Die Antibabypille – Eine tägliche Dosis Lebensgefahr

Die Antibabypille ist die wohl winzigste Bombe der Welt. Nach heutigen Standards dürfte sie wohl kaum noch zugelassen werden. Sie hat einen Durchmesser von einem halben Zentimeter und eine Auswirkung, die ins Unermessliche geht. Und doch ist sie so weit verbreitet.

Der Wecker klingelt. Es ist soweit. Aber nicht zum Aufstehen, sondern zum Einnehmen der Pille. Welche Frau kennt ihn nicht? Den Wecker, der die Frauen täglich zur gleichen Uhrzeit daran erinnert, dass der Hormoncocktail auf sie wartet. Eine Pille so klein wie ein Krümel, die man beim Einnehmen mit einem Schluck Wasser nicht einmal im Hals spürt. Für den Körper ist sie jedoch ein täglicher Angriff auf den Hormonhaushalt. So ist es nun mal, wenn man nicht schwanger werden möchte. So muss es wohl sein, denkt ein Mädchen, dass es sich in jungen Jahren so einfach wie möglich macht. In jungen Jahren eine unkomplizierte Möglichkeit sicher zu verhüten, die sowohl Eltern als auch Frauenärzte befürworten.

Vor allem von jungen Mädchen wird die Pille sogar oft als trendige Lifestyledroge wahrgenommen. Sie macht die Brüste größer, die Haut reiner, die Haare voller und die Periode leichter. Doch zu welchem Preis? Diesen scheinen viele nicht zu kennen. Es fehlt die Aufklärung über ein Medikament, das täglich von Millionen von Frauen weltweit eingenommen wird. Wer eine Aufklärung möchte, muss Eigeninitiative ergreifen. Jedoch ist der eigene Zyklus ein Thema, mit dem sich die meisten Frauen erst auseinandersetzen, wenn sie schwanger werden wollen. Vorher sind sie sich nur über die monatliche Periode bewusst, die für sie als nervige Angelegenheit abgestempelt wird. Es gehört irgendwie dazu, Schmerzen, Stimmungsschwankungen, geschwollene Brüste und einen aufgeblähten Bauch zu haben.

 

Die Funktionsweise der Pille ist ein Kreislauf voller Fachbegriffe. Kurzgefasst: Unsere eigene Hormonproduktion inklusive Zyklus wird abgeschaltet. Die Pille simuliert diesen Prozess und bringt künstliche Hormonersatzstoffe in den Körper. Dadurch fehlen uns die natürlichen Hormone in unserem Körper. Die möglichen Auswirkungen? Schädigungen der Leber, Zysten, Gallensteine, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Magen- und Darmprobleme, Depressionen, Libidoverlust und Übelkeit. Im schlimmsten Fall eine Erkrankung an Krebs, an einer Thrombose oder einer Lungenembolie.

Die vorhandene Wissenslücke über diese Gefahren ist nicht nur das Problem der Nutzerinnen, sondern auch das der Lehrenden, Eltern, Beratungsstellen und teilweise auch Gynäkologen. Die Aufklärung über die Antibabypille ist schon von Beginn an lückenhaft. Autorin Isabel Morelli hat sich für ihr Buch „Kleine Pille, große Folgen“ mit verschiedenen Lehrkräften getroffen, um sich ein Bild vom Sexualkundeunterricht in Deutschland zu machen. Ihr Fazit darüber, was die Kinder lernen: Die Pille schützt vor einer Schwangerschaft und das Kondom vor Krankheiten. „Das was wir im Unterricht rüberbringen, die Verantwortung, die wir haben, und das, was die Eltern von uns verlangen ist, dass durch unseren Unterricht ihre Kinder nicht schwanger werden. Das ist die Hauptsache und so wird der Unterricht gestaltet“, erklärt einer der Lehrerkräfte.  

Wird ein Mädchen älter, steht irgendwann der Besuch beim Frauenarzt an. Ärzte – autoritäre Personen, denen PatientInnen zum Teil hingebungsvoll vertrauen. FrauenärztInnen genießen sogar noch ein viel größeres Vertrauen. Schließlich zeugt es für viele von großer Überwindung, sich unten ohne auf einen Stuhl zu setzen. Sie machen die Beine breit und lassen sich von einem Lichtstrahl beleuchten, um der Gynäkologin oder dem Gynäkologen freie Sicht zu verschaffen. Eine Sicht, die selbst dem eigenen Partner nicht unbedingt gewährt wird. Nur damit es am Ende heißt: Hier ist das Rezept für die Pille. Warum ist das so? Warum wird dem Großteil der Frauen die Pille so leichtfertig verschrieben? Und das ohne ein umfangreiches Vorgespräch oder eine Untersuchung? Die Pharmaindustrie macht mit der Antibabypille weltweit einen riesigen Umsatz. Mehrere Milliarden Euro pro Jahr. Ob GynäkologInnen absatzorientiert seien, sollte an dieser Stelle nicht der ausschlaggebende Faktor sein. Vielmehr scheint es am Studium zu liegen. Medizinstudierende beschäftigen sich in genau zwei Semestern mit der Gynäkologie, in denen das weitreichende Themengebiet abgearbeitet wird. Dabei geht es größtenteils um die Schwangerschaft, die Geburt, Krebserkrankungen und Operationen. Diejenigen, die sich darüber hinaus nicht freiwillig weiterbilden, lernen nichts über den weiblichen Zyklus und die Probleme einer Frau. Sie arbeiten nach Lehrbuch und dieses besagt: Die Pille ist die einfachste Lösung für alle Probleme. Auch wenn es längst nicht genug sind – immer mehr Frauen entscheiden sich dafür, die Pille abzusetzen. Und das nicht, weil sie schwanger werden wollen. Drei Frauen, die sich dafür entschieden haben, sind Louisa, Marie und Svenja. Alle haben sie die Pille genommen und heute nicht mehr. Warum erzählen sie im Interview:

Louisa ist 24 Jahre alt. Mit 15 hat sie angefangen die Pille einzunehmen, damals hatte sie ihren ersten Freund. Sie erinnert sich noch genau daran, wie modisch es war, die Pille zu nehmen und ein Teil der Gruppe zu sein. Fünf Jahre später hat sie sich dazu entschlossen, sie abzusetzen.

Eine passende Alternative hat sie für sich noch nicht gefunden. Eine Spirale oder eine Kupferkette kommen für sie zurzeit nicht in Frage, da diese operativ eingeführt werden und Schmerzen verursachen. Auf Verhütungsmittel, bei denen Hormone im Einsatz sind, will sie komplett verzichten. Louisa hat das Glück, dass sich ihr Körper nach dem Absetzen der Pille schnell erholt hat. Dass das nicht immer so einfach geht, beweist die 23-jährige Marie. Vor allem Frauen, die die Pille schon zu Beginn ihrer Pubertät einnehmen, haben nach dem Absetzen meist die größten Probleme. Der Körper kennt ein Leben ohne die künstlichen Hormone nicht.

Marie war 14 als sie angefangen hat, die Pille zu nehmen. Auch sie hatte damals gerade ihren ersten Freund. Ihre Mutter wollte auf Nummer sicher gehen. Ganze sieben Jahre hat Marie die Pille genommen – und obwohl sie diese vor zwei Jahren abgesetzt hat, hat sie mit der Umstellung heute noch zu kämpfen.

Doch welche Alternative soll es werden? Eine Frage, die viele Frauen für sich nicht sofort beantworten können. Schon die Erfahrungen beider jungen Frauen zeigt: Egal was, aber bloß nie wieder die Pille. Diese Meinung trifft bei FrauenärztInnen nicht immer auf Verständnis. Ist der Sexualtrieb bei einer Frau nicht vorhanden, solle sie lieber den Partner wechseln, anstatt die Pille abzusetzen. Plagen sie Stimmungsschwankungen oder sogar Depressionen, solle sie einfach den Stress reduzieren. Viele Frauen fühlen sich von ihren GynäkologInnen nicht verstanden oder unterstützt. Doch das trifft natürlich nicht auf alle zu. 

Die 26-jährige Svenja hat sich der Herausforderung gestellt und so einige Verhütungsmittel ausgetestet. Die passende Alternative hat sie letztendlich durch die gute Beratung ihrer Frauenärztin gefunden.

Das für sich passende Verhütungsmittel zu finden, braucht seine Zeit. Jeder Körper funktioniert und reagiert anders. Die erste Alternative führt selten zu Erfolg, doch hier verlangt es das Ausprobieren von weiteren Alternativen. So wie Svenja es getan hat. Dank ihrer Entschlossenheit konnte sie am Ende den Hormonring für sich entdecken.  Im Bereich der hormonfreien Verhütungsmittel stehen zum Beispiel die Kupferspirale, das Diaphragma, das Femidom oder die NFP-Methode zur Auswahl. Wer unter den hormonfreien Alternativen nichts Passendes für sich findet, kann sich auch an Verhütungsmitteln mit Hormonen versuchen. Warum hormonelle Mittel ausprobieren, wenn man doch gerade die Pille abgesetzt hat? Ganz einfach, weil es Mittel gibt, bei denen die Hormone nicht durch den ganzen Körper wandern. Die Hormonspirale oder der Hormonring werden direkt in oder an der Gebärmutter platziert. Somit werden nur dort Hormone ausgeschüttet. Bei der Depotspritze hingegen gelangen die Hormone in die Blutbahn. Auch das Implanon wirkt im ganzen Körper. Bei diesen Mitteln sollte gut überlegt werden, ob nicht doch lieber auf die anderen Mittel zurückgegriffen werden sollte. Unabhängig von dem gewählten Verhütungsmittel ist auch das Zyklus-Tracking über eine App immer ein guter Zusatz. Nicht nur um die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage nachzuverfolgen, sondern auch um den eigenen Zyklus besser kennenzulernen.

Ausprobieren und nicht aufgeben ist die Devise. Häufig scheuen sich Frauen vor dem Absetzen der Pille, aus Angst keine Alternative zu finden. Vielmehr sollte die Angst über die Gefahren überwiegen, denen sie sich täglich mit der Einnahme der Pille ausliefern. Diäten, Smoothies, Nahrungsergänzungsmittel, Spa-Besuche, Yoga und Co. – liebe Frauen, tut eurem Körper doch mal wirklich etwas Gutes.

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