Szenario 1: Die 50+1-Diskussion
Die Bundesliga ist in gewisser Hinsicht ein Museumsstück des Fußballs: Investoren wird es mit der sogenannten 50+1-Regelung schwer gemacht, im großen Stil à la Paris Saint-Germain bei Bundesligavereinen einzusteigen und die Kontrolle des Vereins zu übernehmen. Der Verein muss durch die Regel mindestens 51 Prozent der Anteile des Vereins halten. So hat der Verein weiterhin die Mehrheit bei Entscheidungen. Scheich Mansour aus Abu Dhabi hält 86 Prozent von Manchester City.
Er investiert Million um Million in den Club. Durch die 86 Prozent kann er entscheiden, was mit den Millionen passiert. In Deutschland kann so etwas nicht passieren. Viele Fans sind stolz auf diese Regel und wollen sie erhalten. Die Initiative 50plus1bleibt, die über 3.000 Fanclubs, Fangruppierungen und Fanverbände im März 2018 unterzeichneten, zeigt es. Es gibt allerdings auch Gegenstimmen. Etwa bei Hannover 96 gab es reichlich lautstarken Ärger. 96-Investor Martin Kind sagte in der HAZ: „Meine Hoffnung ist, dass es eine Linie der Vernunft und der Zukunftsperspektive gibt. Und das kann aus meiner Sicht nur heißen, 50+1 aufzugeben. Ob das so kommt, kann ich nicht beurteilen“.
Die Aufgabe von 50+1 wäre den Fans ein Dorn im Auge. Das ohnehin schlechte Verhältnis zu DFB und DFL könnte komplett zugrunde gehen. Das Aushängeschild Bundesliga – die Fans, könnten ihr den Rücken kehren. Gerade Fußballromantiker sind auf die 50+1-Regel stolz und wollen daran unbedingt halten. Es gibt zudem Befürchtungen, dass die Vereine von beispielsweise Scheichs übernommen werden. Investoren würden an der Rangordnung aber nicht viel ändern, da nur mehr Geld im Umlauf wäre. Bayern und der BVB wären für viele immer noch attraktiver als andere Teams.
Szenario 2: Die Umverteilung der TV-Gelder
In England stehen die Tore für Investoren aus der ganzen Welt weit geöffnet. Viele Vereine werden von Investoren immer wieder mit Geld versorgt. Manchester City und Newcastle United sind dafür gute Beispiele. Das viele Geld bringt weltweite Topspieler auf die Insel. Hier werden sehr hohe Gehälter bezahlt. Der sportliche Standard ist hoch. Man sieht regelmäßig Spiele auf Weltklasseniveau, wie Liverpool gegen City. Solche Duelle werden weltweit verfolgt. Sender weltweit buhlen daher um die TV-Übertragungsrechte der Premier League und sind bereit, Unsummen dafür zu zahlen. Einnahmen durch Bildrechte werden an die Teams verteilt, wie in der Bundesliga auch. Der Maßstab der Aufteilung ist allerdings ein anderer. Auf der Insel bekommt der aktuelle Meister maximal 1,8 Mal so viel wie der letzte der Liga. Wenn der letzte Platz zehn Millionen bekommt, erhält der Meister maximal 18 Millionen. In der Bundesliga geht die Spreizung deutlich weiter auseinander. 2021 lag der Wert bei 3,7. Wenn der letzte Platz der Bundesliga 10 Millionen erhielt, bekamen die Bayern 37 Millionen. Die Folge: die Spitze enteilt dem Rest der Liga. Anders gesagt: die untere Hälfte braucht deutlich länger um aufzuholen, da das Geld auf Basis von Fünfjahreswertungen verteilt wird. Die Premier League schüttete in der Saison 2018/2019 insgesamt 2,6 Milliarden Euro an die Vereine aus. Liverpool erhielt 162,2 Millionen, der Tabellenletzte Huddersfield Town 100,8 Millionen. Ob die Umverteilung der Gelder am finanziellen Vorsprung der Bayern etwas ändern würde?
Kurzfristig würde man die Umverteilung vielleicht kaum bemerken. Dafür ist der Vorsprung der Bayern zu groß. Mittel- und langfristig hätten die kleineren Vereine wahrscheinlich mehr Geld zur Verfügung. Was nicht zwangsläufig heißt, dass die Teams besser werden. Beispiele dafür gibt es mit Hertha BSC und 1860 München genug. Außerdem haben die Großen einiges dagegen, ihren Bonus bei den TV-Geldern aufzugeben. Zur Saison 2021/2022 wurde die Umverteilung bereits leicht angepasst. Der Maßstab hat sich von 3,7 auf 3,1 verändert. Fürth bekam mit 29 Millionen am wenigsten. Die Bayern mit 90,4 Millionen am meisten. Im Jahr zuvor waren es 107,1 Millionen gewesen. Ex-Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge machte seinem Unmut Luft: „Man hat in dem Kompromiss nur den Großen etwas weggenommen und nach unten verteilt“. Die Umverteilung werde die kleinen Vereine auch nicht wettbewerbsfähiger machen. Wer das glaubt, ist an Naivität nicht zu überbieten“. Das vielleicht nicht, aber sie würde die Durchlässigkeit der Bundesliga im Mittelfeld sicherlich erhöhen.
