Neger.” Während er wieder auf sein Fahrrad steigt, weiterfährt und diese Situation für ihn wahrscheinlich schon lange vergessen ist, be­schäftigt mich dieser Vorfall noch heute. Damals war ich 14 Jahre alt. 

Ich erinnere mich noch genau, wie beschämt ich mich gefühlt habe. Mei­nem Kumpel konnte ich danach nicht mehr in die Augen schauen, obwohl ich nichts falsch gemacht habe. Es war mir peinlich, vor ihm so beleidigt worden zu sein. Ich blieb stumm und war zu eingeschüchtert, um für mich selbst einzustehen. Dies ist eine von vielen Situationen, die mich und mei­nen Umgang mit fremden Menschen sehr geprägt hat. 

Ich würde gerne von mir behaupten, dass ich mich heute mit 21 Jahren von einer solchen Konfrontation nicht mehr einschüchtern lassen würde. Leider kann ich das nicht. Ich bin stark, selbstbewusst und wortgewandt, jedoch versetzen mich rassistische Aussagen bis heute in Schockstarre. 

Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn dir von wildfremden Menschen auf der Straße in die Haare gefasst wird – als wärst du ein Tier, welches nicht um Erlaubnis gefragt werden muss? Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn dir an den Kopf geworfen wird, dass du aufgrund deiner Herkunft stinkst? Weißt du, wie es sich anfühlt, mit Herzrasen und schwitzigen Händen ins nächste kleine Dorf zu fahren, weil die Angst vor Diskriminierung so groß ist? Solltest du diese Fragen verneinen können, gratuliere ich. Du hast das Glück, dass dir ein zufälliges Privileg in die Wiege gelegt wurde. Meine Wirklichkeit sieht anders aus. Ich bin schwarz.

„Ich liebe es, eine schwarze Frau zu sein“

Trotz all der Auseinandersetzungen und Konflikte, die mit meiner Haut­farbe einhergehen, kann ich aus vollem Herzen verkünden: Ich liebe es, eine schwarze Frau zu sein! Ich bin stolz auf die breite Nase meiner Mutter, die vollen Lippen meines Vaters, die dunklen Augen meines Opas und die krausen Haare meiner Oma. Mir bleibt aber auch nichts anderes übrig, denn für mich ist Schwarzsein keine Verkleidung, die ich nach der Fast­nacht ablegen kann oder ein Trend, wie für die durch Tanning Spray ver­dunkelte Kim Kardashian. 

In Deutschland schwarz zu sein, ist meine Realität, Blackfishing eine Ver­letzung meiner Kultur und Rassismus mein ungeliebter Schatten.

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