Szenario 3: Playoffs
Die neue DFL-Präsidentin Donata Hopfen machte im Februar mit dem Vorschlag, die Meisterschaft durch Ausscheidungsspiele zu vergeben, von sich reden: „Wenn uns Playoffs helfen, dann reden wir über Playoffs. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass die Bayern in den letzten Jahren einen super Job gemacht haben“. Durch ihre Leistungen in der Champions League hätten die Münchner wirtschaftlich immer mehr an Stärke gewonnen. Dieses Interview rückte Playoffs in der deutschen Fußballszene in den Fokus. In den USA sind sie weit verbreitet. Kleinere europäische Fußballligen haben sich das System ebenfalls angeeignet. Die zweite englische Liga spielt den dritten und letzten Aufstiegsplatz in Playoffs aus. Plätze eins und zwei steigen direkt auf. Die Teams auf den Plätzen drei bis sechs kommen in die Playoffs und kämpfen um die letzte Möglichkeit für die Premier League. In Belgiens erster Profiliga, der Jupiler Pro League, gibt es ebenfalls Playoffs. Sie sind allerdings ein bisschen komplizierter. Wären sie eine realistische Option für die Bundesliga?
Playoffs könnten bei uns vielleicht so aussehen: Die besten vier Teams der Saison spielen Mini- Playoffs um den Titel. Was das bringen würde? Dass die Bayern in einem Spiel zu schlagen sind, zeigten zuletzt der DFB-Pokal und die Champions League. Im Pokal schieden die Bayern in den letzten Jahren gegen Gladbach, Bochum und Kiel aus. In der Champions League war diese Saison gegen Villareal im Viertelfinale Schluss. Die Aussichten auf einen Meister, der nicht aus München kommt, würden steigen. Außerdem hätte man zusätzliche Spiele, die man verkaufen und vermarkten könnte.
Würde das etwas bringen? Wahrscheinlich würde es in zehn Jahren auch mal andere Meister geben. Finanziell gesehen würde die Spitze den anderen Teams noch schneller enteilen. Auch unter den Bayern hat sich an der Spitze der Bundesliga nicht viel verändert. Dortmund und Leipzig haben den Anspruch, in der Champions League zu spielen. Dahinter warten Teams wie Leverkusen oder Gladbach. Wahrscheinlich würden zumeist die gleichen Teams in die Playoffs einziehen und durch die Prämien den Rest der Liga hinter sich lassen. Sie würden zudem noch Champions League spielen, was eine enorme Finanzspritze bedeuten würde. Allein die Startprämie beträgt knapp 15,6 Millionen für jedes Team.
Hopfen zeigte sich offen für Veränderungen. „Jede Maßnahme, die uns in Zukunft Geld bringen soll“, müsse zur Bundesliga passen. „Ich finde aber, wir können in dieser Hinsicht aktuell gar nichts ausschließen“. So zog sie auch in Betracht, den deutschen Supercup in Saudi-Arabien auszutragen. Die spanische Version dieses Wettbewerbs findet seit 2020 dort statt. Mit einem solchen Schritt würde man den Fans noch mehr den Rücken zukehren, als man es ohnehin schon tut.
Das Format Playoffs könnte das Problem der fehlenden Spannung im Meisterrennen der Liga beheben. An den Hierarchieverhältnissen in der Liga würde sich aber nicht viel ändern. Im Gegenteil – die Spitze in der Breite würde noch weiter wegziehen. Dafür müssten mehr Teams um die Playoffs und die Europapokalplätze mitspielen.
Würden die Fans solche Schritte mitgehen?
Das Alleinstellungsmerkmal der Bundesliga sind die Fans. Die meistens Bundesligastadien sind am Wochenende ausverkauft. Stadionkulissen wie in Dortmund oder Frankfurt suchen ihresgleichen. Keine Selbstverständlichkeit, wie das Rückspiel der SGE im Europa League-Viertelfinale in Barcelona zeigt. 30.000 Frankfurter reisten in die Hauptstadt Kataloniens, was Fans und Verantwortliche der Spanier eingeschüchtert zurückließ. Würde diese Fankultur Playoffs oder einen Supercup in Saudi- Arabien mitmachen?
Nein. Das Tischtuch zwischen Fans und dem DFB scheint bereits zerschnitten. Seien es das Thema Kollektivstrafen im Stadion oder di Montagsspiele. Mit Bannern im Stadion wie „50+1 keine Diskussionsbasis sondern die Schmerzgrenze“ machen die Fans ihrer Unzufriedenheit Luft. Ob sie einen deutschen Supercup in Saudi-Arabien gutheißen würden, ist schwer vorstellbar. Die Dominanz der Bayern tut der Liga auf Dauer nicht gut. Finanziell wie sportlich nicht. Es gibt Ideen, die Zustände zu ändern. Gerade von der neuen Liga-Chefin. Vielleicht sollte der DFB vorher seine Probleme mit den nationalen Fans in den Griff bekommen, bevor man an die Expansion in andere Länder denkt. Ja, die Bundesliga braucht Veränderung. Der richtige Weg dafür muss erst noch gefunden werden. Die Bayern werden sich jedenfalls nicht so leicht vom Thron stoßen lassen. Aber mehr Spannung im Mittelfeld wäre ein Anfang.